EU nimmt Amazon ins Visier
Dem Online-Händler Amazon geht es kartellrechtlich an den Kragen. Während der US-Konzern mit einer weitreichenden Änderung seiner Geschäftsbedingungen in einem Verfahren in Deutschland einlenkt, prüft die EU-Kommission das Marktplatzkonzept auf wettbewerbswidriges Verhalten. ab Düsseldorf – Und er bewegt sich doch, der Online-Handels-Gigant Amazon. Auf Druck des Bundeskartellamts hat der US-Konzern aus Seattle den Händlern weitreichende Änderungen in den Geschäftsbedingungen zugesagt. Im Gegenzug zu den umfangreichen Änderungen, die nicht nur für den deutschen Marktplatz, sondern für alle europäischen Marktplätze sowie die weltweiten Online-Marktplätze wirksam werden, stellt das Bundeskartellamt nach eigenen Angaben das im November 2018 eingeleitete Missbrauchsverfahren ein.Mit dem Verfahren hatte die Bonner Behörde auf zahlreiche Beschwerden von Händlern reagiert. Wesentliche Änderungen betreffen den einseitigen Haftungsausschluss zugunsten von Amazon, die Kündigung und Sperrung von Konten der Händler, den Gerichtsstand bei Streitigkeiten sowie den Umgang mit Produktinformationen und andere Fragen. “Für die auf den Amazon-Marktplätzen tätigen Händler haben wir mit unserem Verfahren weltweit weitreichende Verbesserungen erwirkt”, wird Kartellamtschef Andreas Mundt zitiert.Davon losgelöst ist die am Mittwoch von der EU-Kommission eingeleitete Untersuchung gegen den US-Handelskonzern, in der es um mögliches wettbewerbswidriges Verhalten von Amazon geht. Ins Visier nimmt Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dabei die Doppelrolle von Amazon als Einzelhändler einerseits und als Betreiber einer Verkaufsplattform andererseits.Der Online-Handel habe den Wettbewerb im Einzelhandel angekurbelt und zu einer größeren Auswahl und günstigeren Preisen geführt. Nun gelte es sicherzustellen, dass große Plattformen diese Vorteile nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten wieder aushebelten, heißt es. “Ich habe daher beschlossen, die Geschäftspraktiken von Amazon unter die Lupe zu nehmen, um die Einhaltung der EU-Wettbewerbsregeln zu prüfen”, sagte Vestager. Reiner ZufallAnders als das Bundeskartellamt, das auch in Missbrauchsverfahren vor allem auf eine rasche Verhaltensänderung abzielt, sind in der EU Bußgeldverfahren an der Tagesordnung. Diese sind in der Regel langwierig und bedürfen stichhaltiger Beweise. Zwar verspricht die EU-Kommission, die Untersuchung vorrangig zu behandeln, für den Abschluss der kartellrechtlichen Untersuchung gibt es aber keine verbindliche Frist.Das zeitliche Zusammentreffen der Verfahrensbeendigung in Deutschland mit der Untersuchungseröffnung in Brüssel ist allerdings Zufall. Zwar hingen die Fälle inhaltlich zusammen, doch habe es von Anbeginn eine klare Abgrenzung der zu untersuchenden Sachverhalte zwischen Bonn und Brüssel gegeben, sagte ein Kartellamtssprecher. Während sich das Bundeskartellamt vornehmlich der Innenbeziehung zwischen Amazon und den auf den Marktplätzen angebundenen Händlern widmete, geht es der EU-Kommission insbesondere um datenrelevante Aspekte. “Buy Box” im VisierIm Vordergrund stehen dabei zum einen die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und den Marktplatzhändlern, die es dem US-Konzern ermöglichen, Daten von Drittanbietern zu analysieren und womöglich für das eigene Geschäft zu nutzen. Im Zentrum stehe die Frage, ob und wie die Nutzung dieser Daten den Wettbewerb beeinträchtigt. Zum anderen will Brüssel untersuchen, inwieweit sich die gesammelten Daten auf die Zusammenstellung der in der “Buy Box” angezeigten Händler auswirken. Hier schwingt der Vorwurf mit, Amazon beeinflusse die Anzeige zum eigenen Nutzen. Über die auf der Amazon-Website angezeigte “Buy Box” können Kunden ausgewählte Produkt mit einem Click in den Einkaufswagen legen. Die “Buy Box” scheine für Marktplatzhändler entscheidend zu sein, da die meisten Transaktionen über sie abgewickelt würden, heißt es.