Atomenergie

Die nuklearen Sorgen von EDF

Der französische Stromriese hatte eigentlich auf neue Aufträge für seine Kraftwerksbausparte Framatome gehofft. Doch der Vorfall in einem EPR in Taishan könnte seiner Atomstrategie einen Rückschlag versetzen.

Die nuklearen Sorgen von EDF

wü Paris

Die Beteiligten selber wiegeln ab. Und doch könnte der Vorfall, zu dem es gerade an dem weltweit einzigen in Betrieb befindlichen Europäischen Druckwasserreaktor EPR im chinesischen Taishan gekommen ist, den nuklearen Ambitionen von Électricité de France (EDF) einen weiteren Rückschlag versetzen. Der Stromversorger betreibt nicht nur die 56 Atomreaktoren in seinem Heimatland Frankreich, sondern hat 2018 im Rahmen der Zerschlagung des Atomkonzerns Areva auch den Kraftwerksbauer Framatome übernommen, der den EPR in Taishan mit einem chinesischen Partner gebaut hat.

Eigentlich hatte EDF auf eine weltweite Renaissance der Atomkraft im Zuge der Bekämpfung des Klimawandels gehofft. Die nukleare Strategie spielt auch bei der geplanten Reform des Stromriesen eine Rolle. Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron und die Konzernleitung wollten den unter einer Schuldenlast von zuletzt 42,3 Mrd. Euro ächzenden Versorger eigentlich in drei Einheiten aufspalten und die die Atomaktivitäten umfassende Sparte wieder verstaatlichen. Derzeit hält der französische Staat 83,68% des EDF-Kapitals. Doch die unter dem Namen „Hércule“ geplante Reform stieß bei Gewerkschaften auf erbitterten Widerstand.

Verhandlungen zäh

Gleichzeitig gestalteten sich die Verhandlungen darüber mit Brüssel sehr zäh, da Paris auf eine für EDF günstigere Regulierung der Atombranche und auf einen Aufschub bei der Liberalisierung der Staudämme in Frankreich hoffte. Da das Herkules-Projekt feststeckt, plädiert Wirtschaftsminister Bruno Le Maire inzwischen für eine neue Reform namens „das große EDF“. Präsident Macron werde darüber noch vor Ende des Monats entscheiden, heißt es in Paris.

Auch wenn EDF jetzt den Vorfall in Taishan relativierte, ist dieser für die Atompläne des Versorgers nicht förderlich. Dabei hatte Konzernchef Bernard Lévy eigentlich auf Aufträge für den Bau weiterer EPR-Druckwasserreaktoren gehofft. Er spricht darüber mit mehreren Ländern, darunter Großbritannien, Indien, Polen und der Tschechischen Republik. In seiner Heimat Frankreich würde EDF gern sechs EPR-Reaktoren zusätzlich zu dem um Jahre verzögerten und stark verteuerten EPR in Flamanville in der Normandie bauen. Die Regierung will darüber jedoch erst entscheiden, wenn Flamanville ans Netz gegangen ist. Das dürfte jedoch nicht vor Ende nächsten Jahres passieren.

Der Vorfall in Taishan, bei dem Edelgase innerhalb der von chinesischen Sicherheitsbehörden definierten Grenzwerte in die Atmosphäre abgegeben wurden, sollte den Staat dazu bringen, über seine Energiepolitik nachzudenken, erklärte Umweltministerin Barbara Pompili Dienstag gegenüber dem Radiosender France Inter. Atomstrom macht mehr als 70% des in Frankreich produzierten Stroms aus. Die Laufzeit der französischen Reaktoren wurde bereits auf 50 Jahre verlängert.

Die EDF-Aktie gab Dienstag an der Börse von Paris 1,4% auf 11,82 Euro nach.