Fusion von Siemens mit Alstom geht in heiße Phase
Von Michael Flämig, MünchenDas Tauziehen um den Zusammenschluss der Siemens-Bahntechnik mit Alstom geht in die heiße Phase. Bis zum 12. Dezember müssen die Münchner der EU-Kommission konkrete Zugeständnisse unterbreiten. Ihr Ziel: Den Wettbewerbshütern trotz deren großen Bedenken doch noch eine Zustimmung zu dem Projekt abzuringen. In den Gesprächen wird nun abgeklopft, welche Konzernteile zu verkaufen sind. Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser hatte bereits Anfang November seine grundsätzliche Bereitschaft dazu erklärt. Er sprach auf der Jahrespressekonferenz von Konzessionen und davon, “dass wir diese Geschäfte dann in bestimmten Regionen verkaufen”.Klar ist: Das ursprüngliche Argument von Siemens und Alstom, dass ein europäischer Champion der Bahntechnik notwendig ist und nur so der chinesische Branchenriese CRRC in Schach gehalten werden kann, verfängt nicht bei der EU-Kommission. Die Kartellbehörde beschied schon im Juli kühl, dass es zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich sei, dass insbesondere chinesische Anbieter in absehbarer Zukunft in die EU-Märkte für rollendes Material und Signaltechniklösungen vordringen würden. Wirtschaftspolitik kein ThemaMan habe gute Argumente, wenn man die Konstellation aus einem globalen Markt heraus, sogar aus einem europäischen Markt heraus analysiere, hält Kaeser zwar unverändert dagegen. Durch andere Zusammenschlüsse verstärkten sich Wettbewerbsdynamiken global: “Das sehen wir, in Teilen wissen wir das sogar.” Aber zugleich lässt Kaeser durch die Blume erkennen, dass der Konzern sich in Brüssel verkalkuliert hat: “Nun darf man natürlich den Fehler nicht machen, Wirtschaftspolitik mit Wettbewerbspolitik zu vermischen, zu verwechseln.” Daher müsse man eben vorsichtig sein, wenn man die Argumente gegenüber der Wettbewerbskommission formuliere.Tempi passati. Die Kernfrage lautet mittlerweile: Welche Aktivitäten sind Siemens und Alstom bereit abzugeben? Schließlich wollen sie das fusionierte Unternehmen nicht zu stark schwächen. Die EU-Kommission zielt sowohl auf Züge als auch auf die Signaltechnik.Einerseits sind ihr die Hochgeschwindigkeitszüge ein Dorn im Auge. Denn die Kombination von ICE und TGV würde einen Marktführer im Europa und weltweit schaffen, der mehr als dreimal so groß wäre wie sein engster Wettbewerber, bemängelte die Kommission schon im Juli. Andererseits verlangt sie Zugeständnisse bei der Signaltechnik. Der Marktanteil des neuen Unternehmens Siemens Alstom übersteige jenen des größten Konkurrenten um das Dreifache: “Auch müsste es wohl nicht mit nennenswertem Wettbewerbsdruck rechnen.”Für Siemens steht viel auf dem Spiel: Der Konzern will sich auch in der Bahntechnik Optionen schaffen, um seine Aufstellung flexibel managen zu können. Eine Fusion der Siemens Bahntechnik mit Alstom sei jener Ausweg, “der praktisch in jeder Beziehung – unternehmenspolitisch, strategisch und im Übrigen auch wirtschaftspolitisch – Sinn macht”, lobte denn auch Kaeser. Einen Seitenhieb konnte er sich angesichts dieser Ausgangslage nicht verkneifen: China habe den Zusammenschluss ohne jede Auflage genehmigt, obwohl ein chinesisches Unternehmen davon am stärksten betroffen sein würde: “Auch eine ganz interessante Erkenntnis.” In den Vereinigten Staaten habe man ähnliche Freigaben. Die EU-Kommission wird nun voraussichtlich Ende Januar entscheiden.Hat Siemens einen Plan B? Für den Fall, dass die Fusion nicht gelinge in einer Weise, die Siemens richtig erscheine, habe Siemens das beste Mobilitätsunternehmen der Welt, sagte Kaeser Anfang November: “Alleine das ist schon mal ein Plan.” Da gebe es noch ganz andere, wenn man sich damit befassen würde, fügte er hinzu. Auf WachstumskursDie Siemens Bahntechnik erhöhte den Umsatz im vergangenen Jahr auf vergleichbarer Basis um 11 % auf 8,8 Mrd. Euro und steigerte die operative Marge von 9,2 % auf 10,0 %. “Wir haben eine Mobilitätssparte bei Siemens, die so stark ist wie noch nie”, lautete die Bilanz von Kaeser. “Sie ist die am stärksten vertikal integrierte Unternehmung in der Branche.” Mit Rolling Stock, Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung decke sie alle wesentlichen Bereiche ab: “Wir können als Einzige diese vier Elemente integrieren und zu einem Kundennutzen zusammenfassen.”