DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: RACHEL EMPEY

Fresenius setzt bei Akorn-Finanzierung auf lange Laufzeiten

Die Finanzchefin über das Ratingszenario, die Vorzüge der Diversifikation des Gesundheitskonzerns und die Wachstumsziele der Sparten

Fresenius setzt bei Akorn-Finanzierung auf lange Laufzeiten

– Frau Empey, Sie sind vor einigen Monaten aus der Telekombranche in die Gesundheitsindustrie gewechselt. Stellen Sie mehr Unterschiede oder mehr Gemeinsamkeiten fest?Es gibt beides. Die Finanzthemen sind natürlich ähnlich. Zudem haben beide Geschäftsmodelle vor allem mit Menschen zu tun. Bei Fresenius jedoch geht es um Gesundheit, unser höchstes Gut. Wenn man dazu einen Beitrag leisten kann, hat das sicher eine größere Bedeutung – gleichzeitig übernehmen wir eine besondere Verantwortung. Fresenius ist zudem ein sehr globales Unternehmen, während Telefónica Deutschland auf den hiesigen Markt konzentriert ist. Auch die Diversität von Fresenius gefällt mir sehr gut. Es gibt Synergien zwischen den vier Säulen, doch im Kern verfolgt jede ihre eigene Strategie. Dabei wird unternehmerisches Denken großgeschrieben.- Erkennen Sie Unterschiede auf der Investorenseite? Telefónica ist ja im TecDax.Die Corporate Governance gilt für den TecDax genauso wie für den Dax. Beide Unternehmen haben einen Ankeraktionär. Im Fall von Fresenius ist es die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, die ihre Erträge in medizinische Forschung und humanitäre Projekte steckt – das verpflichtet. Auch wenn es nicht die gleichen Gesichter sind, überschneiden sich die institutionellen Investoren durchaus. Regional ist der Anlegerkreis etwas anders gemischt, aber auch nicht grundlegend. Allerdings spielen für Fresenius die Fremdkapitalinvestoren durch unsere Finanzierungsstruktur mit einem im Vergleich zu Telefónica höheren Leverage eine deutlich größere Rolle.- Fresenius ist bekannt für eine aktive Akquisitionsstrategie, die mit hohem Fremdkapitaleinsatz gefahren wird. Ist das etwas, das Sie bedenkenlos mittragen können?Auf jeden Fall. Fresenius ist über Zukäufe globaler und diversifizierter im Geschäftsmodell geworden, was die Risiken im Konzern insgesamt reduziert hat. Diese Diversifikation wird von den Investoren am Fremdkapitalmarkt geschätzt. Fresenius generiert einen sehr hohen und vor allem stabilen Free Cash-flow und kann die Verschuldung nach Akquisitionen entsprechend schnell wieder zurückführen. Dieses Profil erlaubt eine aktive und zum Großteil über Fremdkapital finanzierte M&A-Strategie. Das akzeptieren auch die Ratingagenturen. So gab es nach der Übernahme der spanischen Klinikkette Quirónsalud, der größten Akquisition in der Unternehmensgeschichte, keine Abstufung. Das zeigt das Vertrauen in unsere Finanzierungsstrategie.- Wo setzen Sie die Verschuldungsgrenze?Eine Verschuldungsobergrenze festzulegen halten wir nicht für sinnvoll. Die Entscheidung hängt von der Situation ab und davon, welche Chancen sich bieten. Akquisitionen sind Teil einer erfolgreichen und langfristigen Wachstumsstrategie. Das ist ein stetiger Prozess, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Dabei muss man Chancen nutzen, wenn sie sich ergeben, auch wenn der Verschuldungsgrad für eine gewisse Zeit zunimmt.- Welchen Spielraum gibt es für das externe Wachstum?Wir setzen uns ein mittelfristiges Nettoverschuldungsziel von 2,5- bis 3-mal Ebitda. Wenn es erforderlich ist, wird diese Grenze bei Akquisitionen auch mal überschritten. Nach einem Zukauf – so auch bei Akorn – wollen wir innerhalb eines Jahres zurück in dieser Bandbreite sein, bei einer großen Akquisition soll es maximal 24 Monate dauern. Der hohe Cash-flow und die Stärke des Geschäfts geben uns die notwendige finanzielle Flexibilität.