IM INTERVIEW: PETER PAULI

"Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen"

Geschäftsführer der BayBG: EZB-Geldflut und Investitionszurückhaltung dämpfen Neugeschäft des Risikokapitalgebers - Family Offices drängen in den Markt

"Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen"

– Herr Pauli, der deutsche Beteiligungsmarkt hat sich erholt. Die Bruttoneuinvestitionen stiegen 2014 um 2 Mrd. auf über 7 Mrd. Euro. Wie schätzen Sie die Lage 2015 ein?Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen, die Bedingungen für Fundraising und Exits sind gut, im Neugeschäft fehlen teilweise die Targets. Ich gehe davon aus, dass im ersten Halbjahr die Bruttoneuinvestitionen relativ niedrig waren. Es ist schwierig zu prognostizieren, wie das zweite Halbjahr läuft. Es könnte aber sein, dass man das Niveau des Vorjahres erreicht. Das hängt von einzelnen großen Transaktionen ab, die auch 2014 für einen Anstieg sorgten.- Warum schnitt die BayBG im Neugeschäft nicht so gut ab wie der Gesamtmarkt?Der Gesamtmarkt wird stark von einzelnen großen Deals beeinflusst. Die BayBG mit ihren kleineren Investments ist nicht der Treiber.- Was dämpft derzeit Ihr Neugeschäft?Im zurückliegenden Geschäftsjahr haben wir erhebliche Anstrengungen unternommen, um im Neugeschäft über 40 Mill. Euro zu liegen. Auch in diesem Jahr hat sich die Situation nicht geändert. Das liegt am Umfeld. Viele Unternehmen verfügen aufgrund der guten Konjunktur über ausreichend Eigenkapital und Cash. Zugleich ist die Investitionsneigung im Mittelstand nach wie vor nicht allzu hoch.- Warum sind die Firmen trotz guter Konjunktur bei Investitionen zurückhaltend?Der Schock von 2008, als die Lehman-Pleite die Weltwirtschaft einbrechen ließ, sitzt noch tief. Viele Unternehmer haben Angst, dass sich eine solche Situation wiederholen könnte. Die Griechenland-Krise hängt trotz der jüngsten Einigung im Schuldenstreit weiter wie ein Damoklesschwert über Europa. Die Großwetterlage – zum Beispiel auch in der Ukraine – ist nicht so, dass man voller Optimismus in die nahe Zukunft blicken kann.- Wie beeinflussen die Banken und die ultralockere EZB-Geldpolitik Ihr Geschäft?Die Banken sind mit günstigen Kreditangeboten sehr offensiv. Das ist eine Folge der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Es ist sehr viel Geld im Markt.- Drängen auch Newcomer in den Markt?Es ist zu beobachten, dass Family Offices und andere private Investoren versuchen, verstärkt in mittelständische Unternehmen zu investieren. Im Zinstief steigt der Druck, alternative Anlageformen zu suchen, um auskömmliche Renditen zu erwirtschaften.- In welchen Segmenten spürt die BayBG den Druck besonders, in welchen läuft es besser?Im Venture-Capital-Segment haben wir nach wie vor sehr viel Nachfrage nach Kapital. Das hat damit zu tun, dass das Angebot an Venture Capital in Deutschland zu niedrig ist. Die Investments in Start-up-Unternehmen belaufen sich auf lediglich 0,02 % des Bruttoinlandsprodukts. Auch beim Thema Nachfolgelösungen finden wir im Moment interessante Investitionsmöglichkeiten, da viele Firmeninhaber ihre Nachfolge regeln wollen. In den Segmenten Wachstumsfinanzierung und Turnaround ist das Neugeschäft momentan eher verhalten.- Worauf legen Sie derzeit den Fokus im operativen Geschäft?Wir bearbeiten unseren Markt sehr intensiv und nutzen das Momentum für Nachfolge- und Venture Capital Investments. Dass derzeit bei Wachstumsfinanzierungen die Nachfrage nicht so hoch ist, ist der bereits beschriebenen Sondersituation geschuldet.- Steigt damit der Anteil von Venture Capital am Gesamtportefeuille?In den vergangenen Jahren ist der Anteil des Venture-Capital-Portfolios an unserem Beteiligungsbestand gestiegen. Das Hauptgeschäft – Investments in mittelständische Wachstumsunternehmen – liegt bei 175 Mill. Euro. Das sind ca. 60 % des Gesamtportfolios von mehr als 300 Mill. Euro. Die Venture Capital Investments belaufen sich pro Jahr auf 6 bis 9 Mill. Euro. Auch im laufenden Turnus werden wir in dieser Größenordnung liegen.- Und im Turnaround-Bereich?In diesem Segment gibt es derzeit nur vereinzelt Aktivitäten. Konjunkturell bedingt stecken nicht so viele Unternehmen in einer Krise. Daher sind die meisten Turnaround-Situationen hausgemacht. Unser Portfolio bewegt sich in diesem Bereich seitwärts.