M&A IN DER SPEZIALCHEMIE

Diesmal kein Übernahmekandidat

Fusionspartner mit bewegter M & A-Geschichte - Huntsman vor Spin-off von Titandioxid - Clariant hat nach der Rosskur wieder Kraft

Diesmal kein Übernahmekandidat

Von Walther Becker, FrankfurtDiesmal sind die Schweizer nicht bloß Ziel, sondern kommen auf die Mehrheit. Anders als in den Fällen Syngenta/Chemchina und Actelion/Johnson & Johnson geht es bei Clariant und Huntsman um eine Übernahme, die als Fusion von (nicht ganz) Gleichen dargestellt wird. Clariant galt lange als Übernahmekandidat, nun wird Huntsman eine 100-%-Tochter. Der Zwang zur Größe in der Chemie und die geringen Wachstumsaussichten am Markt haben – nach der internen Optimierung – Clariant eingeholt und Chance en eröffnet. Einkaufstour in den USANachdem sich die Darmstädter Merck für 17 Mrd. Dollar mit Sigma Aldrich gestärkt hatte, Solvay mit Cytec für 6,4 Mrd. Dollar, Evonik mit dem Additivgeschäft von Air Products, BASF mit der Chemetall (3,2 Mrd. Dollar), Henkel mit Sun Products (3,6 Mrd. Dollar) und Lanxess mit Chemtura – alle in den Vereinigten Staaten -, übernimmt nun die Schweizer Clariant den US-Konzern Huntsman. Damit gehen zwei Unternehmen aus der Spezialchemie zusammen, die es noch gar nicht so lange gibt.Clariant entstand 1995 als Ausgründung von Sandoz, die 1996 mit Ciba-Geigy zum Pharmakonzern Novartis fusionierte. Erst wurde erfolglos der Schulterschluss mit Ciba gesucht, dann ging das Spezialchemiegeschäft von Hoechst in Clariant auf. Im Jahr 2000 akquirierten die Eidgenossen die britische BTP für gut 1 Mrd. Pfund. Anschließend gerieten die Schweizer in die Krise, es folgten Personalabbau und zahlreiche Verkäufe von Aktivitäten. 2006 übernahm Clariant die Masterbatches von Ciba. Wiederum fünf Jahre später legte sich die Gruppe die deutsche Süd-Chemie für 2,5 Mrd. sfr zu, wo der US-Finanzinvestor One Equity das Sagen hatte.2013 trennte sich Clariant dann von den Sparten Textile Chemicals, Paper Specialties und Emulsions, wobei der Erwerber SK Capital, ein Finanzinvestor, inzwischen kurz vor dem Weiterverkauf im Volumen von 1 Mrd. Euro mit hohem Gewinn stehen soll. Größte Aktionäre von Clariant sind APG Asset Management mit 5,01 %, Konstantin Alfred Winterstein (3,73 %), Stockhausen (3,49 %), Edgepoint Investment (3,06 %) und UBS mit 3 %.Der neue Partner der Schweizer wurde 1970 von Jon Huntsman gegründet und hat den rechtlichen Sitz bisher in Salt Lake City im Bundesstaat Utah. Huntsman steckt derzeit im Umbau: Vorgesehen ist, das Pigmente- und Additivgeschäft als Carve-out namens Venator Materials getrennt zu listen, was bis Ende Juni über die Bühne gegangen sein soll. Diese wird 2,1 Mrd. Dollar umsetzen, ein wichtiger Spieler am Titandioxidmarkt sein und ahmt quasi die DuPont-Abspaltung Chemours nach. DuPont geht erst mit Dow Chemical per Aktientausch im Volumen von 130 Mrd. Dollar zusammen, damit sich der Konzern dann in drei Einheiten zerlegen kann.Huntsman kaufte dem US-Rivalen Rockwood 2013 den deutschen Pigmentspezialisten Sachtleben für 1,3 Mrd. Dollar ab – wenig später wurde Rockwood für 6,2 Mrd. Dollar vom amerikanischen Albemarle-Konzern geschluckt. Rockwood hatte Sachtleben, ebenso wie Ceramtec und andere Gesellschaften von Dynamit Nobel, 2004 von der früheren Metallgesellschaft aus Frankfurt für 2,25 Mrd. Euro erworben.Vor zehn Jahren wollte Huntsman mit der damaligen Basell des Milliardärs Len Blavatnik zusammengehen, der Deal platzte und die hoch verschuldete US-Spezialchemiegruppe Hexion, hinter der der Finanzinvestor Apollo stand, wollte Huntsman für 10,6 Mrd. Dollar kaufen. Doch der Deal platzte, Deutsche Bank und Credit Suisse zogen ihre Finanzierungszusage zurück und Apollo musste Huntsman 1 Mrd. Dollar zahlen. Größte Aktionäre sind Huntsman Foundation (7,7 %), Vanguard (7,2 %) und die Familie mit 5,0 %.Ursprünglich ein Verpackungsunternehmen, akquirierte Huntsman bis 1994 stufenweise Texaco Chemical für 1,7 Mrd. Dollar. Seither entwickelte sich das Unternehmen durch verschiedene Übernahmen zum Chemiekonzern. Unter anderem kaufte Huntsman auch Sparten der früheren Ciba. Seit 17 Jahren leitet Peter Huntsman, der Sohn des Gründers, das operative Geschäft. Der Konzern ist in über 30 Ländern aktiv und hat über 15 000 Beschäftigte. Produziert werden Chemikalien für die Chemie- und Kunststoffindustrie, für Autohersteller, Luftfahrt, Bau, Gesundheit, Textilbranche oder die Landwirtschaft. Die größte Division ist Polyurethanes. Dieser Kunststoff wird etwa für Isolationen, Autositze oder Möbel verwendet. Zweitgrößte Sparte ist Performance Products, wo Zwischenprodukte wie Epoxidharze hergestellt werden für Agrochemie, die Kunststoff- sowie Öl- und Gasindustrie. In Advanced Materials setzt Huntsman auf Chemikalien, die tradierte Materialien in der Luftfahrt und der Autoindustrie, aber auch bei Sportartikeln ersetzen sollen.