Fette Woche für Tech-Börsengänge
cru Frankfurt – Trotz der Wirtschaftskrise boomen weltweit Börsengänge. Im Jahr 2020 ist das Emissionsvolumen bis dato laut Refinitiv auf den höchsten Stand seit 2014 gestiegen. Allein in dieser Woche wollen ein Dutzend Technologieunternehmen mit ihren IPOs adddiert mehr als 10 Mrd. Euro frisches Kapital an der Börse einsammeln. In den USA sind die größten avisierten Erstnotierungen der Cloud-Datenanalyse-Software-Anbieter Snowflake (2,2 Mrd. Dollar), der Videospiele-Entwicklungssoftware-Spezialist Unity (950 Mill. Dollar) und der Datenanalysesoftwareanbieter Sumo Logic (280 Mill. Dollar) – jeweils auf Basis der Mitte der Preisspanne.In Europa dagegen sticht besonders Allegro hervor. Die polnische E-Commerce-Gruppe – eine Art europäischer Konkurrent von Amazon – plant, rund 1 Mrd. Zloty (266 Mill. Dollar) mit neuen Aktien in Warschau aufzubringen, und wäre damit das jüngste europäische Beispiel für ein webbasiertes Unternehmen, das vom lebhaften Interesse der Investoren am Technologiesektor profitiert.Die Private-Equity-Eigentümer von Allegro – Cinven, Permira und Mid Europa Partners – planen ebenfalls, Aktien im Rahmen des Börsengangs zu verkaufen, teilte das Unternehmen am Montag mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Der Emissionserlös für die neuen Aktien solle die finanzielle Position durch die Rückzahlung ausstehender Schulden stärken und das öffentliche Profil und die Markenbekanntheit erhöhen. “Unsere Verschuldung wird nach dem IPO bei weniger als dem Dreifachen des operativen Gewinns liegen”, sagte Allegro-Vorstandschef François Nuyts der Börsen-Zeitung. Cinven macht KasseDer Verkauf bestehender Aktien durch die Altaktionäre wird laut Finanzkreisen wahrscheinlich umfangreicher sein als das Angebot neuer Aktien des Unternehmens selbst. “Jedoch will sich keiner der Private-Equity-Eigentümer von mehr als der Hälfte seiner Anteile trennen”, sagte Allegro-Chef Nuyts. Laut Bloomberg dürfte das Volumen der von den Finanzinvestoren versilberten Aktien bei 2 Mrd. Euro liegen. Gemessen am gesamten Emissionserlös wäre Allegro damit Europas zweitgrößter Börsengang in diesem Jahr hinter dem Kaffeekonzern JDE Peet’s – und zugleich das weltweit bis dato viertgrößte angekündigte IPO in diesem Jahr.Die Finanzinvestoren kauften Allegro 2016 von Südafrikas Medienkonzern Naspers für 3,25 Mrd. Dollar. Vor dem Börsengang bewerten laut Finanzkreisen die Banken, die an dem Angebot arbeiten, Allegro einschließlich der Nettoverschuldung mit dem 26- bis 27-Fachen des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Basierend auf dem prognostizierten Gewinn von 2 Mrd. Zloty für 2021 beträgt der Unternehmenswert voraussichtlich fast 14,4 Mrd. Dollar – und der Wert des Eigenkapitals etwa 13 Mrd. Dollar. Es wird erwartet, dass etwa 20 bis 25 % des Unternehmens an die Börse gebracht werden. Der Börsengang von Allegro findet inmitten der Pandemie in einer Zeit der Ausgangsbeschränkungen statt, in der Konsumenten von zu Hause auf Webseiten alles von Kleidung bis hin zu Haushaltswaren kaufen. Die britische The Hut Group will ebenfalls an diesem Boom teilhaben und strebt einen Börsengang in London mit einem Volumen von bis zu 2,4 Mrd. Dollar an.Der schwache europäische IPO-Markt hat 2020 bis dato nur zwei Börsengänge mit mehr als 1 Mrd. Dollar Emissionsvolumen erlebt. Die volatilen Aktienmärkte und die Corona-Pandemie sorgten für einen Dämpfer. Allegro ist einer von mehreren Börsengängen, die in den kommenden Monaten erwartet werden und diese Obergrenze überschreiten könnten, darunter The Hut Group und der deutsche Wissenschaftsverlag Springer Nature. Europas bisher größtes IPO im Jahr 2020 ist der Börsengang des Kaffeeriesen JDE Peet’s in Amsterdam mit 2,8 Mrd. Dollar Emissionserlös im Mai.”Wir haben 12 Millionen Stammkunden, mehr als 100 000 kleine und mittlere Unternehmen auf unserer Plattform, und wir sind eine so vertrauenswürdige Marke in Polen, dass Warschau für uns der natürliche Ort ist”, sagte Allegro-CEO Nuyts. Das Unternehmen spreche mit vielen Investoren, und es bestehe “erhebliches” Interesse an der Transaktion. Rund 5 % der Aktien sollen an Privatanleger gehen. Der Lockdown trug dazu bei, den Umsatz des Unternehmens mit 2 400 Beschäftigten anzukurbeln, der in der ersten Jahreshälfte um 52 % auf 1,77 Mrd. Zloty stieg. Der bereinigte Gewinn stieg um 28 % auf 808 Mill. Zloty. Die Nettoverschuldung betrug Ende Juni das 3,7-Fache des bereinigten Ebitda.Allegro setzt auf einen Anstieg des Anteils des Online-Handels in Polen am gesamten Einzelhandel. Im Jahr 2019 lag der Online-Anteil bei etwa 8,4 %, während er in Großbritannien bei 18 % und in China bei 27 % lag. Das IPO könnte den polnischen staatlichen Versicherer PZU beinahe von seiner Position als bisher größte Börsennotierung des Landes verdrängen. Der Aktienverkauf von PZU im Jahr 2010 brachte 2,1 Mrd. Euro ein, aber der IPO-Markt ist seither stetig geschrumpft. Laut Bloomberg-Daten wurden seit 2017 zusammengenommen weniger als 100 Mill. Dollar Emissionserlös aufgebracht.Goldman Sachs und Morgan Stanley sind globale Koordinatoren für das IPO von Allegro, während Barclays, Bank of America und Citigroup als Bookrunner fungieren. Santander und BM PKO sind Bookrunner und Co-Angebotsagenten in Polen für die Privatkundentranche. – Wertberichtigt Seite 8