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Druck auf Netzbetreiber wächst

Der Druck auf Strom- und Gasnetzbetreiber wie Eon wächst. Im Streit mit der Bundesnetzagentur über die Höhe der Netzentgelte für die Durchleitung von Strom und Gas haben die Unternehmen jetzt eine empfindliche Niederlage erlitten. Der...

Druck auf Netzbetreiber wächst

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Der Druck auf Strom- und Gasnetzbetreiber wie Eon wächst. Im Streit mit der Bundesnetzagentur über die Höhe der Netzentgelte für die Durchleitung von Strom und Gas haben die Unternehmen jetzt eine empfindliche Niederlage erlitten. Der Energiekartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in den am Dienstag verkündeten Be­schlüssen (EnVR 101/19) die Festlegung der Bundesnetzagentur zur Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für Gasnetzbetreiber in der dritten Regulierungsperiode von 2018 bis 2022 für rechtmäßig erklärt.

Der „generelle sektorale Produktivitätsfaktor“ – im Fachchinesisch „Xgen“ genannt – ist eines der zentralen Elemente der anreizbasierten Regulierung der Energienetze, die die Betreiber zu Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen bewegen soll. Durch den Xgen-Faktor wird der Produktivitätsfortschritt der Energienetzwirtschaft in Relation zur Gesamtwirtschaft erfasst und bei der Bildung der regulierungsbehördlich festgelegten Erlösobergrenzen der Netzbetreiber berücksichtigt.

Anreiz, effizienter zu werden

Je höher der Produktivitätsfaktor ist, desto stärker senkt er die zulässigen Erlöse der Netzbetreiber. Mit Be­schlüssen vom Februar und November 2018 legte die Netzagentur einen Produktivitätsfaktor für Gasnetzbetreiber von 0,49% und für Stromnetzbetreiber von 0,90% fest.

Gegen beide Festlegungen hatten mehrere Netzbetreiber, darunter EnBW auf der Stromseite, Beschwerden beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt, das ihnen Recht gab und nun aber vom BGH korrigiert worden ist. Mit der aktuellen Entscheidung stärkt der BGH die Position der Bundesnetzagentur und gibt den Netzbetreibern die Richtung vor, dass die Netzentgelte demnächst stärker fallen sollen.

Neben den Abschreibungen und der Eigenkapitalverzinsung ist der Xgen-Faktor der gewichtigste Faktor bei der Bestimmung der Netznutzungsentgelte.

Eon – der größte Stromnetzbetreiber in Deutschland – lehnte einen Kommentar zu dem BGH-Urteil ab. Aus Konzernkreisen verlautet je­doch, dass die Netzentgelte durch die Entscheidung erheblich unter Druck kommen.

Unter dem Begriff des „Regulierungsermessens“ hat der Bundesgerichtshof der Bundesnetzagentur bereits bei der aktuellen Festlegung der Eigenkapitalzinssätze trotz ge­wichtiger Einwände der Netzbetreiber große Freiheiten sowohl bei der Auswahl der anzuwenden Methodik als auch bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts zugebilligt. Vergleichbare Spielräume hat der Bundesgerichtshof der Bundesnetzagentur auch bei der Bestimmung des Xgen-Faktors eingeräumt. Auch ein bevorstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird die Stellung der Behörde zusätzlich stärken, indem sie künftig unabhängiger von Verordnungsvorgaben der Bundesregierung agieren kann. Es geht in beiden Fällen jeweils um Milliardenbeträge. Die Netzentgelte für Strom sind 2020 im Schnitt um 7% gestiegen und betragen addiert mehr als 25 Mrd. Euro. Sie machen ein Viertel der Stromrechnung aus.

Einerseits werden durch geringere Netzentgelte die Netznutzer entlastet. Andererseits wird es schwieriger, die für die Energiewende notwendigen Milliardeninvestitionen zu finanzieren. Der Börsenwert von Eon beispielsweise hat sich seit 2012 halbiert auf 24 Mrd. Euro – unter anderem, weil Investoren das zu­nehmende unternehmerische Wagnis scheuen. So konnte zum Jahresanfang ein Blackout im europäischen Stromnetz nur knapp vermieden werden. Die von der Netzagentur angestrebten Einsparungen bei den Netzentgelten könnten insofern die Versorgungssicherheit schmälern.

„Der BGH hat mit seiner heutigen Entscheidung zum wiederholten Male die Position der Bundesnetzagentur gestärkt. Dies wird den Druck auf die Netzentgelte Strom und Gas deutlich erhöhen“, sagte Christina Will, Partnerin der Essener Kanzlei Rosin Büdenbender. „Für Netzbetreiber wird das Erreichen einer auskömmlichen Verzinsung des eingesetzten Kapitals und damit die Finanzierung der für die Energiewende benötigten Milliardeninvestitionen in die Netze schwieriger.“

„Nur scheinbar ein Sieg“

Wills Kollege und Kanzleipartner Wiegand Laubenstein, ehemaliger Vorsitzender des Kartellsenats beim Oberlandesgericht Düsseldorf, warnte, das Urteil könne sich „mit Blick auf die politisch gewollte Energiewende schnell als ein Pyrrhussieg erweisen“.

„Ferner ist damit zu rechnen, dass betroffene Netzbetreiber eine Verfassungsbeschwerde einlegen werden, da es hier um Grundprinzipien der Energie-Regulierung geht. Zu prüfen wäre dann, ob der Energie- und Kartellsenat des BGH die Rechtsschutzmöglichkeiten der Netzbetreiber zu stark einschränkt.“

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