Wirtschaftsprüfer

Gerichtliche Bestellung kein Ausweg für Adler

Bei der Suche nach einem Wirtschaftsprüfer baut der Immobilienkonzern Adler nun auf Unterstützung des Amtsgerichts. Welche Erfolgsaussichten hat dieser Weg?

Gerichtliche Bestellung kein Ausweg für Adler

Große und mittelgroße Kapitalgesellschaften, GmbH & Co. KGs und unter das Publizitätsgesetz fallende Personengesellschaften müssen Jahresabschluss und Lagebericht prüfen lassen; hat keine Prüfung stattgefunden, kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). Abschlussprüfer können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein (§ 319 Abs. 1 HGB). Bei Aktiengesellschaften wird der Abschlussprüfer durch die Hauptversammlung gewählt (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG), der Prüfungsauftrag wird ihm durch den Aufsichtsrat erteilt (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Nicht durch die vom Gesetz auch als „Bestellung“ bezeichnete Wahl, sondern erst mit der Annahme des Prüfungsauftrags erlangt der gewählte Wirtschaftsprüfer die Stellung als Abschlussprüfer.

Es kommt (aufgrund von Vorabsprachen) so gut wie nie vor, dass ein gewählter Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag nicht annimmt. Völlig neu in der gesamten, seit der Notverordnung des Reichspräsidenten aus dem Jahre 1931 datierenden Geschichte des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer ist die Situation der Adler Group. Weder die Luxemburger Holdinggesellschaft noch die ebenfalls börsennotierte deutsche Tochtergesellschaft sind trotz öffentlicher Ausschreibung und intensiver Direktansprachen in der Lage, einen zur Annahme des Prüfungsauftrags bereiten Wirtschaftsprüfer zu finden. Hilfe erhofft sich die Adler Real Estate AG nun vom Amtsgericht, bei dem sie die Bestellung eines Abschlussprüfers beantragt und eine „Shortlist“ hinterlegt hat (BZ vom 31. August und 29. November).

Ob die gerichtliche Bestellung ein Ausweg aus der verfahrenen Situation sein könnte, ist allerdings fraglich. Zwar kann das Amtsgericht gem. § 318 Abs. 4 HGB auf Antrag in der Tat einen Abschlussprüfer bestellen, wenn ein Prüfer nicht rechtzeitig gewählt worden ist oder ein gewählter Abschlussprüfer die Annahme des Prüfungsauftrags abgelehnt hat. Die Antragsvoraussetzungen liegen im Fall Adler vor. Und es ist durchaus denkbar, dass das Gericht dem Antrag entspricht (auch wenn die Gerichte üblicherweise nur Wirtschaftsprüfer bestellen, die ihre Bereitschaft zur Mandatsübernahme vorab erklärt haben).

Der Pferdefuß dieses Verfahrens liegt aber in den Rechtsfolgen der gerichtlichen Entscheidung: Der Beschluss des Gerichts ersetzt zwar die Wahl durch die Hauptversammlung und unter Umständen auch die Beauftragung durch die Gesellschaft, nicht jedoch die Auftragsannahme durch den Wirtschaftsprüfer.

Wie im „regulären“ Fall der Wahl erlangt er die Stellung als Abschlussprüfer nicht ohne seine Mitwirkung und gegen seinen Willen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum ein Wirtschaftsprüfer nach gerichtlicher Bestellung zur Übernahme des Mandats bereit sein sollte, wenn er dieses im Rahmen unmittelbar mit der Gesellschaft geführter Gespräche abgelehnt hatte.

Kontrahierungszwang?

Die entscheidende – und nicht im Verfahren der gerichtlichen Bestellung nach § 318 Abs. 4 HGB zu klärende – Frage ist daher, ob ein Wirtschaftsprüfer unter Umständen einem Kontrahierungszwang unterliegt, also zur Annahme eines ihm angetragenen Prüfungsauftrags verpflichtet ist. Die Regelung der Berufspflichten in der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) scheint auf den ersten Blick dagegen zu sprechen. Denn es findet sich lediglich eine Bestimmung in § 51 WPO, die den Wirtschaftsprüfer zu unverzüglicher Erklärung verpflichtet, wenn er einen Auftrag nicht annehmen will.

