IM INTERVIEW: MATTHIAS WARNIG

"Es gibt Kreise, die uns zu einem politischen Spielball erkoren haben"

Der Chef der Nord Stream 2 AG will mit dem Bau der Erdgaspipeline 2018 beginnen - Russland mehr von Europa abhängig als umgekehrt

"Es gibt Kreise, die uns zu einem politischen Spielball erkoren haben"

– Herr Warnig, der geplante Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 ist stark umstritten. Wie fordernd ist der Job?Fordernd ist nicht das richtige Wort. Es ist das Anspruchsvollste, was ich in meinem beruflichen Leben bisher erlebt habe, weil ein kommerzielles Projekt in der Zwischenzeit völlig politisiert ist.- Das wird Sie wohl nicht überraschen, oder?In der Konsequenz, in der Härte und Vielschichtigkeit sehr wohl. Das erste Nord-Stream-Projekt wurde auch politisiert. Aber das heute hat einen ganz anderen Charakter. Die Diskussion ist teilweise schon nicht mehr rational. Wir sind mit politischen Themen konfrontiert. Aber das ist keine Ebene, auf der ich mich als Manager bewegen möchte oder konstruktiv agieren kann.- Wer erschwert denn das Projekt mehr – die USA oder die Uneinigkeit der EU?Es ist ein Cocktail: Der Wechsel in der US-Administration, das Thema der Einflussnahme Russlands auf die US-Wahlen, die Position einiger Teile der EU-Kommission bis hin zum Widerstand der polnischen Regierung. Dazu eine neue Gesetzgebung in Dänemark, obwohl ich Skandinavien immer als transparente Gesellschaft kennengelernt habe. Durch das jetzige Gesetz muss ein negativer Bescheid dort nicht mehr begründet werden, das Parlament hat keine Möglichkeit nachzufragen, und einen Rechtsweg gibt es auch nicht.- Warum ist es Ihnen nicht gelungen, die Wirtschaftlichkeit des Projekts zu vermitteln?Wir verfolgen nach wie vor unsere Linie, dass es ein kommerzielles Projekt ist. Aber es gibt andere Kreise, die uns zu einem politischen Spielball erkoren haben. Die Möglichkeiten, diese Wahrnehmung zu beeinflussen, sind beschränkt.- Aber in Europa herrscht nun einmal Angst, sich Russland durch mehr Gasimport auszuliefern. Können Sie diese Angst nicht auch verstehen?Wir argumentieren ja täglich dazu. Manche Leute überzeugen wir, andere werden nachdenklich. Aber es gibt viele, die ihre Position beibehalten. Russland hat über 40 Jahre verlässlich Gas geliefert, und es gibt eine gegenseitige Abhängigkeit. Und man kann sogar fragen, wer vom anderen mehr abhängig ist.- Und zwar wer?Russland natürlich. Das ist relativ einfach. Jetzt muss ich der EU-Kommission einmal ein Kompliment machen: In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt worden, einen Markt mit unabhängigen Zugangsmöglichkeiten für Lieferanten zu schaffen: Nehmen Sie nur die mehr als 20 Flüssigerdgas-Terminals. Stressszenarien haben gezeigt, dass Europa selbst bei einem russischen Lieferstopp in einer guten Position ist. Russland aber hat nach wie vor Exportpipelines nur nach Europa inklusive Türkei. Und diese Exporte leisten einen substanziellen Beitrag zur Finanzierung des Staatshaushalts.- Glauben Sie noch daran, dass der Bau von Nord Stream 2 wie geplant 2018 startet?Es ist mein Job, dass wir 2018 beginnen.- Bleibt die Frage der Finanzierung. Denn ohne Baugenehmigungen werden die Banken nicht einsteigen.Wir sind an einem sehr frühen Status. Eine Bank wird erst einsteigen, wenn physisch was da ist. Und daher haben sich die fünf teilnehmenden Konzerne zu einer Anschubfinanzierung verpflichtet und werden bis zur Inbetriebnahme der Pipeline eine Brückenfinanzierung zur Verfügung stellen, die dann durch eine Fremdfinanzierung abgelöst werden soll.- Die nächsten Monate werden entscheidend. Was muss wann unter Dach und Fach sein, um 2018 mit dem Bau zu starten?Wir haben technisch und faktisch alle Hausaufgaben gemacht und sind dabei, Kontraktoren zu mobilisieren. Was wir brauchen, sind die Genehmigungen der Anrainer. Von Deutschland haben wir sie soeben bekommen. In Schweden sind die Arbeitsprozesse abgeschlossen, in Finnland noch nicht, aber das erwarten wir in den nächsten Monaten. Und dann müssen wir sehen, wie Dänemark entscheidet. Es kann durch das neue Gesetz ein Veto auferlegen oder nicht. Ich muss sagen, wir hatten bei Nord Stream 1 mit Dänemark die professionellsten und konstruktivsten Arbeitsbeziehungen.- Warum ist das gekippt?Das kann ich auch nicht beantworten. Wir konnten nur sehen, dass Washington, Warschau und Kiew in den vergangenen drei Jahren in Kopenhagen massiv lobbyiert haben.- Wenn die Genehmigungen nicht kommen, wie sieht Ihr Plan B aus?Jedes professionelle Unternehmen muss sich auch auf andere Szenarien vorbereiten. Die Anrainer werden wir immer brauchen. Aber wenn wir mit einer Alternativroute nicht durch dänisches Territorialgewässer gehen, würde uns das neue dänische Gesetz nicht betreffen.- Die EU und die USA wollen, dass der Transit russischen Gases über die Ukraine und damit auch die Transitgebühren für das Land aufrechterhalten bleiben. Könnte man den Widerstand gegen Nord Stream 2 nicht dadurch brechen, dass man diesen Transit auch beibehält?Ich bin der klaren Auffassung, dass man einen Transit über die Ukraine beibehalten muss. Das ergibt sich schon aus der simplen Arithmetik: 2017 wurden 94 Mrd. Kubikmeter über die Ukraine transportiert. Wenn Sie jetzt 55 Mrd. Kubikmeter von Nord Stream 2 abziehen, bleibt immer noch viel übrig. Und wenn wir davon ausgehen, dass der Importbedarf in Europa weiter steigt und Russland daran partizipiert, dann werden die Exportvolumina auch steigen. Und da spielt das ukrainische System sicher eine Rolle. Am Ende wird der Gaslieferant sich ansehen, wie hoch die Transporttarife sind und wie konkurrenzfähig welche Route ist. Für den Lieferanten, aber auch für die Abnehmer ist von vitalem Interesse, wie der Pipelinebetreiber das langfristige und zuverlässige Funktionieren der Pipeline gewährleistet.—-Die Fragen stellte Eduard Steiner.