- Im Rating ist Fresenius inzwischen von drei Agenturen im Investment Grade eingestuft. Das ist also kein Gütesiegel, das Sie unbedingt verteidigen wollen?Wir haben kein Rating-Ziel. Die drei Agenturen setzen für das Investment-Grade-Rating voraus, dass wir unser mittelfristiges Verschuldungsziel einhalten. Fresenius konnte viele Jahre gut im Non-Investment Grade leben. Jetzt leben wir gut mit unserem Investment-Grade-Rating. Die Fremdkapitalgeber schätzen die Diversität des Konzerns, sowohl was das Geschäftsmodell angeht als auch die regionale Verbreitung. Dieses Profil ist wichtiger als die Ratingklasse.- Wird die Diversität auch von den Aktionären geschätzt? Hier gibt es ja immer wieder die Diskussion über Konglomerate und Bewertungsabschläge gegenüber fokussierten Unternehmen.Investoren in Fremdkapital und Eigenkapital haben immer unterschiedliche Perspektiven. Mit den Aktionären gibt es etwas intensivere Diskussionen über die Kapitalstruktur und die Strategie. Die Kombination aus Dienstleistungen, Medizintechnik und intravenös zu verabreichenden Generika findet man nicht so häufig im Markt. Doch die Zusammensetzung ist erfolgreich, wie die Ertrags- und Dividendenentwicklung beweist.- Gibt es Synergien zwischen den vier Sparten?Die gibt es. Unsere Unternehmensbereiche können auch viel voneinander lernen. Vor allem aber geht es um Risikoausgleich. Anders wäre ein langfristig stabiles Wachstum deutlich schwieriger zu erreichen.- Die fokussierte und börsennotierte Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care hat allerdings ein höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis als Fresenius.So ist das Leben! Der Markt folgt zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlichen Trends. Fresenius Medical Care – ich bin dort im Aufsichtsrat – ist ein sehr erfolgreiches Unternehmen. FMC hat sich in den vergangenen Jahren auch stärker diversifiziert, indem es zum Beispiel das Versorgungsmanagement ausgebaut hat.- Das Vorbild Fresenius Medical Care könnte zur Überlegung führen, weitere Tochtergesellschaften an die Börse zu bringen, um deren Wert zu steigern?Die Frage wird immer wieder gestellt, zumal die Tochtergesellschaften sehr eigenständig agieren. Ich sage niemals nie, aber es gibt aktuell keine Pläne und keine Notwendigkeit dafür. Wir sind mit der Konzernstruktur sehr zufrieden.- Als Nächstes steht die Finanzierung der 4,8 Mrd. Dollar schweren Übernahme von Akorn ins Haus. Wie wird das Instrumentarium strukturiert?Die Transaktion soll im ersten Quartal abgeschlossen werden. Die vorhandene Brückenfinanzierung gibt uns höchste Flexibilität in der Finanzierung und der zeitlichen Koordinierung. Wir werden auch die US-Steuerreform, etwa die steuerliche Abzugsfähigkeit des Zinsaufwandes, in unsere Finanzierungsüberlegungen einbeziehen.- Fresenius wird ja mit dem hohen Anteil an US-Geschäft von der US-Steuerreform profitieren.Wir erwarten in der Tat deutlich positive Effekte aus der US-Steuerreform. Wir rechnen für das Geschäftsjahr 2017 mit einem Buchgewinn von rund 90 Mill. Euro. Alle weiteren Details werden wir auf unserer Bilanzpressekonferenz Ende Februar erläutern.- Da Akorn viel Geschäft in den USA macht, dürften Sie vor allem in Dollar finanzieren?Das liegt nahe, aber wir werden uns das Umfeld genau anschauen, wenn es so weit ist, und die richtige Mischung von Dollar- und Euro-Fremdkapital finden. Die Zinskurve ist derzeit relativ flach, was langfristige Laufzeiten begünstigt.- Bleibt es bei dem für den Deal avisierten Zinsaufwand von im Schnitt 4 %?Das ist erst mal eine Vorgabe und vielleicht höher als erwartet. Doch sie orientiert sich an der Vorstellung einer ziemlich langfristigen Geldaufnahme.