Ford geht in China der Saft aus
Der größte Automarkt der Welt, China, schwächelt, und der US-Hersteller Ford ist davon besonders betroffen. Das Comeback soll mit 30 neuen Modellen bis 2022 gelingen, von denen zehn elektrisch fahren. Auch der Rivale GM plant im Reich der Mitte eine Elektrooffensive mit zehn neuen Modellen bis Ende 2020.Von Stefan Paravicini, New YorkDem US-Autobauer Ford droht noch vor der Einführung seines ersten reinen Elektrowagens für den chinesischen Markt im Reich der Mitte der Saft auszugehen. Im ersten Halbjahr ist der Absatz des zweitgrößten US-Herstellers jedenfalls noch einmal um mehr als ein Viertel eingebrochen, nachdem es für Ford im gesamten Vorjahr bereits um knapp zwei Fünftel abwärts gegangen war. Im zweiten Quartal verkaufte der Konzern insgesamt noch etwas mehr als 154 000 Wagen in China. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2016 setzte Ford im größten Automarkt der Welt knapp 1,3 Millionen Autos ab, was damals ungefähr einem Fünftel des gesamten Absatzes entsprach. Im vergangenen Jahr waren es noch etwas mehr als 750 000 Autos.Der chinesische Automarkt hat nach drei Dekaden mit rasantem Wachstum in den vergangenen zwei Jahren den Rückwärtsgang eingelegt. Die Probleme von Ford stechen im Vergleich mit der Konkurrenz dennoch hervor. “Wir haben vielleicht nicht erkannt, dass sich der Markt schnell bewegt”, räumt Anning Chen ein, die im November die Verantwortung für das Geschäft in China übernommen hat. Zuvor hatten sich jahrelang Manager aus den USA und aus Europa in relativ schneller Abfolge die Klinke in die Hand gegeben, während Ford gegenüber der lokalen Konkurrenz in China ins Hintertreffen geriet. Im ersten Quartal lag der Marktanteil noch bei 2,1 %, während es zum Auftakt des Jahres 2016 noch 5 % waren. “Ford ist in China ziemlich irrelevant geworden”, sagt Janet Lewis, die bei Macquarie das Research zu den asiatischen Automärkten leitet. Kooperation mit ZotyeJetzt versucht sich Ford in China neu zu erfinden. Nachdem sich der Konzern aus Märkten in Europa und Südamerika weitgehend zurückgezogen hat, bleibt CEO Jim Hackett auch gar nichts anderes übrig. Bis 2022 sollen deshalb gleich 30 neue Modelle auf den chinesischen Markt gebracht werden. Ein Drittel wird nach den bereits im Frühjahr 2018 angekündigten Plänen mit Elektroantrieb versehen sein. Der Ford Territory EV, die elektrische Version eines SUV des chinesischen Partners Jiangling, soll Ende 2019 als erstes rein elektrisch angetriebenes Auto von Ford in China auf die Straße rollen. Daneben hat Ford auch eine Partnerschaft mit der chinesischen Zotye angeleiert, die sich ganz auf Elektrowagen konzentriert.Soll das Comeback im Reich der Mitte gelingen, muss die elektrifizierte Modellpalette ein voller Erfolg werden. Denn auch wenn der chinesische Automarkt insgesamt zuletzt rückläufig war, ist der Absatz von New Energy Vehicles (NEV) rasant gestiegen. Außerdem macht die Regierung in Peking Druck und verlangt von den Autobauern, beginnend mit 2019 ein steigendes Kontingent an Elektrowagen zu verkaufen. Wer die Quote nicht erreicht, muss Emissionsgutschriften von anderen Anbietern wie Tesla oder einer Reihe chinesischer Anbieter erwerben, die die Quote mit vollständig elektrifizierten Flotten übererfüllen.”Diese Art von Problemen können nicht mit ein paar neuen Modellen gelöst werden”, kommentiert Macquarie-Analystin Lewis die Situation von Ford in China. Hinzu kommt, dass der Konzern, der sich im Vergleich mit Konkurrenten wie General Motors und Volkswagen erst relativ spät im Reich der Mitte orientiert hatte, auch beim Thema Elektrifizierung ein Nachzügler ist. Bisher hat der Konzern kein reines Elektroauto im Portfolio. Die Produktion von E-Wagen in Zusammenarbeit mit dem neuen Kooperationspartner Volkswagen soll 2023 starten und ein Comeback in Europa ermöglichen. Für die eigene Entwicklung erhofft sich Ford Impulse von der 2009 gegründeten Rivian, die als künftiger Rivale von Tesla gilt und bei der sich der Konzern im April mit 500 Mill. Dollar beteiligt hat.An einem Einstieg bei Rivian war laut Medienberichten auch Ford-Konkurrent General Motors (GM) interessiert. Doch die Gespräche scheiterten im Frühjahr, weil der größte US-Autobauer wohl aufs Ganze ging und eine exklusive Zusammenarbeit anstrebte. Auch ohne Unterstützung des vielversprechenden Start-ups, das nächstes Jahr einen Elektro-Pick-up-Truck an den Start bringen will und bis 2024 ein halbes Dutzend Modelle im Plan hat, ist GM bei Elektrowagen derzeit besser aufgestellt als der Wettbewerber Ford. Im größten Markt für Elektroautos konnte der Konzern seinen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz etwa mit dem Chevy Bolt aber noch nicht in Erfolge ummünzen.Von den knapp 3,6 Millionen Wagen, die GM zusammen mit chinesischen Partnern wie SAIC im vergangenen Jahr im Reich der Mitte verkauft hat, entfielen nicht einmal 1 % auf Elektroautos. Unter dem wachsenden Druck der chinesischen Regierung und der chinesischen Konsumenten plant aber auch GM eine Elektrooffensive. Bis 2020 sollen insgesamt zehn neue Elektromodelle für den chinesischen Markt vorgestellt werden. Der Buick Velite 6 gab bereits in diesem Frühjahr auf der Autoshow in Schanghai sein Debüt, obwohl es vor einem Jahr noch erhebliche Probleme mit dem chinesischen Partner für die eingesetzten Batterien gab. Cadillac soll es für GM richtenBis 2023 hat sich GM-Chefin Mary Barra weltweit 20 Premieren von Elektrowagen vorgenommen. Die Marke Cadillac gibt dabei den Ton an, wie die Konzernchefin zum Jahresauftakt in Detroit angekündigt hatte. Die ersten rein elektrischen Modelle der Luxusmarke werden allerdings nicht vor 2022 erwartet. Soll das Comeback als Elektromarke gelingen, muss Cadillac im größten Markt für Elektroautos reüssieren.Die jüngsten Zahlen aus dem Reich der Mitte machen Mut, stieg der Absatz von Cadillac hier im zweiten Quartal doch um mehr als ein Drittel. Insgesamt ging es für GM in China über den gleichen Zeitraum allerdings gut 12 % abwärts, während der Absatz des Konzerns im Auftaktquartal sogar um 17,5 % nachgab. Ford steht mit minus 21,7 % im zweiten Quartal und 35,8 % Absatzrückgang zum Jahresauftakt in China deutlich schlechter da. Beide US-Autobauer werden im Reich der Mitte dauerhaft nur dann in die Wachstumsspur zurückfinden, wenn die Elektrifizierungsstrategie erfolgreich ist. Zuletzt erschienen: Fiat Chrysler will nächstes Jahr elektrisch fahren (19.7.) PSA will mit E-Autos beschleunigen (16.7.)