Entschädigung der Atomkonzerne hat Grenzen

White & Case: Nur der Schaden aus 2002 vereinbarten und dann verfallenen Reststrommengen zählen

Entschädigung der Atomkonzerne hat Grenzen

cru Düsseldorf – Den Energiekonzernen Eon, RWE und Vattenfall steht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine “angemessene” Entschädigung für den beschleunigten Atomausstieg zu. Der Schaden der Unternehmen liegt bei 19 Mrd. Euro. “Doch die Entschädigung wird am Ende wohl nicht so hoch ausfallen, wie die Konzerne ihren Schaden beziffern”, sagte Peter Rosin, Energierechtsfachmann der nicht involvierten Kanzlei White & Case, der Börsen-Zeitung. Nur der Schaden aus 2002 vereinbarten und dann verfallenen Reststrommengen zähle.Für Reststrommengen in den Kernkraftwerken Mülheim-Kärlich und Krümmel, die von den Betreiberkonzernen RWE und Vattenfall nicht mehr in anderen Kernkraftwerken verstromt werden können, und für wertlos gewordene Investitionen zwischen Dezember 2010 und März 2011 gesteht das Gericht den Betreibern nach Einschätzung der Kanzlei Becker Büttner Held einen Ausgleich zu, der als Geldwert etwa einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag entsprechen dürfte.Allein Eon bezifferte den Schaden auf mehr als 8 Mrd. Euro. RWE hat keine Summe genannt, Analysten gehen von 6 Mrd. Euro aus. Vattenfall will 4,7 Mrd. Euro und klagt zudem vor einem internationalen Schiedsgericht in den USA. EnBW war aus politischen Gründen als Konzern in Landesbesitz nicht vor Gericht gezogen.”Das Urteil ist sicher zunächst als Erfolg für die Kraftwerksbetreiber zu werten. Um das Wie und um die konkrete Höhe des Ausgleichs wird es aber sicher harte Verhandlungen geben”, sagte Rosin von White & Case. Bei der Urteilsverkündung habe das Verfassungsgericht darauf hingewiesen, dass ein Ausgleich nicht zwingend in Form einer finanziellen Kompensation erfolge. Auch andere Gestaltungsmöglichkeiten stünden dem Gesetzgeber offen. “Gut möglich, dass eine finanzielle Kompensation verhandelt wird, die dann im Gesamtkomplex Finanzierung des Atomausstiegs mit verrechnet wird.”Die Energiekonzerne begrüßten das Urteil. Damit würdige das Gericht insbesondere die Bedeutung von Vertrauen bei Investitionsentscheidungen auf Basis politischer Beschlüsse, teilte Eon mit. “Mit dem heutigen Urteil des höchsten deutschen Gerichts haben wir in einer für uns fundamentalen Rechtsfrage Klarheit für unser Unternehmen und seine Eigentümer”, erklärte der Vorstandsvorsitzende der RWE Power, Matthias Hartung. RWE, die vor Gericht von der Kanzlei Freshfields vertreten wurde, werde nun die schriftliche Urteilsbegründung im Detail prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Vor einer Analyse des Urteils werde über die Höhe von Entschädigungsansprüchen noch keine Aussage getroffen. Klageweg nun offenNach dem Urteil könnten die Kraftwerksbetreiber nun vor den ordentlichen Gerichten auf Grundlage von § 18 Atomgesetz auf Zahlung einer Entschädigung klagen, soweit eine außergerichtliche Einigung scheitert. Bis am Ende Geld fließt, vergeht in jedem Fall viel Zeit.Die Energiekonzerne brauchen aber dringend Geld. Bis zum Spätsommer 2017 müssen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall 23,6 Mrd. Euro in bar an einen staatlichen Fonds überweisen, der damit die Entsorgung des Atommülls finanziert. Ihre Hoffnung setzen die Energiekonzerne deshalb auch noch auf zwei weitere Klagen zum AKW-Moratorium und zur Brennelementesteuer.Eon, RWE und EnBW klagen auf eine Befreiung und Rückzahlung der 2011 eingeführten Brennelementesteuer. Eon, RWE und EnBW haben nach eigenen Angaben addiert bislang rund 5,8 Mrd. Euro an den Fiskus gezahlt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) billigte im Juni 2015 die Steuer. Das Bundesverfassungsgericht könnte sie aber kippen.Zudem klagen Eon, RWE und EnBW gegen Bund und Länder wegen des nach Fukushima verhängten dreimonatigen Betriebsverbots für die sieben ältesten der damals 17 Atomkraftwerke und des damals geschlossenen Kernreaktors Krümmel. Das Moratorium lief ab März 2011 und mündete in den endgültigen Ausstieg. Es geht für Eon, RWE und EnBW um addiert 876 Mill. Euro.Anders als erwartet hat das Verfassungsgericht mit seinem Urteil die Beschwerdebefugnis von Vattenfall bejaht, weil für den Konzern, obwohl er dem schwedischen Staat gehöre, andernfalls in Deutschland keine Rechtsschutzmöglichkeit bestünde. Das aber gehöre zur europarechtlichen Niederlassungsfreiheit.