Für Jungheinrich wird es "nach zehn guten Jahren schwieriger"

Intralogistikkonzern setzt nach Wechsel an der Spitze von Aufsichtsrat und Vorstand auf Kontinuität und Stabilität

Für Jungheinrich wird es "nach zehn guten Jahren schwieriger"

Von Carsten Steevens, HamburgEs kommt vor, dass die äußeren Umstände nicht so recht zur feierlichen Stimmung bei einem Wechsel an der Aufsichtsrats- und Vorstandsspitze passen wollen. Im Fall des Familienunternehmens Jungheinrich lag das am Dienstagabend nicht so sehr am Hamburger Wetter, das während der Festveranstaltung zur Staffelstabübergabe und zur Einweihung des Erweiterungsbaus der Hauptverwaltung im Beisein des früheren Bürgermeisters Hamburgs, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, gar nicht so trübe war. Vielmehr ist der Intralogistikkonzern von der konjunkturellen Eintrübung und der schrumpfenden weltweiten Nachfrage nach Flurförderzeugen betroffen.Ein “schwarzer” Juni – das Marktvolumen in der Kernregion Europa sackte um 16 % ab – führte im Juli zu einer Gewinnwarnung für das Geschäftsjahr 2019. Die Marktkapitalisierung des Ende August 1990 an die Börse gekommenen und heute im SDax gelisteten zweitgrößten europäischen Gabelstaplerherstellers ist seit Ende des zweiten Quartals um fast ein Drittel auf unter 1,9 Mrd. Euro zurückgefallen. Die Vorzüge liegen bei rund 18,50 Euro. Nachfrage schrumpftWorauf man sich bei Jungheinrich wie auch bei anderen Unternehmen der Industrie, so etwa Kion, einzustellen hat, ist nicht genau absehbar. Branchenexperten sprechen von einer Verschnaufpause im europäischen Endmarkt für Industriefahrzeuge und schließen nicht aus, dass sich die rückläufige Nachfrage im kommenden Jahr noch weiter fortsetzen könnte. Der Abschwung im europäischen Kernmarkt werde das Umsatzwachstum 2020 möglicherweise fast zum Erliegen bringen.Dass Jungheinrich das seit 2013 verfolgte Umsatzziel von 4 Mrd. Euro im Jahr 2020 schon ein Jahr früher erreichen wird, ist weiterhin möglich, aber in Anbetracht der Marktverwerfungen unwahrscheinlicher geworden. Im Unternehmen ist man sich bewusst, dass es nach fast einer Dekade starken Wachstums, in der sich die Umsatzerlöse auf 3,8 Mrd. Euro (2018) mehr als verdoppelten, ungemütlicher wird. “Nach vorne wird es nach zehn guten Jahren wieder schwieriger”, meinte etwa der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Georg Frey, der in den vergangenen zwölf Jahren an der Vorstandsspitze stand, bei dem Empfang in Hamburg. Vor diesem Hintergrund setzt Jungheinrich auf Kontinuität und Stabilität in der Unternehmensführung.Dass der 63 Jahre alte Frey Nachfolger des nach 18 Jahren aus dem Aufsichtsrat ausgeschiedenen Jürgen Peddinghaus (80) wurde, stand schon seit längerem fest. Wolff Lange, Enkel des Firmengründers Friedrich Jungheinrich, unterstrich in seiner Ansprache, der Wechsel des gebürtigen Stuttgarters in das Kontrollgremium entspreche dem ausdrücklichen Wunsch der beiden Gesellschafterfamilien Wolf und Lange. Frey habe sich in den von besonderen Zahlen und Wachstum geprägten Jahren “stets als ein Fels in der Brandung und entschlossener Kapitän auf Brücke” erwiesen, der für “klare Führung und Strategie sowie konstruktive Emotionalität” stehe. Er und Peddinghaus hätten “gemeinsam ein starkes Team” gebildet.In ähnlich robuster Form zusammenwirken soll Frey nun als Aufsichtsratschef mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Lars Brzoska, der den Staplerhersteller seit 2014 kennt. Der 46 Jahre alte Betriebswirt war im Vorstand zunächst für das Vertriebsressort zuständig, ehe er im Sommer vergangenen Jahres den Technik-Bereich übernahm, für den Anfang 2020 die von Kion abgeworbene Sabine Neuß zuständig werden soll. Brzoska sei “der richtige Mann an der Spitze”, er kenne Jungheinrich aus verschiedenen Perspektiven, erklärte Aufsichtsratsmitglied Lange. Die enge Zusammenarbeit mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden sei “ein starkes Fundament für das weitere Wachstum des Unternehmens”.Neue mittelfristige Ziele hat Jungheinrich bislang nicht kommuniziert. In einem im März erschienenen Interview der Börsen-Zeitung hatte der damalige Vorstandschef Frey in Aussicht gestellt, dass Jungheinrich mittelfristig, in vier bis fünf Jahren, eine operative Rendite von 8 % erreichen könne (vgl. BZ vom 5. März). Für 2019 erwartet das Unternehmen nach der jüngsten Gewinnwarnung eine Ebit-Marge im Korridor von 6,0 bis 6,7 % statt zuvor 7,0 bis 7,4 %. Verlässlich bleibenFreys Nachfolger Brzoska betonte bei dem Empfang nach Hinweis auf große politische und weltwirtschaftliche Herausforderungen, Jungheinrich bleibe auch in diesen Zeiten und in Zukunft verlässlich. Als Kernziele für seine Zeit als Vorstandschef führte er ferner an, nachhaltig Werte für Kunden, Gesellschafter und Mitarbeiter schaffen sowie Innovationen, Digitalisierung und Automatisierung vorantreiben zu wollen.