Gerresheimer fährt Investitionen hoch
ak Düsseldorf – Der neue Gerresheimer-Chef Dietmar Siemssen will mit zwei Jahren verstärkter Investitionen den Hersteller komplexer Pharmaverpackungen auf mehr Wachstum trimmen. Dafür nimmt der Konzern kurzfristig einen Margenrückgang in Kauf. In den Jahren 2019 und 2020 will Siemssen die Investitionen auf 12 % der Umsätze zu konstanten Wechselkursen hochfahren. Danach sollen sie wieder auf das bisherige Niveau von 8 % sinken.Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt zeigte sich der neue CEO angriffslustig. Er habe ein starkes Unternehmen mit einer soliden Basis vorgefunden, das viel Potenzial habe und Marktanteile gewinnen wolle: “Wir werden von einem Anbieter von Produkten zu einem Systemanbieter.” Vor allem die neue Sparte Advanced Technologies mit der im vergangenen Jahr übernommenen Sensile Medical ist der Hoffnungsträger. Gerresheimer steigt mit dem Zukauf in digitale Anwendungen ein. Die neue schweizerische Tochter hat ein vernetzte Mikropumpe für die regelmäßige Darreichung von Medikamenten entwickelt.Doch genau aus dieser Ecke kam auch der erste Rückschlag für Siemssen: Der erste signifikante Kunde von Sensile, das US-Pharmaunternehmen SC Pharmaceuticals, ist vor wenigen Tagen abgesprungen. Zu den Gründen habe Gerresheimer “keine klare Antwort bekommen”, sagte Siemssen. “Es gab keinerlei Indikationen, und die Absage hat uns definitiv überrascht.” An der Technik der Pumpe, die seit September in einer kleineren Anwendung (Parkinson) am Markt ist, habe es keine Kritik gegeben. “Wir haben eine Technologie gekauft, nicht die Kunden”, ergänzte Finanzchef Rainer Beaujean. Ein Gutes hat der Absprung von SC Pharma auch: Er mindert den Kaufpreis für Sensile Medical um 90 Mill. auf 260 Mill. Euro. Ein Impairment, das betonte Beaujean, sei nicht nötig gewesen. SC Pharma war eines von fünf bislang geplanten Kundenprojekten.Durch die gesparten 90 Mill. Euro wird der Spielraum für weitere Zukäufe laut Siemssen auch wieder etwas größer. Gerresheimer rechnet schon in diesem Jahr damit, wieder in die Gegend des langfristig angepeilten Verschuldungsgrads von 2,5 (Nettofinanzverbindlichkeiten im Verhältnis zum bereinigten Ebitda) zu kommen. “Wir marschieren mit sehr offenen Augen durch den Markt”, sagte Siemssen.Der Fehlschlag mit SC Pharma soll ein Einzelfall bleiben: Ganz fest rechnet der Konzernchef mit dem Erfolg des Auftrags von Sanofi, bei dem die Sensile-Mikropumpe für die Insulingabe bei Diabetes-II-Patienten eingesetzt werden soll. Hier ist die Google-Tochter Verily mit an Bord. Umsätze sind von 2021 an geplant.Im vergangenen Jahr hat Gerresheimer die Finanzziele, die der Konzern währungsbereinigt, erreicht. Der Umsatz landete bei 1,37 Mrd. Euro, ohne Währungsbelastungen wäre er 39 Mill. Euro höher ausgefallen. Auf das bereinigte Ebitda von 299 Mill. Euro drückten negative Wechselkurseffekte von 9 Mill. Euro.Für das laufende Jahr geht Gerresheimer von einem währungsbereinigten Umsatz zwischen 1,4 und 1,45 Mrd. Euro aus. Das bereinigte Ebitda könnte sich leicht auf 295 Mill. Euro verringern. Für das kommende Geschäftsjahr prognostiziert der Vorstand eine operative Marge (auf Basis des bereinigten Ebitda) von 21 %. Sie soll sich in den darauf folgenden zwei Jahren auf 23 % erhöhen. Für die Jahre 2020 bis 2022 peilt der Konzern ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum zwischen 4 und 7 % an.Der Dividendenvorschlag von 1,15 Euro für das vergangene Jahr bewegt sich am unteren Ende des Korridors, nach dem Gerresheimer 20 bis 30 % des bereinigten Konzernergebnisses ausschüttet. In dieser Spanne will sich das MDax-Unternehmen auch künftig bewegen.—– Personen Seite 16