HAUPTVERSAMMLUNG UND QUARTALSBERICHT VON SIEMENS

Fehlstart in das neue Geschäftsjahr

Siemens meldet im ersten Quartal sinkenden Umsatz und Gewinn - Orderbestand steigt auf Rekordhoch

Fehlstart in das neue Geschäftsjahr

mic München – Siemens ist schwach in das neue Geschäftsjahr (30. September) gestartet. Der Umsatz sank auf vergleichbarer Basis um 1 % auf 20,3 Mrd. Euro. Dies ist der erste Rückgang seit dem vierten Quartal 2014/2015. Der operative Gewinn brach um 30 % auf 1,4 Mrd. Euro ein. Die Marge sank auf von 10,5 % auf 7,3 %. Letztmals wies Siemens – in anderer Struktur und Ergebnisdefinition – Mitte 2013 mit 6,5 % einen niedrigeren Wert aus.Die Analysten hatten einer Siemens-Aufstellung zufolge im Schnitt einen operativen Gewinn in Höhe von 1,9 Mrd. Euro erwartet. Allerdings waren diese Daten schon am 22. Januar erhoben worden. Weil jedoch für den Siemens-Fehlstart vor allem der Windkraftbau und die Medizintechnik verantwortlich waren, hatte der Kapitalmarkt die jetzige Schwäche mit der vorherigen Zahlenveröffentlichung von Siemens Gamesa und Siemens Healthineers schon antizipiert. Dementsprechend ging der Aktienkurs, der in der Spitze um 2,3 % sank, mit einem Plus von 0,7 % auf 113,72 Euro aus dem Xetra-Handel. Damit dürfte auch gewürdigt worden sein, dass das Ergebnis pro Aktie dank Sondererlösen um 6 % auf 1,33 Euro je Aktie stieg. Im Rahmen der ErwartungenKaeser räumte in einer Pressekonferenz ein: “Es ist so, dass wir tatsächlich schon bessere Quartale hatten, das ist gar keine Frage.” Jedoch liege das Ergebnis im Rahmen der Erwartungen: “Insofern ist dies keine Überraschung, die wir nicht verdauen können.” Das Management habe immer deutlich gemacht, dass es in der zweiten Jahreshälfte eine Stabilisierung der hochprofitablen kurzzyklischen Geschäfte erwarte.Der Vorstand hielt dementsprechend an seinen Prognosen fest. Das Ergebnis pro Aktie soll ausgehend von 6,41 Euro in der Bandbreite von 6,30 bis 7,00 Euro landen. Im ersten Quartal wurden 20 % des Mittelwertes erreicht. Operativ verfehlte Siemens die anteiligen Jahresziele noch deutlicher. Fünf der sechs Sparten und Unternehmen erreichten auch das untere Ende ihrer Margenbänder nicht. Lediglich die Bahntechnik landete knapp im Zielkorridor.Kaeser wies darauf hin, dass Siemens sehr stark auf zwei Branchen konzentriert sei. Der Automobilsektor sei nicht gerade auf Expansionskurs, und im Maschinenbau meldeten die Kunden Umsatzrückgange von 30 % bis 40 %. Insofern sei Siemens stärker von den konjunkturellen Abschwächungen betroffen als Wettbewerber, die in dem robusten US-Markt zu Hause seien. Blick auf die LieferketteEventuelle Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie hat Siemens noch nicht in die Prognose einbezogen, machte das Management deutlich. Im Augenblick sei Ruhe das Gebot der Stunde, sagte Kaeser. Die Folgen müssten erst bewertet werden. Es gebe zwei Aspekte zu beachten: den Absatz in China und das Aufrechterhalten der Lieferkette. “Wir haben eine Art Krisenstab für den Einkauf gegründet”, sagte Kaeser. Finanzvorstand Ralf Thomas fasste die Ergebnisse für die Zulieferer so zusammen: “Im Augenblick fühlen wir uns dabei noch komfortabel.”Die Kunden deckten Siemens auch im ersten Quartal mit reichlich Aufträgen ein. Zwar sank der Auftragseingang auf vergleichbarer Basis um 4 % auf 24,8 Mrd. Euro, doch ist dies trotzdem der zweithöchste Wert seit der IFRS-Einführung im Jahr 2007. Der Auftragsbestand kletterte auf den Rekordwert von 149 Mrd. Euro. Dass der Umsatz im ersten Quartal trotzdem sank, wurde vor allem von Siemens Gamesa mit einem Erlösrückgang von 13 % getrieben. Die spanisch-deutsche Gesellschaft rutschte in die Verlustzone. Thomas erklärte, es gebe bei der Windkrafttochter erhebliche Profitabilitätspotenziale. Damit begründete er, dass Siemens den Anteil an der Tochter für 1,1 Mrd. Euro um 8,1 % aufgestockt hatte (vgl. BZ vom 5. Februar). Software-Geschäft boomtJenseits der Medizintechnik und des Windkraftanlagenbaus fällt vor allem der Gewinnrückgang im künftigen Kerngeschäft Digitale Industrien ins Auge. Der operative Gewinn sank um 32 % auf 541 Mill. Euro. Die Ebita-Marge landete mit 14,4 (i.V. 20,6) % weit unter dem Zielband von 17 % bis 18 %. Dafür sorgte nicht nur die Schwäche im kurzzyklischen Geschäft, sondern auch ein Aufwand von 115 Mill. Euro für Personalabbau. Die Sparte hatte jüngst erklärt, Effizienzziele früher als bisher geplant erreichen zu wollen.Der zweiten künftigen Siemens-Kernsparte Intelligente Infrastruktur ist nach Ansicht von Thomas ein solider Start in das neue Jahr gelungen. Das Umsatzwachstum sei mit 3 % beachtlich trotz der geringeren Nachfrage nach Produkten in den kurzzyklischen Industrien. Der Vorstand kündigte steigenden Aufwand in den kommenden Quartalen für den Personalabbau für Effizienzsteigerungen an.Sehr gute Entwicklungen im künftigen Kerngeschäft ortete Kaeser in drei Bereichen. Der Software-Auftragseingang in der Sparte Digitale Industrien sei um 33 % gestiegen. Zweitens entwickle sich das Geschäft mit der Niederspannung sehr gut, dies gelte drittens auch für das China-Geschäft. Dort stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis um 8 %, der Auftragseingang legte um 19 % zu.Unterhalb des operativen Geschäfts sorgten vier Faktoren dafür, dass das Ergebnis je Aktie trotz des Gewinnrückgangs des operativen Ergebnisses stieg. Die Übertragung einer Beteiligung aus der Immobiliensparte an den Siemens-Pensionsfonds brachte einen Gewinn von 219 Mill. Euro. Die Deckungslücke des Fonds sank innerhalb von drei Monaten von 9,9 Mrd. Euro auf 8,6 Mrd. Euro. Zweitens senkten eine rückwirkende Steuersatzreduzierung und der steuerfreie Pensionsfondsgewinn den Steuersatz von 28 % auf 18 %. Drittens steigerte die Finanzsparte ihren Gewinn um 63 Mill. Euro auf 212 Mill. Euro aufgrund des Gewinns aus der Veräußerung einer Beteiligung. Viertens ging der Anteil der Minderheitsaktionäre um 96 Mill. Euro zurück.Die Kapitalrendite sank von 9,5 % auf 7,9 %. Siemens erklärte dies mit einem Anstieg des durchschnittlich eingesetzten Kapitals, teils getrieben von der Erhöhung der Leasingverbindlichkeiten durch die erstmalige Anwendung von IFRS 16. Die Kapitalrendite ist historisch niedrig.