Regulierung

ENRC-Verfahren wird für das Serious Fraud Office zum Fiasko

Außer Spesen nichts gewesen: Nach zehnjährigen Ermittlungen hat die britische Betrugsbekämpfungsbehörde SFO ihr Verfahren gegen den kasachischen Rohstoffkonzern ENRC eingestellt, weil es an gerichtsverwertbaren Beweisen mangelt.

ENRC-Verfahren wird für das Serious Fraud Office zum Fiasko

ENRC-Verfahren endet
für Serious Fraud Office im Fiasko

Ermittler haben nach zehn Jahren keine verwertbaren Beweise

hip London

Die britische Betrugsbekämpfungsbehörde SFO hat ihre Niederlage in der langjährigen Auseinandersetzung mit dem kasachischen Bergbaukonzern Eurasian Natural Resources Corp (ENRC) zugegeben. Wie das Serious Fraud Office mitteilte, werden die nach Korruptionsvorwürfen 2013 eingeleiteten Ermittlungen gegen die Gesellschaft und Einzelpersonen eingestellt. "Im August 2023 sind wir nach der jüngsten Bestandsaufnahme der Ermittlungen zu dem Schluss gekommen, für eine Strafverfolgung nicht über ausreichend gerichtsverwertbare Beweise zu verfügen", verlautbarte die Behörde.

Es ist eine weitere krachende Niederlage für SFO-Chefin Lisa Osofsky, deren fünfjährige Amtszeit Ende September ausläuft. Als sie 2018 die Führung übernahm, wurden große Hoffnungen in die ehemalige FBI-Juristin gesetzt. Sie sollte rechtskräftige Verurteilungen erzielen.

Doch Verfahren gegen Tesco, die Nummer 1 des britischen Lebensmitteleinzelhandels, gegen frühere Manager des Outsourcing-Dienstleisters Serco und Ex-Barclays-Führungskräfte verliefen im Sande. Das Satiremagazin "Private Eye" spricht nur noch vom "Serious Farce Office".

Von Osofsky erreichte Urteile gegen frühere Unaoil-Manager wurden von einer nachgeordneten Instanz aufgehoben, nachdem ans Licht gekommen war, dass die Behörde offenbar in großem Umfang Dokumente zurückgehalten hatte, die sie eigentlich der Verteidigung hätte zugänglich machen müssen. Mit den Ermittlungen gegen ENRC wurde unter Osofskys Vorgänger David Green begonnen.

Der zuvor zurückgetretene ehemalige Commerzbank-Vorstand Mehmet Dalman wollte ENRC mehr Offenheit und Transparenz verordnen. Das Unternehmen trennte sich von Dechert, nachdem die Kanzlei zwei Jahre lang sein Geschäftsgebaren in Afrika und Kasachstan überprüft hatte.

Am Ende hatte sie "dokumentarische Beweise" für Zahlungen an afrikanische Politiker im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Kupferhütte in Sambia gefunden, wie die "Sunday Times" damals aus einem Schreiben der Anwälte an die Firma zitierte. Zudem könne man belegen, dass beim Kauf einer Kupfermine im Kongo Unterlagen gefälscht wurden, der Finanzchef in die Irre geführt wurde und 35 Mill. Dollar veruntreut wurden. Das Unternehmen wies die Vorwürfe stets entschieden zurück.

Stärkung des Anwaltsprivilegs

Der Londoner High Court entschied zwar, dass der Schriftverkehr mit Dechert dem SFO zugänglich gemacht werden muss. Es gebe ein erkennbares öffentliches Interesse daran, dass die Behörde bei der Untersuchung und Verfolgung von Straftaten ihren Aufgaben nachgehen könne, und die umstrittenen Unterlagen seien dabei von beträchtlichem Wert. Doch das Unternehmen legte Rechtsmittel ein und setzte sich 2018 am Court of Appeal gegen die Betrugsbekämpfungsbehörde durch. In den Kanzleien der Londoner City wurde die Entscheidung weithin als Stärkung des Anwaltsprivilegs begrüßt. Das Unternehmen wurde von Hogan Lovells vertreten.

Die Vertraulichkeit der Mandatsbeziehung, die der Court of Appeal mit seiner Entscheidung betont, gehört zu den Stützen der britischen Rechtsordnung. Niemand braucht Unterlagen offenzulegen, die aus einem Mandat mit einem Anwalt stammen. ENRC strengte 2021 ein Verfahren gegen die Ermittler an, denen das Unternehmen unter anderem Amtsmissbrauch vorwarf, ging damit aber vor Gericht weitgehend unter. Sie ging auch gegen die "Financial Times" und einen ehemaligen Journalisten des Blatts vor, zog ihre Verleumdungsvorwürfe jedoch im vergangenen Jahr zurück.

ENRC wurde 1994 von den kasachischen Oligarchen Alexander Mashkevitch, Patokh Chodiev und Alijan Ibragimov gegründet und 2006 an die Londoner Börse gebracht. 2013 wurde die Gesellschaft von den Gründern und der kasachischen Regierung wieder von der Börse genommen – zu einer Bewertung von weniger als der Hälfte der beim Initial Public Offering (IPO) 2007 erreichten Marktkapitalisierung. Seitdem firmiert sie als Eurasian Resources Group in Luxemburg. Kasachstan hält 40% an dem Unternehmen, das über umfangreiche Rohstoffassets verfügt und auch ein Fünftel der Elektrizität des Landes produziert. Es ist nach eigenen Angaben der größte Bahnbetreiber in Zentralasien. Die Gruppe entwickelt großangelegte Projekte im Rahmen der chinesischen "One Belt, One Road"-Initiative. Sie ist in Brasilien, Mali, Mosambik, Sambia, Simbabwe und Südafrika tätig.

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