Einzelhändler drängen ins Internet

John Lewis nimmt 1 Mrd. Pfund in die Hand - AO.com und Asos bringen neue Lieferzentren an den Start

Einzelhändler drängen ins Internet

John Lewis ist ein britisches Traditionsunternehmen. Wenn Chairman Sharon White nun den digitalen Wandel vorantreibt, zeugt das vom Ausmaß der Veränderungen im Einzelhandel, die von der Coronavirus-Pandemie beschleunigt werden. Eine Einbahnstraße ist das nicht: AO.com zieht gerade bei Tesco ein.hip London – Der britische Einzelhändler John Lewis Partnership wird 1 Mrd. Pfund in die Hand nehmen, um sein Online-Geschäft auszubauen und seine Filialen attraktiver zu machen. In dem Fünfjahresplan, den Chairman Sharon White vorstellte, spiegelt sich der grundlegende Wandel in der Branche wider.Die Coronavirus-Pandemie hat den Trend zum Online-Einkauf enorm verstärkt (siehe Grafik). Die vorübergehende Schließung aller nicht für den täglichen Bedarf unerlässlichen Ladengeschäfte machte schnelle Entscheidungen erforderlich. Nun drängen die Dickschiffe in den Cyberspace, wo sich bislang vor allem Internet-Schnellboote wie der Haushaltsgerätehändler AO.com, die Modeboutique Asos und der Online-Supermarkt Ocado tummelten. Selbst Aldi UK experimentiert mittlerweile mit “Click & Collect”, der Bereitstellung von im Internet bestellten Produkten für Selbstabholer.Vergangenen Monat hatte der Betreiber der John-Lewis-Kaufhäuser und der Supermarktkette Waitrose für sein erstes Geschäftshalbjahr einen Verlust von 635 Mill. Pfund ausgewiesen. “Wir haben in den vergangenen fünf Monaten die Veränderungen von fünf Jahren beobachtet”, sagte White. Darauf habe das Traditionsunternehmen mit “großer Agilität” reagiert. “Unser Plan bedeutet, dass John Lewis Partnership im nächsten Jahrhundert so florieren wird wie im vergangenen.” Die Kaufhaussparte soll 2025 zwischen 60 % und 70 % ihres Umsatzes im Internet machen. Vor der Coronakrise waren es lediglich 40 %. Während des Lockdowns machte das Unternehmen acht Standorte dicht. Waitrose unter ZugzwangWaitrose soll die Lieferkapazität für online bestellte Lebensmittel von 55 000 Bestellungen die Woche auf 250 000 steigern. Bis vor kurzem half Ocado der Nobelsupermarktkette, ihre Produkte im Internet zu verkaufen. Doch tat sich der Internet-Logistiker vor kurzem mit Marks & Spencer zusammen. Die Kunden nahmen die Umstellung offenbar klaglos an. White will die Kosten des mitarbeitergeführten Unternehmens bis 2022 um 300 Mill. Pfund jährlich drücken. Für das fünfte Jahr strebt sie einen Gewinn von 400 Mill. Pfund an.AO.com (zuvor: Appliances Online) zeigte in den sechs Monaten per Ende September auf dem Heimatmarkt ein Erlöswachstum von 54 %. Das deutsche Geschäft verzeichnete zu konstanten Wechselkursen gar einen Umsatzsprung von 83 %. Nun testet der Online-Händler auf dem Heimatmarkt ein Shop-im-Shop-Konzept mit Tesco, dem Branchenprimus des britischen Einzelhandels. Dort können sich die Kunden bis auf Mobiltelefone Geräte aus allen im Internet angebotenen Kategorien ansehen. Gründer John Roberts gab zu, dass dem Unternehmen die zwangsweise Schließung der Filialen von Wettbewerbern zur Eindämmung der Pandemie zugutegekommen ist. Allerdings habe die sprunghaft gestiegene Online-Reichweite auch nach Wiedereröffnung der Niederlassungen der Rivalen Bestand gehabt. Das Unternehmen eröffnete gerade sein drittes Lieferzentrum binnen vier Monaten.Asos wird dieses Jahr ein zweites Lieferzentrum in Großbritannien bauen, denn die Kapazitätsgrenze des bestehenden, voll automatisierten Lieferzentrums in Barnsley wird in den kommenden Jahren erreicht. Es könnte auch schneller gehen, sollte das Unternehmen mit dem Plan Erfolg haben, Dritten Logistikleistungen anzubieten. Zalando tut das bereits. “Flexible Fulfilment” soll Asos ermöglichen, auf Lagerbestände von Partnern zuzugreifen, wenn ein Produkt wie etwa ein Nike-Turnschuh gerade nicht vorrätig sein sollte.