Glasfaserkrise lässt bei den Banken die Alarmglocken läuten
Glasfaserkrise lässt bei den Banken die Alarmglocken läuten
Die Krise im deutschen Glasfasermarkt spitzt sich weiter zu. Nicht nur die Deutsche Glasfaser ringt mit ihren Gläubigern um ein neues Finanzierungskonzept, auch zahlreiche kleinere Anbieter müssen feststellen, dass die geschäftliche Entwicklung hinter den Erwartungen zurückbleibt und gleichzeitig die Kosten aus dem Ruder laufen. Vor diesem Hintergrund räumt auch der Branchenverband VATM, der die Konkurrenten der Deutschen Telekom vertritt, ein, dass die anstehenden Refinanzierungsverhandlungen für viele Unternehmen „herausfordernd werden“, wie VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer der Börsen-Zeitung sagte. Der Verband mahnt „bessere Rahmenbedingungen“ für den Übergang der Festnetzinfrastruktur von Kupfer zu Glasfaser an und hebt zugleich die Leistung der Wettbewerber im eigenwirtschaftlichen Ausbau hervor.

Dem Bericht des Bundesdigitalministeriums (BMDS) zufolge fällt der durchschnittliche Ausbaugrad in Gemeinden, die von der Telekom versorgt werden, mit knapp 45% deutlich geringer aus als bei den Wettbewerbern mit 75%. Nichtsdestotrotz weiß auch Ufer, dass die Geschäftsmodelle vieler kleiner Anbieter nicht tragfähig sind. Von insgesamt 302 Anbietern im Markt können nach Angaben des BMDS nur 24 mehr als 100.000 Haushalte mit Anschlüssen erreichen. Die Misere lässt auch bei vielen Banken die Alarmglocken schellen. Denn das Kredit-Exposure deutscher und europäischer Institute im deutschen Glasfasermarkt, das diese vor allem in den Jahren 2021 und 2022 – also noch der Zinswende der EZB – aufgetürmt haben, ist beträchtlich.

Angaben der auf die Digitalbranche spezialisierten M&A-Boutique Kawikani zufolge beläuft sich das von den Glasfaserunternehmen in Deutschland aufgenommene Fremdkapital auf 26,7 Mrd. Euro. Davon entfallen allein 1,9 Mrd. Euro auf die KfW-Ipex-Bank und 725 Mill. Euro auf die Europäische Investitionsbank. Außerdem haben praktisch alle Landesbanken erhebliche Beträge im Feuer, darunter Nord/LB und LBBW je rund 700 Mill. Euro. Die Helaba hat 424 Mill. Euro entsprechender Kredite in ihren Büchern. Damit lauern vor allem für Institute der öffentlichen Hand Risiken in dem Segment. Nach Einschätzung von Experten sind von der Gesamtsumme der 26,7 Mrd. Euro gerade mal 2 Mrd. Euro bisher längerfristig refinanziert.
Auffanggesellschaft vorgeschlagen
Angesichts einer Vielzahl drohender Firmenzusammenbrüche haben Experten eine Auffanggesellschaft für Glasfaser ins Spiel gebracht. Ziel sei eine Bündelung des deutschlandweit entstandenen Flickenteppichs der physisch langlebigen und funktional zukunftsträchtigen passiven Infrastruktur, die für eine fortschreitende Digitalisierung in Deutschland als unverzichtbar gilt. Auf diese Weise soll eine Verwertung einzelner Netzteile in größeren Einheiten möglich sein, weil nur durch Skalierung überhaupt ein wirtschaftlicher Betrieb erreicht werden könnte. Ufer hält diesen Weg, der eine Trennung von Netz und Betrieb vorsieht, allerdings für nicht gangbar. Der VATM-Chef geht stattdessen von einer Konsolidierungswelle in der Branche aus.
Auch das BMDS erteilt der Idee eine Absage. „Wir wollen mit den richtigen Rahmenbedingungen gewährleisten, dass der Markt besser funktioniert und attraktiver wird als bisher – aber es ist nicht meine Aufgabe, in das Cashflow-Management von Unternehmen einzugreifen“, sagte Karsten Wildberger (CDU) am Rande seiner Teilnahme am UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in New York auf Nachfrage der Börsen-Zeitung. Der Markt müsse Refinanzierungsprobleme bei Glasfaser-Assets selbst regeln.
Die Bundesregierung habe mit Änderungen des Telekommunikationsgesetzes allerdings Voraussetzungen für einen beschleunigten Glasfaserausbau geschaffen. Auf dem Papier sehe dieser fortschrittlich aus, doch zwischen der Zahl der in der Vorvermarktung angemeldeten Haushalte unter den „Homes Passed“ auf der einen Seite und den tatsächlich angeschlossenen Nutzern auf der anderen Seite bestehe eine zu große Diskrepanz. Lange Wartezeiten bis zur Freischaltung von Anschlüssen und eine mangelnde In-House-Verkabelung sorgten für Frust und würfen ein schlechtes Licht auf Glasfaser.
Stark gehebelt
Die meisten Glasfaserunternehmen sitzen auf aggressiven Finanzierungsstrukturen, die nach der Zinswende nicht mehr tragfähig sind. In aller Regel wurde das initiale Eigenkapital um das 4-Fache mit Fremdkapital gehebelt. Nun haben viele kleine Glasfaserunternehmen aufgrund zu geringer Kundenzahlen und fehlender operativer Strukturen oft überhaupt keine Fortführungsprognose. Den Banken drohen damit schmerzliche Kreditausfälle, die Kawikani zufolge bei einem Viertel der beteiligten Institute immerhin 10% des regulatorischen Eigenkapitals übersteigen. Problematisch sei ferner, dass es sich zwar bei größeren Kreditsummen, wie bei der Finanzierungsrunde der Deutsche Glasfaser über 5,75 Mrd. Euro aus dem Jahr 2021, um syndizierte Kredite handelt. Jedoch sei der Syndizierungsmarkt dafür 2023 komplett zum Erliegen gekommen, so dass ein Großteil des Exposures noch bei den ursprünglich beteiligten Banken liege.
Unterdessen hat die Deutsche Telekom nach Angaben des Telekom-Verbands VATM begonnen, die Glasfasernetze zahlreicher kleiner Stadtwerke, die von diesen gebaut wurden – wo allerdings praktisch noch keine Kunden aufgeschaltet sind –, aufzukaufen. Dies ist den Telekom-Wettbewerbern ein Dorn im Auge. Auch die Monopolkommission warnte in ihrem kürzlich veröffentlichten Sektorgutachten vor einer erneut dominanten Marktstellung des ehemaligen Staatsmonopolisten.
Glasfaserkrise lässt bei Banken Alarmglocken läuten
Kreditgeber haben 27 Mrd. Euro im Feuer – Wildberger erteilt Auffanggesellschaft Absage – VATM rechnet mit Konsolidierungswelle
Das Gros der Kredite an deutsche Glasfaserunternehmen dürfte Experten zufolge im ersten Quartal 2026 zur Refinanzierung anstehen. Damit erreicht die Krise die Banken, denn viele Anbieter sind zu klein und haben kein tragfähiges Geschäftsmodell. In der Branche drohen erhebliche Ausfälle.
