Im GesprächDietmar Prümm, PwC

"Eines der größten Transformationsprogramme für Unternehmen"

Das ESG-Reporting fordert Konzerne und Wirtschaftsprüfer heraus. Dietmar Prümm, Leiter Assurance in der Geschäftsführung von PwC Deutschland, warnt vor einer zu komplexen Regulierung in sehr kurzer Zeit.

"Eines der größten Transformationsprogramme für Unternehmen"

Im Gespräch: Dietmar Prümm

“Eines der größten Transformationsprogramme für Unternehmen”

Der Leiter Assurance bei PwC Deutschland über die Anforderungen an Wirtschaftsprüfer im ESG-Reporting

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Mit der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen kommen auch auf die Wirtschaftsprüfer neue Aufgaben zu. Es ist eine der tiefgreifendsten Veränderungen in der externen Berichterstattung der Unternehmen seit vielen Jahren.  Dabei ist die Situation derzeit noch unübersichtlich, gibt es doch weltweit noch sehr unterschiedliche Vorgaben für das ESG-Reporting. Vergleichbarkeit ist  – noch –  nicht hergestellt. Zudem wird die Zahl der Unternehmen, für die nichtfinanzielle Berichterstattung verpflichtend wird, in den kommenden Jahren signifikant steigen. Zeitlich versetzt wird es 15.000 Firmen in Deutschland treffen. Die Wirtschaftsprüfer müssen sich ein Urteil bilden über die Angaben im nicht-finanziellen Reporting der Konzerne.

Bescheinigung reicht aus

Bei allen ESG-Regeln, die noch im Entstehen sind, schon heute sind Unternehmen nach der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Sie müssen sich äußern zu  Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zu Korruptionsbekämpfung sowie zu Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte. Es wird gefordert, dass KPIs damit verbunden sind, es wird aber auch toleriert, dass über bestimmte Aspekte, etwas soziale Belange, qualitativ berichtet wird.

In der Regel werden die Daten der Nachhaltigkeitsberichterstattung einer sogenannten prüferischen Durchsicht, einem Review, unterzogen. Der Prüfer erteilt hier anders als bei der finanziellen Berichterstattung keinen Bestätigungsvermerk, sondern eine Bescheinigung.

An der Oberfläche

„Zwischen Review  und Prüfung gibt es einen deutlichen Unterschied“, erklärt Dietmar Prümm, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter Assurance bei PwC Deutschland. Für einen Review führe der Abschlussprüfer Interviews, analysiere den Aufbau der Berichtsprozesse, prüfe Informationen auf Plausibilität und mache nur eingeschränkte Stichproben. „Das heißt nicht, dass der Prüfer den Review im Vorbeifahren erledigt“, stellt Prümm klar. Gleichwohl bleibe es im Vergleich mit der tiefgreifenden  Prüfung der Finanzberichterstattung  eher an der Oberfläche. 

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In der Beurteilung der ESG-Daten von Unternehmen schaue sich der Prüfer zunächst an, welche Policy die Gesellschaft in den Themen verfolge. Der Prüfungsrahmen wird dadurch abgesteckt, welche Vorschriften der Mandant anwendet. „Man hat ein Soll-Konzept, gegen das man prüft“, erklärt Prümm. Darunter können auch ESG-Vorgaben sein, die sich das Unternehmen selbst gibt. „Das wird künftig deutlich präskriptiver sein“, sagt Prümm mit Blick auf die heraufziehende Regulierung. „Viele der bislang freiwillig veröffentlichten ESG-Informationen werden Teil der allgemeinen Berichterstattung im Lagebericht  werden und somit auch perspektivisch Teil der Abschlussprüfung.“

Die CSRD-Richtlinie sehe bislang eine prüferische Durchsicht durch die Wirtschaftsprüfer vor, künftig laufe es auf eine volle Prüfungspflicht hinaus – das sei in Brüssel aber noch nicht final abgestimmt.

Gefahr der Überforderung

Laut Prümm gehen die Regelungen im Bereich ESG-Berichterstattung grundsätzlich in die richtige Richtung. Er warnt aber davor, die Konzerne zu überfordern. Die Regelungen im Bereich ESG-Berichterstattung gehen seiner Einschätzung nach „auf jeden Fall“ in die richtige Richtung. Die Frage werde sein, „wie wir Unternehmen dabei unterstützen können, auch im Bereich ESG und non-financials eine belegbare und transparente Berichterstattung zu veröffentlichen, ohne sie dabei mit zu hohen Anforderungen zu überfrachten“. Es handele sich hier schließlich „um eines der größten Transformationsprogramme für Unternehmen, die es je gab, und wie bei allen Veränderungen ist es wichtig, die Betroffenen abzuholen und sorgsam auf die Geschwindigkeit und Anzeichen der Überforderung zu achten. Zudem muss das Wissen auch erst aufgebaut werden, und dies in erheblichem Maße“, betont Prümm.

In der ESG-Regulierung läuft nach Einschätzung von Prümm derzeit noch vieles mit zu hoher Geschwindigkeit und Komplexität. Er verweist auf die in Brüssel auf den Weg gebrachten European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die quantitativ und qualitativ mehr als 1.000 Datenpunkte abfordern sowie die nicht einfachen Regeln der EU-Taxonomie.

Für den PwC-Manager ist es widersprüchlich, wenn Atomstrom laut EU-Taxonomie „grün“ ist, obwohl die sichere Endlagerung der Brennstäbe eine große Herausforderung darstelle. Gleichzeitig werde ein E-Auto aber unter Umständen nicht als „grün“ eingestuft, wenn die Reifen einen zu hohen Rollwiderstand hätten.  Genauso könne Zement unter gewissen Umständen „grün“ sein, wenn ein Unternehmen aus dem Zement allerdings Beton herstelle, seien die damit verbundenen Umsätze indes nicht mehr taxonomiefähig, da das (End-)Produkt Beton nicht von einer Tätigkeit in der Taxonomie abgedeckt sei. „Das ist zu viel komplexe ESG-Regulierung in sehr kurzer Zeit“, resümiert Prümm.

Spezialisierung

Mit der ESG-Regulierung ändert sich auch das Profil der Wirtschaftsprüfer. In seinem Haus gebe es schon seit langem auf Sustainability fokussierte Teams. Das sei früher eher eine Randdisziplin gewesen, verschiebe sich aber zunehmend in den Mittelpunkt des Geschäfts. Seit Jahren seien zudem Teams damit betraut, Nachhaltigkeitsberichte zu prüfen, es gebe also eine gewisse Routine. Die Kapazitäten müssten aber weiter aus- und aufgebaut werden. Neben der Spezialisierung von  Mitarbeitenden gehe es darum, auch den bislang auf finanzielle Berichterstattung fokussierten Wirtschaftsprüfer zumindest in einem gewissen Maße mit dem Thema vertraut zu machen. „Wir haben hier bereits ein starkes ESG-Team an Bord, werden hier aber auch weiterhin verstärkt investieren“, sagt Prümm.     

Das ESG-Reporting fordert Konzerne und Wirtschaftsprüfer heraus. Dietmar Prümm, Leiter Assurance in der Geschäftsführung von PwC Deutschland, warnt vor einer zu komplexen Regulierung in sehr kurzer Zeit.

Dietmar Prümm (53) ist Leiter Assurance in der Geschäfts-führung von PwC Deutschland.