Die Zukunft ist ferngesteuert

Hohe Wachstumserwartungen für Remote-Software-Markt haben die Teamviewer-Bewertung getrieben

Die Zukunft ist ferngesteuert

Der Börsenneuling Teamviewer hat am Tag der Erstnotiz etwas an Wert eingebüßt. Dennoch ist die Marktkapitalisierung von gut 5 Mrd. Euro noch immer stattlich für ein Unternehmen, dem im laufenden Jahr nur knapp 400 Mill. Euro Umsatz zugetraut werden. Im Wesentlichen liegt das am erwarteten Wachstum im Markt für Remote-Access-Dienste.Von Sebastian Schmid, FrankfurtBeim Wort Fernbedienung denken viele wohl an den heimischen Fernseher. Die erste kabellose Fernbedienung von Zenith benötigte eine unterbrechungsfreie optische Verbindung, damit die “Flash-Matic” Fernseher und Ton ein- und ausschalten konnte. Heutige Nachfolger bieten mehr Funktionen, ihre wichtigste bleibt aber, dem Nutzer den kurzen Weg vom Sofa zum TV-Gerät zu ersparen.Eine wirkliche “Fern”-Bedienung gewinnt indes in der Unternehmenswelt an Bedeutung. Der Bedarf an Überwachung und Steuerung entfernter Geräte nimmt mit wachsendem Automatisierungsgrad zu. Zudem wird das Internet der Dinge dafür sorgen, dass zu immer mehr Geräten in der Ferne ein Kommunikationskanal stehen muss.Auch die globale Zusammenarbeit in Entwicklungsteams vieler Firmen erfordert einen Fernzugang der Mitarbeiter zu ihrem digitalen Arbeitsumfeld. Getrieben wird eine Entwicklung in diese Richtung durch das Wachstum der Cloud-Dienste. Einer Studie von McKinsey zufolge wird sich der adressierbare Markt für Teamviewer bis 2023 dadurch auf gut 30 Mrd. Euro rund verdreifachen.Dieses dynamische Marktumfeld dürfte einen Gutteil der Teamviewer-Bewertung mit dem gut 12-fachen erwarteten Umsatz 2019 erklären. Im vergangenen Jahr legte das Softwareunternehmen zwar ein organisches Wachstum von 22 % hin. In den Jahren zuvor gab es indes auch Probleme mit prozentual einstelliger Wachstumsrate und mehrfachen Wechseln im Management. Selbst auf den von Goldman-Sachs-Analysten erwarteten Umsatz 2023 gerechnet beträgt das Erlösmultiple aktuell mehr als 6.Um die hohe Bewertung und die Wachstumshoffnungen zu rechtfertigen, muss Teamviewer vor allem ihr Geschäft mit großen Konzernen ausbauen. Schon heute steht das Enterprise-Geschäft für 56 % des adressierbaren Marktes. Bis 2023 erwartet McKinsey einen Ausbau des Anteils auf 59 %. Teamviewer, deren Software in der Basisversion als kostenloser Download zur Verfügung steht, ist bislang vor allem bei Privatanwendern sowie kleinen und mittelgroßen Firmenkunden gut vertreten. Die Unternehmensführung um CEO Oliver Steil und CFO Stefan Gaiser ziel auf regionale Expansion in Asien und den Ausbau des Enterprise-Geschäfts. Mit Teamviewer Tensor gibt es seit dem vergangenen Jahr ein Produkt, das speziell für den Einsatz in größeren Organisationen konzipiert wurde. Bislang erzielt das Unternehmen indes nur mit wenigen Hundert Kunden einen Umsatz in fünfstelliger Euro-Höhe pro Jahr. Das Unternehmen sieht diesen Umstand als Chance. Er ist nach derzeitigem Stand aber auch ein Risiko.Gerade im Enterprise-Segment gelten andere Support-Anforderungen. Die Konkurrenz ist üppig und besteht aus zahlreichen jungen Unternehmen wie der 2014 von Ex-Teamviewer-Mitarbeitern gegründeten Anydesk oder der ein Jahr älteren Slack Technologies sowie großen Cloud-Konzernen wie Microsoft, Google und Amazon Web Services. Gerade Letztere erweitern im erbitterten Kampf um den weitaus größeren Cloud-Markt regelmäßig ihre Angebote um neue Funktionalitäten. Die Gefahr für Teamviewer ist hier, dass Teile ihres Angebots künftig bei den großen Unternehmen quasi als Dreingabe im Cloud-Paket offeriert werden. Das Unternehmen wird also eher kräftiger investieren müssen als in den vergangenen Jahren. Die zuletzt sektorführenden Margen werden nach dem IPO nur schwer zu halten sein. Die Zukunft ist in vielerlei Hinsicht ferngesteuert – das Wachstum von Teamviewer folgt indes keinem Automatismus.