NOTIERT IN PARIS

Frankreichs Hitzeprüfung

Das Wort ist in Frankreich in aller Munde - Canicule, übersetzt: Hitzewelle. Seit eine Hitzewelle im August 2003 in Frankreich rund 15 000 Menschen hat sterben lassen, versuchen die verschiedenen Regierungen, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu...

Frankreichs Hitzeprüfung

Das Wort ist in Frankreich in aller Munde – Canicule, übersetzt: Hitzewelle. Seit eine Hitzewelle im August 2003 in Frankreich rund 15 000 Menschen hat sterben lassen, versuchen die verschiedenen Regierungen, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Denn damals trafen die anhaltend hohen Temperaturen das Land mitten während der traditionellen Sommerferien. Krankenhäuser, Altenheime und Notfalldienste waren urlaubsbedingt unterbesetzt. Um ein solches Szenario zu vermeiden, hat der französische Wetterdienst Météo France für diese Woche für mehr als die Hälfte der französischen Départements Hitzewarnungen herausgegeben.Arbeitsministerin Muriel Pénicaud forderte französische Unternehmen bereits auf, ihre Arbeitszeiten entsprechend anzupassen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um das gesundheitliche Wohl ihrer Mitarbeiter sicherzustellen. Man werde besonders bei Firmen aus der Baubranche darauf achten, dass für die dort angestellten Arbeitnehmer Schutzmaßnahmen getroffen würden, warnte sie.Die Prüfungen des dem deutschen Realschulabschluss vergleichbaren sogenannten “brevet de collège” wurden wegen der erwarteten Hitzewelle mit Temperaturen von mehr als 40 Grad von Ende dieser auf Anfang nächster Woche verschoben. Der Pariser Nahverkehrsbetreiber RATP und die französische Bahn SNCF haben bereits ihre Vorräte an Mineralwasser aufgestockt, um es während der sogenannten Canicule kostenlos an Passagiere verteilen zu können. *Die Hitzewelle dürfte auch für den Stromversorger EDF (Électricité de France) zu einer Herausforderung werden. Denn er betreibt die 58 französischen Atomreaktoren. 2003 musste die Produktion von mehreren Atomkraftanlagen gedrosselt und ihre Betonhüllen von außen mit Wasser berieselt werden, um für Kühlung zu sorgen. Damals erhielten mehrere Reaktoren Sondergenehmigungen, die ihnen ermöglichten, die vorgeschriebenen Temperaturen für das in Flüsse zurückgeleitete Kühlwasser zu überschreiten. Das wiederum gefährdete das ökologische Gleichgewicht der Wasserläufe. Im vergangenen Jahr hatte EDF mehrere Reaktoren wegen anhaltend hoher Temperaturen vorsorglich abgeschaltet. *Die von der Sahara nach Europa schwappende Hitzewelle ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, vor der der staatliche Stromversorger steht. Denn die Konzernleitung hat den Gewerkschaften nun ihre Umbaupläne präsentiert. Unternehmenschef Jean-Bernard Lévy wolle EDF aufspalten und privatisieren, kritisieren Arbeitnehmervertreter. Auf der einen Seite sollen in der Sparte “EDF bleu” die Atomaktivitäten des Konzerns, die Wasserkraftwerke und die Stromübertragungseinheit RTE (Réseau de transport d’électricité) gebündelt werden, an der der Versorger 50,1 % hält. Auf der anderen Seite sollen die erneuerbaren Energien und der kommerzielle Stromhandel in die Sparte “EDF vert” eingebracht werden.Der Mutterkonzern selbst soll weiterhin bestehen und künftig komplett dem französischen Staat gehören. Er hält derzeit 83 % des EDF-Kapitals. Das Kapital der grünen Sparte dagegen soll für private Investoren geöffnet werden. Hintergrund für die Aufspaltung nach dem Vorbild deutscher Konkurrenten wie RWE und Eon ist auch die Serie an Debakeln, die EDF mit seinen Atomaktivitäten in den vergangenen Jahren hinnehmen musste – nicht zuletzt immer wieder mit dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR, der gerade in Flamanville in der Normandie gebaut wird.EDF erlitt bei dem bereits stark verzögerten und verteuerten Projekt gerade einen neuen Rückschlag. Die französische Atomsicherheitsbehörde ASN kündigte an, dass acht Nähte in der Stahlhülle undicht seien und deshalb neu geschweißt werden müssten. Das wird die Inbetriebnahme weiter verzögern und die sich ohnehin bereits auf 11 Mrd. Euro verdreifachten Kosten weiter in die Höhe treiben. Der EPR, der ursprünglich 2012 hätte in Betrieb gehen sollen, dürfte nun frühestens Ende 2022 ans Netz gehen, wenn ab jetzt alles funktioniert wie geplant. Das war jedoch bei dem Projekt noch nie der Fall.