GastbeitragLuftfahrt

Luftfahrt braucht riesige Investitionen in nachhaltige Kraftstoffe

Um die eigene Zukunft zu sichern, muss die Luftfahrt klimaneutral werden. Ohne riesige Investitionen in nachhaltige Kraftstoffe wird das nicht gelingen.

Luftfahrt braucht riesige Investitionen in nachhaltige Kraftstoffe

Gastbeitrag

Die Zukunft der Luftfahrt hängt an ihrer Finanzierbarkeit

Um die eigene Zukunft zu sichern, muss die Luftfahrt klimaneutral werden. Ohne riesige Investitionen in nachhaltige Kraftstoffe wird das nicht gelingen.

Von Philipp Goedeking und Peter Smeets

Es besteht kein Zweifel: Der Luftverkehr ist unverzichtbar für globale Warenströme und den Kontakt zwischen Menschen weltweit. Allerdings wächst der Luftverkehr schneller, als wir seine klimaschädlichen Emissionen reduzieren können. Das ist heute das Kernproblem dieser Branche.

Philipp Goedeking ist Geschäftsführer der Avinomics Consulting GmbH, Peter Smeets ist Geschäftsführer der 360 Asset Finance GmbH, beide engagieren sich in der Initiative Impact für nachhaltige Luftfahrt.

Die EU hat mit dem EU Sustainability Finance Framework ein Gesetzespaket erlassen, das Unternehmen und die Finanzindustrie im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zu Transparenz und Maßnahmen verpflichtet, um so die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad halten zu können.

Kein Net Zero ohne SAF

Für die Luftfahrtbranche bedeutet dies vor allem den Bau und Betrieb von Produktionsanlagen für nicht fossile Treibstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF). Milliardenschwere Investitionen in moderne Flugzeuge, Motoren, Infrastrukturen, digitale Prozesse und anderes mehr kommen hinzu. Aber die Verfügbarkeit von SAF ist der entscheidende Faktor, um die Klimaziele erreichen und so die Zukunft der Luftfahrt sichern zu können. Die EU setzt hierzu klare Leitplanken: Die Initiative Refuel EU Aviation schreibt den Airlines Beimischungsquoten von zunächst 2% im Jahr 2025 bis zu 70% im Jahr 2050 vor. Gleichzeitig werden die Herstellunternehmen verpflichtet, diese Mengen auch bereitzustellen.

Alle sind sich einig, dass SAF der entscheidende Weg für die Luftfahrt Richtung Klimaneutralität bis 2050 ist. Jedoch: SAF ist heute kaum verfügbar, und selbst die in Planung befindlichen Produktionsanlagen werden nur einen Bruchteil der weltweit benötigten Menge abdecken. Um eine global ausreichende SAF-Produktionslandschaft aufzubauen, sind jährliche Investitionen von etwa 150 Mrd. Euro notwendig. Die Finanzierung eines solch ungeheuren Volumens ist an vier zentrale Voraussetzungen gebunden. Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt werden kann, rücken die Klimaziele des Luftverkehrs in unerreichbare Ferne.

Versorgungslücke

Finanzierbarkeit erfordert verlässliche Größenvorteile: Künftig werden voraussichtlich 350 bis 500 Mill. Tonnen SAF pro Jahr benötigt. Die Produktionskapazität für SAF weltweit beträgt heute knapp 0,3 Mill. Tonnen, es ist also eine Skalierung um einen Faktor größer 1.000 nötig. Die Versorgungslücke hat verschiedene Ursachen. So bleibt bisher unklar, welche biologischen Rohstoffe für die SAF-Produktion genutzt werden dürfen und bei welchen nur ein Umweltübel gegen ein anderes getauscht würde. Die Produktion von strombasiertem Kerosin, auch Power-to-Liquid oder E-Fuels genannt, verharrt technologisch noch immer im Stadium kleiner Versuchsanlagen. Der Anbietermarkt ist für Investoren noch viel zu fragmentiert, um Größenvorteile erschließen zu können. Diese und andere Unsicherheiten führen dazu, dass Projektfinanzierungen für SAF-Anlagen heute noch zu riskant sind und die Investitionen für einen Markthochlauf fehlen. Es ist die Aufgabe der Politik, sogenannte Break-through-Anlagen zu fördern, um die Technologie zu erproben und zu skalieren.

