Fürs Delisting keine Untergrenze
Von Walther Becker, FrankfurtVTG wird der elfte Fall, in dem die 2016 geänderten Vorschriften für ein Delisting angewendet werden. Bisher größte Transaktion ist der Pharmakonzern Stada gewesen. Die anderen betreffen kleinere Emittenten: Sinner, Rheintex, Vtion Wireless, Clere, MSG, Life, Ifao, Sachsenmilch, BDI Bioenergy und Isaria Wohnbau. Letztere war der erste Fall, der nach der Neuregelung des § 39 Börsengesetz durchgezogen wurde – und zwar in einem Aufwasch mit dem Übernahmeangebot, was der Gesetzgeber nicht so gerne sah.VTG hat noch 14 % Streubesitz und käme damit für einen Squeeze-out nicht in Frage. Für ein Delisting aber gibt es keine untere Schwelle, von der an ein solcher Rückzug von der Börse möglich ist. Gesellschaftsrechtler machen hier einen “Webfehler” im Gesetz aus. Aktuell ist Sullivan & Cromwell Rechtsberater. VTG setzt auf Hengeler Mueller. Bei Stada betrug der Streubesitz vor dem Delistingantrag 35 %. Dort lag der Preis 24 % höher als im Angebot für die Übernahme.Der Bundestag hatte 2015 das Gesetz zur Umsetzung der geänderten Transparenzrichtlinie beschlossen. Damit sollte der Anlegerschutz beim Widerruf der Zulassung eines Wertpapiers zum Handel am regulierten Markt verbessert werden. Das Verschwinden vom Kurszettel bedeutet für den Anteilseigner den Verlust der Handelbarkeit der Aktien im regulierten Markt. Nach Ankündigung des Delisting hat er zwar noch die Möglichkeit zu verkaufen, aber es kann herbe Kursverluste setzen. Deshalb gibt es nun eine Abfindung für die betroffenen Aktionäre – so wie es in der früheren Macroton-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hieß. Das Börsengesetz schreibt in § 39 vor, dass der Widerruf der Zulassung (Delisting) nicht dem Anlegerschutz widersprechen darf. Deshalb ist Voraussetzung ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere nach den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes samt begründeter Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Gegenleistung beziehungsweise Abfindung muss in der Regel mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten sechs Monate davor entsprechen. In Ausnahmen ist auch eine Unternehmensbewertung erforderlich.Anders als bei einer öffentlichen Übernahme muss der Vorstand des Zielunternehmens einen Antrag bei der Aufsicht BaFin stellen. Und ebenfalls im Unterschied zur Übernahme gibt es keine Konditionen, wie etwa das Erreichen einer bestimmten Annahmeschwelle – so kann auch keine definierte Höhe verfehlt werden, was Hedgefonds die Wette versalzt. Es gibt auch keine “Zaunkönigsfrist” nach der Annahmephase.Im Fall Stada, wo es einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gibt, der bei VTG nicht beabsichtigt ist, hat der Aktionär Anspruch auf eine Garantiedividende und kann alternativ seine Anteile zu dem festgelegten Betrag andienen. Der Morgan-Stanley-Fonds benötigt keinen Zugriff auf den Cash-flow und strebt daher auch keine Gewinnabführung an. Investoren in diese Assetklasse haben einen derart starken und längerfristig ausgerichteten Appetit auf Infrastruktur, dass die Finanzierung von VTG abseits des öffentlichen Marktes besser gesichert sei, zumal die Börse angesichts des Streubesitzes von nur 14 % für eine Kapitalerhöhung zu schwach ist und lediglich organisatorischen Mehraufwand verursache. Die Institutionellen mögen zudem keine volatile Mark-to-Market-Bewertung wie für börsennotierte Assets.