"Dieselgate" bringt VW Rekordverlust ein
Der Diesel-Abgasskandal hat Volkswagen den bislang größten Jahresverlust beschert. Der Konzern zeigt sich aber weiterhin zuversichtlich, die Krise aus eigener Kraft zu bewältigen.ste Hamburg – Der Skandal um jahrelange Manipulationen bei Emissionstests von Dieselfahrzeugen hat Volkswagen den größten Verlust der Firmengeschichte eingebracht. Wie der Wolfsburger Zwölfmarkenkonzern nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte, führten Sonderbelastungen von 16,9 Mrd. Euro, von denen 16,2 Mrd. Euro auf Rückstellungen für “Dieselgate” entfallen, zu einem Verlust von 1,4 Mrd. Euro. Im Jahr zuvor war ein Rekordgewinn von 11,1 Mrd. Euro erreicht worden. Den bislang höchsten Fehlbetrag hatte Volkswagen 1993 mit 1,94 Mrd. DM, rund 1 Mrd. Euro, verbucht. Kein DividendenausfallTrotz des Rekordverlusts, der bei der von den Familien Porsche und Piëch kontrollierten Porsche Holding als Hauptaktionärin von VW zu einem Nachsteuerverlust von voraussichtlich 273 Mill. Euro führen wird, soll die Dividende nicht ausfallen. Die Stammaktionäre, unter ihnen die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen, sollen eine auf 0,11 (4,80) Euro je Aktie sinkende Gewinnbeteiligung erhalten. Den Vorzugsaktionären werden 0,17 (4,86) Euro je Aktie in Aussicht gestellt. Die Bonuszahlungen an die Vorstände werden nach Kritik aus Teilen der Politik und Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen ebenfalls gekürzt, wie der Konzern weiter bekannt gab. Insgesamt sinke die variable Vergütung eines Vorstands um 39 % von 5,3 Mill. Euro im Jahr 2014 auf 3,2 Mill. Euro 2015. Der tatsächliche Auszahlungsbetrag liege mit 2,2 Mill. Euro noch 1 Mill. Euro niedriger. So sollen 30 % oder knapp 1 Mill. Euro nicht ausgezahlt, sondern in virtuelle Vorzugsaktien umgewandelt werden und nach drei Jahren nur dann voll zur Auszahlung kommen, wenn der Referenzkurs der Aktie am Ende der Sperrfrist um mindestens 25 % gestiegen ist. Boni-Kürzung “angemessen”Der nach Bekanntwerden des Abgasskandals auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden gewechselte langjährige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch werde auf einen Teil seiner variablen Vergütung für 2015 von 2,3 Mill. Euro auf eigenen Wunsch nachträglich verzichten, hieß es. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der zuvor vehement auf eine deutliche Reduzierung der Boni gedrungen hatte, bezeichnete den Vorschlag nach der Sitzung des Aufsichtsrats vor der Presse als “angemessen”.Der seit dem Rücktritt von Martin Winterkorn Ende September amtierende VW-Vorstandschef Matthias Müller erklärte, alle Belastungen, “die sich bis heute seriös abschätzen lassen”, seien mit den Rückstellungen vor allem für technische und kundenbezogene Maßnahmen, Rückkäufe und Rechtsstreitigkeiten abgedeckt. Die am Donnerstag bekannt gegebene Grundsatzvereinbarung mit US-Behörden bezeichnete er als “wichtigen Fortschritt”, weil die finanziellen Lasten der Affäre nun klarer erkennbar seien.Ohne die Sondereinflüsse hätte der Konzern erneut von einem sehr erfolgreichen Jahr sprechen können, betonte der frühere Porsche-Chef weiter. “Unser operatives Geschäft ist nach wie vor kerngesund, der Konzern ist solide aufgestellt, unser in der Branche einzigartiges Portfolio von zwölf starken Marken trägt uns auch durch diese schwierige Phase.” Der Konzernumsatz stieg 2015 um 5,4 % auf 213,3 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis liege vor den belastenden Sondereinflüssen mit 12,8 (i.V. 12,7) Mrd. Euro auf Vorjahresniveau. Einschließlich der Sonderfaktoren fiel es mit 4,1 Mrd. Euro negativ aus.Der Netto-Cash-flow im Automobilbereich erhöhte sich u.a. durch den Verkauf der Suzuki-Anteile um 2,8 Mrd. auf 8,9 Mrd. Euro. Die Nettoliquidität stieg auf 24,5 (17,6) Mrd. Euro. “Ich bin überzeugt: Volkswagen hat den festen Willen und die Substanz, die aktuellen Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können”, erklärte Vorstandschef Müller. Mit Blick auf die Arbeitsplätze fügte er hinzu, es gebe keinen Anlass zu glauben, dass das Ergebnis 2015 Auswirkungen auf die Beschäftigten im Konzern haben werde. Umsatzrückgang erwartetFür 2016 stellte der Konzern nun Fahrzeugauslieferungen auf dem 2015 um 2 % auf 9,93 Millionen gesunkenen Niveau in Aussicht. Der Umsatz könne wegen der weltweit unsicheren Wirtschaftslage, der Wechselkursentwicklung sowie wegen des Abgasskandals um bis zu 5 % sinken. Die operative Rendite werde in einer Spanne von 5 bis 6 % erwartet. Die in den Tagen zuvor stark gestiegene VW-Vorzugsaktie gab um 1,3 % auf 125,45 Euro nach. Auf Anraten der beauftragten Kanzleien verschob Volkswagen wegen derzeit “unvertretbarer Risiken” die bis Ende April vorgesehene Veröffentlichung eines Zwischenberichts von Jones Day zur Aufklärung der Ursachen des Abgasskandals. Die Kanzlei gehe davon aus, dass der Bericht im vierten Quartal vorliegt.