Aus dieser – für alle Tätigkeitsbereiche des Wirtschaftsprüfers geltenden – Bestimmung ergibt sich eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags gerade nicht. Aber kann es tatsächlich sein, dass das Gesetz eine Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zwingend vorschreibt, aber ein Unternehmen (trotz Zahlungsbereitschaft) keinen Prüfer findet?

Für den Sonderfall der Prüfung großer börsennotierter Gesellschaften (wie im Fall Adler Group) greift zulasten der Big 4 (PwC, EY, KPMG und Deloitte) die Oligopolvermutung des § 18 Abs. 6 Nr. 2 GWB. Stellt sich die Verweigerung der Mandatsübernahme als missbräuchliches Verhalten eines dieser gemeinsam marktbeherrschenden Unternehmen dar, kann sich aus § 33 GWB ein Anspruch auf Belieferung, d.h. konkret Abschluss eines Prüfungsvertrages ergeben. Aber auch die Berufsrechte der Rechtsanwälte und der Notare kennen die Pflicht zur Mandatsübernahme.

Nach § 48 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind Rechtsanwälte in bestimmten Fällen der gerichtlichen Beiordnung im Zivilprozess und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Mandatsübernahme verpflichtet. Ebenso verpflichtet § 49 BRAO zur Übernahme von Pflichtverteidigungen, deren Notwendigkeit sich aus den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) und anderer Gesetze ergibt.

Unter Eingriff in die sonst auch für Anwälte bestehende Berufsfreiheit wird hierdurch ein Kontrahierungszwang begründet. Auch für Notare besteht im Rahmen der ihnen als gesetzliche Vorbehaltsaufgabe zugewiesenen Beurkundungen (die wiederum in vielen Fällen gesetzlich verpflichtend sind) ein Kontrahierungszwang. Gemäß § 15 Bundesnotarordnung (BNotO) darf ein Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Der Begriff des „ausreichenden Grundes“ wird im Berufsstand der Notare zu Recht sehr restriktiv ausgelegt.

Als Abschlussprüfer ist der Wirtschaftsprüfer – mit den Worten des Bundesgerichtshofs – ein „unparteiischer und unbeteiligter Dritter“ mit „öffentlicher Funktion“. Vergleichbar nicht dem beigeordneten Rechtsanwalt, sondern dem ebenfalls von Gesetzes wegen unparteiischen Notar, ist er „öffentlich eingebunden“, wie das Bundesverfassungsgericht aus der öffentlichen Bestellung (§ 1 WPO), dem Berufseid (§ 17 WPO), der Pflicht zur Siegelführung (§ 48 WPO) und der Berufsaufsicht durch die Wirtschaftsprüferkammer zutreffend abgeleitet hat.

Angesichts der Vergleichbarkeit sowohl des Amtes als auch der Situation (einerseits Notwendigkeit bei Beurkundungspflicht, einen Notar zu finden, andererseits Notwendigkeit bei Prüfungspflicht, einen Abschlussprüfer zu finden) und der in der Wirtschaftsprüferordnung ganz offensichtlich bestehenden Regelungslücke liegt es nahe, § 15 BNotO im Bereich gesetzlicher Pflichtprüfungen auf die Wirtschaftsprüfer analog anzuwenden.

Wirtschaftsprüferkammer

Folgt man diesem Ansatz, so darf sich ein Wirtschaftsprüfer (bzw. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) nicht ohne ausreichenden Grund weigern, einen Prüfungsauftrag anzunehmen. Ein solcher Kontrahierungszwang kann nicht über das gerichtliche Ersetzungsverfahren gem. § 318 Abs. 4 HGB durchgesetzt werden. Möglich wäre eine zivilprozessuale Feststellungsklage; ob in einem solchen Verfahren Eilrechtsschutz erlangt werden könnte, ist fraglich.

Näherliegend ist die Einschaltung der Wirtschaftsprüferkammer. Zu deren Aufgaben gehört es, bei Streitigkeiten zwischen Wirtschaftsprüfern und ihren Auftraggebern zu vermitteln (§ 57 Abs. 2 WPO). Lehnt ein Wirtschaftsprüfer pflichtwidrig eine Auftragsannahme ab, kann die Wirtschaftsprüferkammer durch Untersagungsverfügung die Aufrechterhaltung dieses pflichtwidrigen Verhaltens untersagen (§ 68a Satz 1 WPO) und dies durch vorläufige Untersagungsverfügung (§ 68b WPO) auch schon vor Rechtskraft der Untersagungsverfügung durchsetzen.

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