Fusion Linde mit Praxair geht in die heiße Phase
Linde und der US-Rivale Praxair kommen der Fusion näher. Anteilseigner des Dax-Konzerns können jetzt ihre Aktien bei der neuen Holding Linde plc einreichen. Die Frist läuft bis 24. Oktober. Bei einer Annahmequote unter 75 % kann das Vorhaben platzen.wb Frankfurt – Für die geplante Fusion von Linde und Praxair beginnt die entscheidende Phase: Seit gestern läuft für die Aktionäre des Dax-Konzerns die Annahmefrist des Tauschangebots der neuen Holdinggesellschaft Linde plc. Diese offeriert für jede Aktie 1,54 eigene Papiere. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat die Angebotsunterlage, die es auf ein Volumen von 1 337 Seiten bringt, akzeptiert. Für die Laufzeit, in der sich die Anteilseigner entscheiden können, haben die Beteiligten das Maximum des gesetzlich Möglichen ausgereizt: Die Annahmefrist endet am 24. Oktober. Auf den Tag genau ein Jahr später sollen die Genehmigungen und Auflagen der Behörden, insbesondere der Wettbewerbshüter, vorliegen.Mit 27 Mrd. Euro Umsatz, 66 Mrd. Euro Börsenwert und 80 000 Beschäftigten würde der neue Gasekonzern den französischen Rivalen Air Liquide als Weltmarktführer abhängen. “Unsere Aktionäre haben jetzt die historische Chance, aktiv ihre Aktien zu tauschen und sich so an einem neuen, globalen Gasekonzern zu beteiligen. Sie profitieren damit nicht nur von der unmittelbaren Wertsteigerung aus den erwarteten Synergien, sondern auch von den attraktiven Wachstumschancen des fusionierten Unternehmens”, trommelt Linde-Chef Aldo Belloni für das hierzulande umstrittene Vorhaben.Bieter ist “Linde Public Limited Company in The Priestley Centre, 10 Priestley Road, The Surrey Research Park, Guildford, Surrey im Vereinigten Königreich”. Die Mindestgegenleistung betrage 160,30 Euro je Aktie. Der Wert der Gegenleistung beträgt nach Berechnungen des Wirtschaftsprüfers EY auf 185,61 Euro je Aktie, wenn 100 % der Aktionäre mitziehen, und auf 186,77 Euro bei 75 %. Am Dienstag notierte die Aktie bei 163,30 Euro. In Dax und S & P 500″Praxair und Linde AG haben sich verpflichtet, vor Vollzug des Unternehmenszusammenschlusses gemeinsam nach besten Kräften die Einbeziehung von Linde-plc-Aktien in den S & P 500 und den Dax 30 anzustreben”, heißt es in der Angebotsunterlage. Linde plc erwarte, dass die eingereichten Linde-Aktien in den Dax aufgenommen werden, sobald die plc eine Annahmequote von mindestens 50 % meldet. Linde hat 185,64 Millionen Aktien, was bei dem Austauschverhältnis von 1,54 gut 285,88 Millionen plc-Titeln entspricht. Praxair, die 1:1 tauscht, hat 291,85 Millionen Papiere, so dass die plc beim Tausch von 100 % auf 577,75 Millionen Aktien käme.Während die Praxair-Anteilseigner über den Deal am 27. September abstimmen, können die Linde-Aktionäre nur entweder auf das Angebot eingehen oder es lassen. Bei einer Annahmequote unter 75 % könnte der Plan platzen. Auf zwei Gruppen kommt es daher nun an: passiv investierende Exchange Traded Funds (ETF), die als Indexfonds erst tendern dürfen, wenn eine Transaktion durch ist. Ihr Anteil bei Linde nicht bekannt, doch liegt die Größenordnung der ETF im Dax um 30 %. Share for ShareDie zweite Gruppe bilden die Hedgefonds, die sich bislang nach Angaben aus Finanzkreisen aber kaum munitioniert haben. Und mit dem Kniff, dass einreichende Investoren nicht unbedingt Bares, sondern auch Aktien der neuen Linde erhalten können, soll diese Spezies, die vielfach in M & A-Transaktionen mit Störmanövern ihren Reibach macht, abgeschreckt werden. Denn eine “Share for Share Offer” also mit Aktien als Gegenleistung, schmeckt Hedgefonds nicht, da unklar ist, wie sie später handeln und wie lukrativ sie abgestoßen werden können.Auf der Werbetour bei Institutionellen soll Belloni keinen Widerstand gegen die Transaktion gespürt haben. Als größere Aktionäre sind BlackRock mit 5,37 %, Dodge & Cox mit 3,01 %, Eric Mandelblatt mit 5,33 %, Massachusetts Financial Services mit 4,98 % und Norwegens Staatsfonds mit 5,14 % identifiziert. Nach verfügbaren Daten kommt Linde (100 % Streubesitz) auf 91 % Auslandsinvestoren im institutionellen Anteil. Private Anleger stehen für eine sehr kleine Minderheit. Anfang Juni hatte der Linde-Aufsichtsrat dem Zusammenschluss zugestimmt. Die Aktionäre beider Seiten sollen je die Hälfte der Anteile am neuen Konzern halten. Praxair-Chef Steve Angel soll den fusionierten Konzern vom bisherigen Praxair-Standort Danbury (Connecticut) aus führen. Linde hatte die Möglichkeit, auch Arbeitnehmervertreter in den Board zu entsenden, schickt aber allein die Kapitalseite des Aufsichtsrates dorthin.Die Genehmigung der Wettbewerbshüter steht noch aus. Hier gilt ein Verkauf von Assets von mehr als 3,7 Mrd. Dollar Umsatz, 13 % des Gesamtgeschäfts, als Schmerzgrenze. Divestments spielen Mittel für den Schuldenabbau ein. Mit Interessenten gibt es dem Vernehmen nach Gespräche. Credit Suisse berät Praxair, Morgan Stanley und Perella Weinberg begleiten Linde.Nach zähem Ringen hatte der Linde-Aufsichtsrat Anfang Juni 2017 dem von Linde und Praxair erarbeiteten Business Combination Agreement mit knapper Mehrheit zugestimmt. Das Closing der Transaktion ist für das zweite Halbjahr 2018 vorgesehen. Strukturiert ist der Deal als Zusammenschluss unter Gleichen per Aktientausch. Ein Zusammengehen hatte anfänglich Praxair durchgespielt, und zwar diskutierte deren Board darüber schon am 23. Februar 2016. Die Historie geht aus der Angebotsunterlage ab Seite 274 hervor (Originaldokument via QR-Code).Für die Umstrukturierung behält sich die Linde plc mehrere Varianten vor: Werden mindestens 75, aber weniger als 90 % der Aktien angedient, ist ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag mit der Linde AG angepeilt. Erhält sie mindestens 90, aber weniger als 95 %, soll es einen umwandlungsrechtlichen Squeeze-out geben. Werden mindestens 95 % abgeliefert, ist der aktienrechtliche oder übernahmerechtliche Squeeze-out ins Auge gefasst. Zusätzlich oder alternativ kann es auch ein Delisting geben.—– Wertberichtigt Seite 6- Personen Seite 12