Industrieikone erfindet sich neu

GE Aerospace startet nach Aufspaltung durch

Die seit Anfang April eigenständige GE Aerospace hat im ersten Quartal ein Auftragsplus und einen Gewinnsprung vermeldet. Nun hebt die Nachfolgerin der alten General Electric die Prognose für das Gesamtjahr an – und profitiert von der Krise bei Boeing.

GE Aerospace startet nach Aufspaltung durch

GE Aerospace startet nach Aufspaltung durch

Triebwerkshersteller hebt nach Auftragsplus Prognose an – Aktionäre reagieren euphorisiert auf „Neubeginn“ von Industrieikone

Die seit Anfang April eigenständige GE Aerospace hat im ersten Quartal ein deutliches Auftragsplus und einen Sprung des operativen Gewinns vermeldet. Nun hebt die Nachfolgerin der alten General Electric die Prognose für das Gesamtjahr an. Dabei profitiert sie auch von der Krise beim Flugzeugbauer Boeing.

xaw New York

Eine neue Ära bei der über lange Jahre gebeutelten Industrieikone General Electric startet erfolgreich: Die seit Anfang April eigenständige Triebwerkssparte GE Aerospace hat im ersten Quartal die Erwartungen der Wall Street übertroffen. Bei der ersten Zahlenvorlage nach dem Spin-off der Energietechnikeinheit GE Vernova vermeldete das Unternehmen nun einen Auftragsanstieg um 34%, der sich in einem Umsatzplus um 15% auf 8,1 Mrd. Dollar niederschlug.

Unter Einbezug der abgespaltenen Vernova kletterten die Erlöse um 11% auf 16,1 Mrd. Dollar – vom Datendienst Factset befragte Analysten hatten im Konsens mit 15,25 Mrd. Dollar gerechnet. Der um Einmaleffekte bereinigte Gewinn des Konglomerats in seiner alten Form fiel mit 82 Cent ebenfalls deutlich besser aus als die an der Wall Street prognostizierten 65 Cent. Der operative Gewinn der Aerospace-Gesellschaft zog unterdessen um nahezu ein Viertel auf 1,5 Mrd. Dollar an.

Ausblick angehoben

Angesichts einer starken Entwicklung im Geschäft mit Ersatzteilen und Wartungsdienstleistungen für Fluggesellschaften hat GE Aerospace nun zudem den Ausblick für das Gesamtjahr angehoben. Das Unternehmen rechnet nun mit einem operativen Überschuss von
6,2 bis 6,6 Mrd. Dollar, zuvor hatte die Zielspanne auf 6 bis 6,5 Mrd. Dollar gelautet. Zudem peilt die rechtliche Nachfolgerin der alten General Electric einen bereinigten Gewinn von 3,80 bis 4,05 Dollar pro Aktie und einen freien Cashflow von mehr als 5 Mrd. Dollar an. Die Anleger reagierten im frühen New Yorker Handel am Dienstag euphorisiert auf den von CEO H. Lawrence Culp beschworenen „Neubeginn“ für die Industrieikone: Die Aktie legte nach Eröffnung an der Wall Street zeitweise um 7,5% zu.

Der 1963 geborene, häufig nur „Larry“ gerufene Culp, der 24 Jahre lang im Mischkonzern Danaher aktiv war, trat 2018 mit einer klaren Aufgabe bei GE an. Er sollte dem Aktienkurs des Konglomerats, der sich nie wirklich von den Verwerfungen der Finanzkrise 2008 und strategischen Fehlschlägen unter seinem Vorvorgänger Jeff Immelt erholt hatte, endlich neuen Schwung verleihen.

Drastische Maßnahmen benötigt

Unter Immelt stieß der Konzern mit seinem Banking-Arm GE Capital zunehmend in riskantere Marktsegmente vor und verstrickte sich ins Hypothekengeschäft. Nachdem die US-Immobilienblase platzte, retteten Warren Buffett und andere Investoren GE Capital zunächst durch eine 12 Mrd. Dollar schwere Finanzspritze, schließlich benötigte der Finanzriese aber einen 139 Mrd. Dollar schweren staatlichen Bail-out. Die Probleme im Gesamtkonzern verstärkten sich durch schlecht getimte Zukäufe im Energiegeschäft.

Auch Immelts Nachfolger John Flannery scheiterte daran, die einst für ihre Stabilität gerühmte Dividende von GE zu retten. Mit Culp übernahm darauf der erste Vorstandschef der Firmengeschichte das Steuer, der zuvor nicht in anderer Funktion für die Industrieikone gearbeitet hatte. Um das am Boden liegende Schwergewicht, das mit einem hohen Schuldenberg und einem Vertrauensverlust der Anleger konfrontiert war, auf die Beine zu bringen, musste der „Outsider“ zu drastischen Maßnahmen greifen.

Im Januar des vergangenen Jahres schloss General Electric den Spin-off der Healthcare-Sparte ab, die seither als eigenständiger Wert an der Nasdaq notiert. Zwischen der Trennung vom Konglomerat und Dienstagmittag New Yorker Zeit legte die Aktie von GE Healthcare um rund 55% zu. Culp setzt nun, da auch das Vernova-Spinoff abgeschlossen ist, auf schnellere Entscheidungsprozesse innerhalb der neuen Unternehmen, die somit flexibler auf Veränderungen im Markt und der Kundennachfrage reagieren könnten. Zudem folgte der CEO, der sich nun auf GE Aerospace konzentriert, bei seiner Strategie der Theorie, dass die drei neuen Gesellschaften einzeln höhere Bewertungen erzielen können als im Verbund.

Vorteile im Wettbewerb mit MTU

GE Aerospace steht im Wettbewerb mit der in Connecticut ansässigen Pratt & Whitney und damit auch deren Münchener Partnerin MTU Aero Engines. Materialprobleme der Amerikaner und resultierende Rückrufe hatten auch dem deutschen Unternehmen 2023 einen Kursrutsch beschert. Für GE Aerospace fällt die Analystenstimmung derweil ausgesprochen positiv aus: In der Datenbank von Refinitiv findet sich keine einzige Verkaufsempfehlung für die Aktie. Dagegen votieren insgesamt 15 Investmenthäuser auf „Kaufen“ – davon fünf mit besonderem Nachdruck – und drei auf „Halten“.

Morgan Stanley verweist auf Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz und starke Kundenbeziehungen. So setzen die meisten Abnehmer beim Airbus-Verkaufsschlager A320neo auf das CFM-Triebwerk von GE Aerospace und der französischen Safran. Zugleich sorgt die Krise bei Boeing, die nach Qualitätsproblemen weniger Maschinen ihrer Cashcow 737 Max ausliefern kann, für einen höheren Bedarf an Ersatzteilen und -Wartung für alte Flugzeuge – eine zusätzliche Stütze für die neu belebte Industrieikone GE.

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