IM GESPRÄCH: THOMAS DEUTSCHMANN, BRAINLOOP

"Die Sensibilität steigt mit jedem Tag"

CEO: Softwarehaus erwartet mehr Nachfrage für sichere Kommunikation - Perspektivisch Börsengang im Blick

"Die Sensibilität steigt mit jedem Tag"

Zur Erfüllung gestiegener regulatorischer Anforderungen und zur Weitergabe hoch sensibler Informationen ist die klassische digitale Kommunikation ungeeignet – wie unlängst der Hackerangriff auf das E-Mail-Konto von EZB-Chef Mario Draghi zeigte. Großkonzerne setzen deshalb meist auf spezialisierte Kommunikationsplattformen, wie sie das Softwarehaus Brainloop anbietet.Von Sebastian Schmid, FrankfurtWer wusste was zu welchem Zeitpunkt im Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen? Für die aktuelle und ehemalige Führungsmannschaft des Wolfsburger Autobauers ist diese Frage in Bezug auf eventuelle Schadenersatzansprüche von Aktionären und anderen Stakeholdern aktuell von hoher Bedeutung. Aber auch wenn kein Fall vorliegt, der den Konzern zig Milliarden an Schadenersatz, Strafzahlungen und Marktkapitalisierung gekostet hat, ist es für Vorstände und Aufsichtsräte bedeutend, dokumentieren zu können, wann und von wem sie ihre Informationen erhalten und an wen sie diese weitergeleitet haben. Statt der klassischen E-Mail kommen daher oft sichere, geschlossene Kommunikationssysteme zum Einsatz, die einerseits besser vor externen Zugriffen schützen, andererseits aber über einen sogenannten Audit Trail den Informationsfluss nachvollziehbar machen. Das unterstützt unter anderem den Nachweis der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen.Der Münchener Softwarekonzern Brainloop AG konzentriert sich seit mehr als einem Jahrzehnt auf sichere Kommunikationsplattformen. “Zu den Kunden zählen zahlreiche mittelständische Unternehmen sowie die Mehrheit der Dax-30-Konzerne, darunter Linde, Infineon und BMW”, erklärt der Vorstandsvorsitzende Thomas Deutschmann im Gespräch. Typischerweise komme der “Secure Dataroom” von Brainloop zwar in der Board-Kommunikation zum Einsatz. Die Plattform, die auch auf Tablets verwendet werden kann, werde aber auch zum Austausch hoch sensibler Informationen in transaktionsbezogenen Projektgruppen – etwa bei Akquisitionen, Fusionen oder Börsengängen – eingesetzt. Vorbehalte in den USAObwohl Brainloops lückenloser Audit Trail gerade für die hohen regulatorischen Anforderungen und größeren finanziellen Compliance-Risiken in den USA wie gemacht erscheint, haben dortige Konzerne laut Deutschmann offenbar größere Vorbehalte gegen das Produkt. “In den Vereinigten Staaten haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Kunden explizit gefragt haben, wie sie den Audit Trail abschalten können”, erklärt er. Brainloop habe die US-Aktivitäten auch deshalb mittlerweile abgegeben. Wettbewerber Diligent Software ist in der Board-Kommunikation international deutlich weiter verbreitet. Der neuseeländische Konzern kommt auf einen Umsatz von knapp 85 Mill. Dollar. In der sicheren Transaktionskommunikation ist derweil Merrill Software weltweit führend. Der US-Konzern aus St. Paul (Minnesota) wird 2018 ein halbes Jahrhundert alt und ist wie Brainloop, die auf knapp 20 Mill. Euro Umsatz kommt, in privater Hand.Primär findet das Münchener Unternehmen im deutschsprachigen Raum seine Kunden – vier von fünf Euro werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz erlöst. Das liege auch daran, dass feste Kunden stärkere Erlösbringer als M & A- oder IPO-Einzelprojekte mit oft nur kurzer Dauer seien, so Deutschmann. Meist beginne die Zusammenarbeit über die sichere Gremienkommunikation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, später komme dann die Kommunikation bei strategischen Projekten hinzu. Finanzindustrie als KundeDie bedeutendste Branche für Brainloop ist die Finanzindustrie. Zu den Kunden zählen Versicherer wie Allianz und Zurich, Banken wie Société Générale oder Fondsgesellschaften wie Union Investment. Von den Beratungsgesellschaften setzen Deloitte und KPMG wohl auf Brainloop, in der Pharma stehen Bayer und Medigene in der Kundenkartei. Laut Deutschmann ist bei den Firmen das Bewusstsein für die Lage der Datenzentren oft sehr ausgeprägt. “Wir haben eigene Server in Frankreich, England, Luxemburg, Schweiz, Österreich und natürlich in Deutschland”, erklärt er. Damit könne Brainloop garantieren, dass die Daten die Landesgrenze nicht überschreiten und damit der vollständigen Legislatur des jeweiligen Landes unterliegen. Das sei gerade für die stark regulierten Finanzdienstleister oft ein wichtiges Argument.Brainloop arbeitet zwar vornehmlich mit börsennotierten Unternehmen, ist selbst aber nicht notiert. Eine Abneigung gegen den Kapitalmarkt hat Deutschmann, der als ehemaliger CEO der mittlerweile übernommenen Update Software AG über mehrere Jahre Börsenerfahrung verfügt, allerdings nicht entwickelt. “Wir sind im Moment zwar zu klein. Ich würde aber einen Börsengang für uns perspektivisch überhaupt nicht ausschließen. Dafür müssen wir aber noch wachsen.” Primär soll dieses Wachstum regional erfolgen. In Frankreich oder England gebe es etwa noch viel Potenzial. Die hohen Investitionen in Auslandsexpansion und neue Produkte haben sich in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zuletzt niedergeschlagen. 2015 erlöste Brainloop 18,5 Mill. Euro und schrieb dabei 5 Mill. Euro Verlust. “2016 haben sich sowohl Umsatz als auch Ergebnis gegenüber dem Vorjahr verbessert”, versichert Deutschmann.Mit ambivalenten Gefühlen betrachtet er Schnittstellen zu anderen Produkten. “Auf der einen Seite besteht natürlich die Erwartungshaltung, dass unser Produkt Schnittstellen zu SAP oder Microsoft Share Point aufweist. Das bedienen wir auch”, erklärt er. Allerdings gelte: “Jede Schnittstelle ist ein Risiko.” Der Komfortaspekt stehe klar hinter dem Sicherheitsaspekt. Das sei für manchen Anwender gewöhnungsbedürftig. Die Sensibilität für Datensicherheit in den Unternehmen wachse aber stetig. “Gerade ist vermutlich eine amerikanische Präsidentschaftswahl irgendwie von Hackern beeinflusst worden. Die Sensibilität steigt mit jedem Tag.”