- Ist die Zinswende für Sie ein akutes Szenario?Wir wären einer Zinswende nicht in hohem Umfang ausgesetzt. Trotzdem sind wir stets bestrebt, den Zinsaufwand zu optimieren und schauen natürlich auf die langfristigen Trends. Momentan sind zwei Drittel der Verschuldung mit festem Zins versehen oder abgesichert, ein Drittel ist variabel verzinst. Das gibt uns Sicherheit und zugleich Flexibilität. Diese Relation verschieben wir, wenn wir es für erforderlich halten.- Nach Bekanntgabe des Erwerbs hat Akorn einen dramatischen Ertragsverfall gezeigt, das Unternehmen landete im dritten Quartal sogar in der Verlustzone. Ist das wirklich ein temporäres Phänomen, wie Sie es darstellen?Aus strategischen Überlegungen ist der Schritt nach wie vor richtig. Die strategische Rationale wird auch von Analysten geschätzt. Wir erweitern unser Sortiment an Pharmaprodukten und können den US-Einkaufsorganisationen in dem Markt ein breiteres und attraktiveres Angebot machen. Wir müssen die Übernahme nun jedoch erst einmal abschließen. Dann machen wir uns mit den neuen Kollegen gemeinsam an die Arbeit.- Die Einkaufsorganisationen werden immer mächtiger?Der US-Markt mit Produkten für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen wird schon seit einigen Jahren von drei Einkaufsorganisationen dominiert. Sie erwarten von den Herstellern hohe Lieferzuverlässigkeit und ein vielfältiges Angebot.- Den größeren Teil des Umsatzes erzielt Akorn außerhalb des Segments intravenös zu verabreichender Generika. Wie passt das ins Portfolio von Fresenius?Das ist sehr wichtig für uns, denn wir ergänzen so unser Produktangebot und erschließen uns neue Vertriebswege außerhalb der Krankenhäuser. Das ist auch für unser Biosimilars-Geschäft von Bedeutung, denn Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen zum Beispiel werden nicht primär über Kliniken vertrieben, sondern sind in der Regel auf ärztliche Verordnung über Apotheken erhältlich.- Die Ertragsentwicklung von Akorn seit Bekanntgabe der Akquisition muss Sie doch alarmieren.Wir sind enttäuscht über die Entwicklung von Akorn im zweiten und dritten Quartal 2017. Einige Produkte leiden unter hohem Preisdruck. Akorn allein ist zu klein, um dies im eigenen Geschäft zu kompensieren. Zudem hat es Verzögerungen bei Produkteinführungen und Engpässe in der Produktion gegeben. Diese Probleme sollten zu lösen sein, zumal Fresenius deutlich mehr Erfahrung mit Zulassungen und in der Organisation der Produktion hat. Die Produktpipeline von Akorn ist gut gefüllt mit rund 90 neuen Wirkstoffen, die Hälfte davon sind intravenös zu verabreichende Medikamente. Das ist ein großes Potenzial.- Wird die Integration von Akorn sehr aufwändig sein?Die Unternehmenszentralen liegen nur ein paar Kilometer auseinander, Ähnliches gilt für die Produktionsstätten. Hier gibt es Synergiepotenzial. Zudem werden wir Einkauf und Vertrieb vereinheitlichen. Nach zwei bis drei Jahren sollte die Integration vollzogen sein, die Kosten fallen nicht stark ins Gewicht.- Es stehen einige neue Bilanzierungsstandards ins Haus. Leasingverträge kommen künftig in die Bilanz, was die Finanzverbindlichkeiten von 2019 an um 5 Mrd. Euro erhöht, der Verschuldungsgrad steigt bei einer Verbesserung des Ebitda um 0,3 bis 0,4. Das engt künftig den Akquisitionsspielraum ein?Nein, wir werden weiterhin genügend Spielraum haben. Von dem neuen Standard ist vor allem Fresenius Medical Care betroffen, da die meisten Dialysekliniken gemietet sind. Die Ratingagenturen berücksichtigen dies schon in ihren Analysen. Wir werden vermutlich unseren Zielkorridor für die Verschuldung entsprechend erhöhen. Es ergibt sich daraus aber keine strategische Veränderung.- Schon 2018 greifen die neuen Regeln zur Umsatzbilanzierung. Fresenius stellt eine ergebnisneutrale Verminderung der Erlöse um 1 bis 2 % in Aussicht. Wodurch ist das verursacht?Das betrifft auch Fresenius Medical Care und hat keine Auswirkung auf den Nettogewinn. Der Hintergrund sind Preiszugeständnisse, die ergebnisneutral in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung umgegliedert werden. Wir werden das in unserer Prognose für das Geschäftsjahr 2018 im Februar erläutern.