Peter Smeets und Philipp Goedeking, Foto privat

Stabiler Zugang zu erneuerbaren Energien muss sichergestellt werden: Die Herstellung nachhaltiger Treibstoffe ist nur unter Verwendung ausschließlich erneuerbarer Energien sinnvoll. In Europa ist das kaum möglich: Weder verfügt Europa über ausreichend Biomasse, noch ist die Stromerzeugung durch erneuerbare Energie hier so verlässlich oder annähernd so günstig wie in Ländern im Mittleren Osten, Afrika oder Asien. Das bedeutet, dass genauso wie die Lösung des Klimawandels auch der Aufbau einer nicht fossilen Energiewirtschaft nur im globalen Maßstab gelingen kann. Es bedarf der weltweiten Partnerschaften zur Energieerzeugung.

Schlechte Bonität

Investitionen müssen mit mehr Abnahmesicherheit unterlegt werden: In den vergangenen zehn Jahren machten die Kosten für Treibstoffe etwa ein Viertel der Gesamtkosten von Airlines aus. SAF werden zu einer massiven Kostensteigerung führen. Diese Zusatzkosten müssen zumindest teilweise an die Kunden weitergereicht werden. Preissteigerungen in dieser Dimension würden die Nachfrage deutlich dämpfen, was umgekehrt den Spielraum für höhere Ticketpreise und Frachtraten beschränkt. Die Airlines aber können die verbleibenden Kosten nicht stemmen: Ihre Bonität ist in weiten Teilen Non-Investment-Grade. Damit sind Abnahmeverträge von Airlines für SAF kaum als Sicherheit nutzbar. SAF, so muss leider festgestellt werden, ist in dieser Gemengelage auf lange Sicht nicht "bankable". Ohne staatliche Unterstützung wird dieses Dilemma nicht aufzulösen sein.

Langfristig verlässliche Regulierung: SAF ist klimapolitisch zwar unverzichtbar, aber derzeit noch ohne echten "Business Case", da es drei- bis zehnmal so teuer ist wie das fossile Konkurrenzprodukt. Derzeit ist SAF regulatorisch erzwungen und die Nichtinverkehrbringung und die Nichtnutzung sind ab 2025 mit einer Pönale unterlegt. Welche Bank, welcher Investor kann darauf vertrauen, dass sich der Regulierungsrahmen für ein Produkt als stabil erweist, dessen Markthochlauf nur sehr zögerlich voranschreitet? Dessen gesetzliche Beimischungsquoten möglicherweise kaum erfüllbar sind und andererseits zur Erreichung der Klimaziele vermutlich nicht einmal ausreichen werden, und das gleichzeitig im Vergleich zu fossilem Kerosin höchst unwirtschaftlich ist? Als habe der Gesetzgeber die Schwierigkeiten beim Markthochlauf geahnt, ermöglichen die EU-Vorschriften die Befreiung bei "schwerwiegenden und wiederkehrenden betrieblichen Schwierigkeiten oder strukturellen Schwierigkeiten bei der Treibstoffversorgung". Dieses Einfallstor wäre das sichere Ende für größere Investitionen in ein Produkt, das per Stand heute eher eine unternehmerische Pionieraufgabe denn ein renditeträchtiges Geschäft darstellt. Investitionen in SAF-Anlagen brauchen die Sicherheit einer stabilen und langfristigen Regulierung. Diese Sicherheit für ihre eigene Regulierung kann nur die Politik schaffen.

Möglich und gewollt

An nicht fossilen Treibstoffen führt kein Weg vorbei, wenn der Luftverkehr seine Daseinsberechtigung langfristig erhalten will. Nicht fossile Treibstoffe sind technologisch möglich und politisch gewollt. Aber damit ein selbst laufender Investitionskreislauf entsteht, müssen die obigen Voraussetzungen geschaffen werden. Jede einzeln und alle zusammen. Wenn SAF gelingen soll, müssen alle Hebel von Markt und Wettbewerb in Gang gesetzt werden. An der Finanzwirtschaft wird Net Zero in der Luftfahrt nicht scheitern.