Neuer europäischer Satellitenriese

Europäischer Satellitenriese soll Sitz in Toulouse haben

Der Zusammenschluss der Satellitenaktivitäten von Airbus, Thales und Leonardo kommt erst Mitte 2027. Viele Details sind noch offen und vor allem steht die Zustimmung der Wettbewerbshüter aus.

Europäischer Satellitenriese soll Sitz in Toulouse haben

Europäischer Satellitenriese soll Sitz in Toulouse haben

Zusammenschluss der Aktivitäten erst für 2027 erwartet — Zustimmung der Wettbewerbshüter steht noch aus

bl/wü - Mailand/Paris
von Gerhard Bläske und Gesche Wüpper, Mailand/ Paris

Airbus, Thales und Leonardo haben die Grundsätze für ein großes europäisches Satelliten-Gemeinschaftsunternehmen mit 25.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 6,5 Mrd. Euro festgezurrt. Sitz des Joint Ventures, das Mitte 2027 an den Start gehen soll, werde Toulouse, da dort bereits die meisten Satelliten-Aktivitäten der beteiligten Konzerne angesiedelt seien, erklärte ein führender Airbus-Manager. Wichtige Geschäftsführungsfunktionen würden aber auch an anderen europäischen Standorten angesiedelt.

Da Airbus etwas mehr Kapazitäten einbringt, soll der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern wie von der Börsen-Zeitung berichtet 35% der Anteile erhalten, Leonardo und Thales je 32,5%. Es werde eine ausgewogene Governance-Struktur der Anteilseigner geben, erklärten die drei Konzerne bei der offiziellen Verkündung der Partnerschaft am Donnerstag. Wer welche Position bekommen werde, vermutlich nach einem Rotationsprozess, muss noch ausgehandelt werden, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen. Die Auftragsbestände decken nach Angaben der Unternehmen mehr als drei Jahre des Umsatzes ab. Der Zusammenschluss dürfte fünf Jahre nach Abschluss jährliche Synergien im mittleren dreistelligen Millionenbereich am operativen Ergebnis bringen.

Starlink und Chinesen im Visier

Mit dem jetzt nach mehr als einjährigen Verhandlungen vereinbarten Zusammenschluss ihrer Satellitenaktivitäten wollen Airbus, Thales und Leonardo Elon Musks Starlink und chinesischen Anbietern besser die Stirn bieten. Vor dem geopolitischen Hintergrund bestehe sonst die Gefahr, technologisch zurückzufallen, sagte der Airbus-Manager. Deshalb sei der Zusammenschluss ein wichtiges Signal.

Doch bevor der neue Satellitenriese an den Start gehen kann, müssen die zuständigen Wettbewerbsbehörden noch zustimmen. Die Invasion der Ukraine durch Russland dürfte zu einem Umdenken in Brüssel führen, meinen Branchenkenner. Früher hätte die EU sicher Bedenken gehabt. Sowohl Airbus als auch Thales Alenia Space haben in den letzten Jahren mit Problemen gekämpft und deshalb 2024 Stellenkürzungen eingeleitet. Für die deutschen Standorte rechne man nach dem Zusammenschluss eher mit Wachstum, heißt es seitens Airbus. 

Gewerkschaften fürchten Entlassungen

Bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern geht man offenbar davon aus, dass andere Interessenvertreter in Brüssel auf Abhilfen drängen werden. Airbus könne keine Unternehmensteile abgegeben, stellte der Airbus-Manager klar. Sonst habe die neue Allianz keine Chance gegen Space X und China.

Die Verteidigungs- und Raumfahrtsparte des Konzerns bringt ihre Geschäftsbereiche Space Systems und Space Digital in das Gemeinschaftsunternehmen ein, Leonardo seine Raumfahrtsparte sowie Anteile an Thales Alenia Space und Telespazio, Thales wiederum seine Beteiligung an Thales Alenia Space, Telespazio und Thales SESO. Den deutschen Wettbewerber OHB zusätzlich dazu mit an Bord zu holen, sei aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, so der Airbus-Manager. Man habe sich für eine europäische Lösung entschieden.

Bei Wettbewerbern und Gewerkschaften löst der geplante Zusammenschluss jedoch Sorgen aus. Der französische Metallgewerkschaftsbund CGT Métallurgie kritisiert, dass dadurch ein Monopol entstehe. Die gemäßigtere CFE-CGC wiederum forderte die drei Konzerne auf, auf Entlassungen zu verzichten. Sie erkennt zwar grundsätzlich an, dass der Zusammenschluss den drei Konzernen zusammen mehr Gewicht gegenüber nicht-europäischen Konkurrenten geben kann. Sie sieht aber auch die Gefahr, dass es zu Dopplungen bei Stellen und Kompetenzen bei Thales Alenia Space und Airbus Defence and Space kommen kann.

Kritik aus Italien

Widerstand gegen den geplanten Satellitenriesen gibt es auch in Italien. Mittelständische Unternehmen fürchten, marginalisiert zu werden. Mario Lisi Turriciani aus dem Verwaltungsrat der Raumfahrtagentur Asi sorgt sich, dass „Italien seine Schlüsselrolle beim Projekt Iris2“ – einer europäischen Satellitenkonstellation zum Aufbau eines flächendeckenden Internets in Europa – „Frankreich überlassen sollte“.

Der Raumfahrtexperte Alessandro Sannini äußert sich besorgt darüber, „dass die verhältnismäßig kleinen italienischen Unternehmen des Sektors angesichts der Dominanz der neuen Allianz bei Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt werden“. Zu den größeren Satellitenunternehmen in Italien gehört auch der italienische Zweig der OHB, der auf Mini- und Mikrosatellitensysteme spezialisiert ist und durch die Integration von Carlo Gavazzi Space im Jahr 2009 eine starke Präsenz auf dem italienischen Markt hat.