- In der Gesundheitsbranche erkennt man einen Trend zur vertikalen Integration. Versicherer und Apotheken schließen sich zusammen. Ihr Wettbewerber Davita verkauft sein Ärztenetzwerk an einen Krankenversicherer. Wie positioniert sich Fresenius?Die Digitalisierung betrifft alle Branchen. Aufgrund der globalen Größe unseres Geschäfts verfügen wir über umfangreiche Daten, die wir zum Wohl der Patienten auswerten können. Das hilft, Qualitätsmedizin für alle bezahlbar zu halten. Das spiegelt sich bereits in neuen Erstattungsmodellen wider, wo wir für eine Pauschale die Verantwortung für bestimmte Patienten- oder Bevölkerungsgruppen übernehmen.- Im Gesundheitsmarkt schielt man auf Amazon, die ihr Geschäftsmodell auf Gesundheitsprodukte, sogar rezeptpflichtige, ausweitet. Sehen Sie das als Bedrohung für Fresenius?Das beobachten wir, so wie wir alle Trends analysieren. Fresenius ist vor allem auf Produkte fokussiert, die eine hohe Eintrittsbarriere haben und die in Kliniken zum Einsatz kommen. Dieses Sortiment kann nicht so leicht über Online-Kanäle Dritter verkauft werden.- Wie sieht die weitere Wachstumsstrategie für die vier Sparten aus? Kabi steht mit der Akorn-Übernahme derzeit im Mittelpunkt.Die Breite des Produktportfolios in Nordamerika verschafft Kabi einen strategischen Vorteil, der das weitere Wachstum beschleunigen sollte. Biosimilars sind für das künftige Wachstum ebenfalls sehr wichtig. Diese Produkte sind global von Bedeutung. Weiße Flecken hat Kabi noch im Geschäft mit klinischer Ernährung – das bietet weitere Wachstumsmöglichkeiten in Europa und in Nordamerika. Auch in Schwellenländern werden wir das Produktangebot erweitern.- Was treibt FMC?Mit der NxStage-Akquisition möchte FMC das Angebot in der Heimdialyse stärken. Das ist ein wachsender Bereich, der sehr wichtig ist und in dem wir vorankommen wollen. Expandieren wird auch der neue Bereich Versorgungsmanagement. FMC wird das Konzept der umfassenden Versorgungsmodelle für Dialysepatienten in Nordamerika verbreitern. Hier sehen wir künftig auch Potenzial in europäischen Ländern. FMC hat viele Wachstumschancen weltweit.- Bleibt der Blick auf das Krankenhausgeschäft der Helios.Mit dem Kauf der spanischen Klinikkette Quirónsalud haben wir ein erstes Standbein im Ausland. Wir sehen in Spanien die Chance, nicht nur organisch zu wachsen, sondern auch über weitere kleinere Klinikzukäufe. Der Markt dort ist noch sehr fragmentiert.- Sind weitere internationale Klinikakquisitionen geplant?Wir möchten vor einem weiteren Schritt genügend Erfahrungen sammeln. Es geht uns nicht nur um die niedrig hängenden Früchte, also zum Beispiel Synergien aus einem gemeinsamen Einkauf. Wir wollen das Wachstum über eine verbesserte medizinische Qualität forcieren. Das wäre die Voraussetzung für den Aufbau eines europäischen oder internationalen Klinikkonzerns.- Der Krankenhausdienstleister Vamed steht oft im Schatten der drei großen Schwestern.Vamed hat zuletzt zwei kleine Akquisitionen durchgeführt: eine Rehaklinik in der Schweiz und eine Servicegesellschaft in Deutschland. Vamed erschließt jedes Jahr neue Regionen und ist inzwischen in fast 100 Ländern aktiv. Das schafft weitere Wachstumsmöglichkeiten. Vamed ist ein Pionier im Konzern, von ihrem Know-how in neuen Märkten profitieren alle Bereiche.- Könnte die Diversität von Fresenius mit einer fünften Sparte erweitert werden?Wir sind mit unseren vier Säulen sehr zufrieden und wollen alle Sparten weiter ausbauen. An ein fünftes Standbein denken wir momentan nicht.—-Das Interview führte Sabine Wadewitz.