- Das Zinstief verzerrt den Wettbewerb. Für einen Mittelständler müsste es attraktiver sein, bei der Bank einen zinsgünstigen Kredit zur Wachstumsfinanzierung aufzunehmen, als zu Ihnen als Risikokapitalgeber zu gehen.Grundsätzlich gibt es dieses Entweder-oder eigentlich nicht. Wir stehen mittelständischen Unternehmen zur Verfügung, wenn sie Risikokapital benötigen, also Finanzierungsanlässe haben, die nicht oder nicht zu 100 % kreditfinanziert werden können. Es ist ein Zusammenspiel mit den Banken. Kredite sind derzeit für mittelständische Unternehmer sehr billig, die Kredithürden liegen historisch niedrig, die Banken verfolgen eine sehr offensive Geschäftspolitik. Insofern wird in diesen Tagen einiges mit Krediten finanziert, was unter anderen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zumindest teilweise auch Eigenkapital erfordern würde.- Das Umfeld wird für die BayBG schwierig bleiben. Wie schätzen Sie die Lage mittelfristig ein?Wenn alle Variablen so blieben wie jetzt, würde es im Neugeschäft natürlich schwierig bleiben. Die Frage ist aber, ob die Situationsvariablen so bleiben. Das betrifft insbesondere den konjunkturellen Aufschwung in Deutschland und Europa, die Niedrigzinspolitik der EZB und in diesem Zusammenhang die aggressiven Neugeschäftsstrategien der Banken. Ich gehe nicht davon aus, dass die Lage in den nächsten fünf Jahren so anhält.- Bleiben Sie bei Ihrer Wachstumsprognose fürs laufende Geschäftsjahr vorsichtig?Ja. Bis zum 30. Juni haben wir 22 Mill. Euro Neugeschäft realisiert. Wir haben aber einige weitere interessante abschlussreife Investments in der Pipeline. Das stimmt uns optimistisch, dass wir auch im laufenden Geschäftsjahr 2014/15 bis September die 40-Mill.-Euro-Grenze erreichen können.- Herrscht in der Beteiligungsbranche aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs Konsolidierungsdruck?In dem Segmenten, in denen wir tätig sind, also beim “kleineren” Mittelstand, sind nach unserer Einschätzung heute weniger Wettbewerber aktiv als einige Jahre zuvor. Allerdings drängen Family Offices in dieses Segment. Für die gesamte Private-Equity-Branche glaube ich nicht, dass ein größerer Konsolidierungsdruck als in den letzten Jahren besteht.- Wie schätzen Sie die Genossenschaften und Sparkassen im Wettbewerb ein?Die VR Equity Partners der DZ Bank sind aktiv. Die Beteiligungsgesellschaften aus dem Sparkassensektor sind zumindest in Bayern derzeit eher zurückhaltend.- Gibt es Börsenaspiranten in Ihrem Portfolio?Ja, aus unserem Venture-Capital-Portfolio beschäftigen sich zwei Unternehmen, mit dem Thema Börse. Allerdings liegt in Deutschland für kleinere Mittelständler oder Start-ups die Hürde für IPOs sehr hoch. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 20 Mill. Euro, einer guten Wachstumsstory und Emissionsvolumen unter 100 Mill. Euro gibt es faktisch kein Börsensegment.- Zumeist stecken diese Firmen in tiefroten Zahlen, was Investoren abschreckt.Ja. Jenseits des fehlenden Börsensegments ist es in Deutschland für junge, stark wachsende – und somit häufig noch in der Verlustphase steckende – Unternehmen generell schwierig, Kapital zu erhalten. Finanzierungsrunden über 15 Mill. Euro und mehr sind die Ausnahme. Dies ist sicherlich ein Nachteil für in Deutschland agierende Start-ups. Das Problem ist aber inzwischen erkannt, so ist zum Beispiel der vom Bayerischen Wirtschaftsministerium initiierte Wachstumsfonds auf dieses Segment gerichtet.- Mit wie viel Beteiligungsverkäufen rechnen Sie in diesem Jahr?Im vergangenen Jahr hatten wir zwei Exits, mit denen wir 3,9 Mill. Euro erlösten. Im laufenden Geschäftsjahr werden es mehr Beteiligungsverkäufe sein. Die Erlöse daraus werden höher sein als im zurückliegenden Geschäftsjahr.- Sie erwarten zugleich weniger Ausfälle. Wird das Ergebnis 2015 höher liegen?Wir werden unseren Plan, ein Ergebnis vor Risikovorsorge von 10 Mill. Euro zu erreichen, übertreffen. Dabei zeichnet sich ab, dass wir auch über dem Vorjahresergebnis von 12 Mill. Euro liegen. Bei den Ausfällen werden wir das Planungsbudget halten können.- Wie entwickelt sich der Bestand?In diesem Jahr werden wir im Bestand nicht wachsen, weil wir einige Exits und viele Rückzahlungen zu verzeichnen haben. Wir werden den investierten Bestand voraussichtlich bei ca. 310 Mill. Euro halten.- Was bedeutet das für Ihr Ziel, mittelfristig auf 350 Mill. Euro wachsen zu wollen?Das werden wir aufgrund der beschriebenen Marktsituation kurzfristig nicht erreichen. Wir werden Ende des aktuellen Geschäftsjahrs eine neue Mittelfristplanung erarbeiten.- Sind Sie mit Ihrem Gesellschafterkreis zufrieden?Der Gesellschafterkreis mit 25 Gesellschaftern, aus dem Bankensektor, Kammern und Verbänden, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der BayBG. Die drei größten Einzelgesellschafter sind die LfA Förderbank Bayern, die Unicredit sowie der Sparkassenverbund. Dieser breite und ausgewogene Gesellschafterkreis ist die Basis, um unser Geschäft nachhaltig erfolgreich zu betreiben.—-Das Interview führte Stefan Kroneck.