Grobe Rechenfehler bei SGL Carbon
SGL Carbon hat ihrer Krisensaga ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Am Donnerstag erklärte der Karbonfaserspezialist, an dem Susanne Klatten über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion eine Sperrminorität hält, die Mittelfristprognose 2020 bis 2022 für nichtig und senkte den Ergebnisausblick 2019. Vorstandschef Jürgen Köhler, der die Ziele neun Tage zuvor noch bestätigt hatte, nimmt seinen Hut.scd Frankfurt – Der Kohlefaserspezialist SGL Carbon hat gut eine Woche nach Vorlage der Halbjahreszahlen den gerade bestätigten Ausblick wieder kassiert. “Die Ist-Zahlen für Juli 2019 des Geschäftsbereichs Composites – Fibers & Materials (CFM) der SGL Carbon zeigen eine signifikante Abweichung zu unseren Erwartungen”, schreibt SGL in ihrer Ad-hoc-Mitteilung. Ein Abgleich von Ist-Zahlen und Planung habe “eine Korrektur der 2019er Prognosen für den Geschäftsbereich CFM und auch für den Konzern” erfordert. Bei einem hochvolumigen Geschäft im Marktsegment Windenergie, das im Juli 2019 erstmals zur Auslieferung gekommen sei, waren fehlerhafte Planungsannahmen festgestellt worden. Das Management hat sich also offenbar bei den Kosten verkalkuliert und muss nun bei den Ergebniszielen zurückrudern.Auch die erwartete Erholung im Marktsegment Industrielle Anwendungen sowie die geplanten Ergebnisverbesserungsmaßnahmen im zweiten Halbjahr 2019 werden wohl nicht im erwarteten Ausmaß eintreten. Statt mit einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von rund 21 Mill. Euro vor Sondereinflüssen wie im Vorjahr rechnet SGL nun nur noch mit einem Sparten-Ebit im mittleren einstelligen Millionenbereich. Das Konzernergebnis vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen, das bislang bei knapp 65 Mill. Euro verortet wurde, soll um rund 10 Mill. Euro geringer ausfallen. RestrukturierungsbedarfGegenmaßnahmen seien erforderlich und Restrukturierungsmaßnahmen würden geprüft, teilte das SDax-Unternehmen mit. Allerdings nicht mehr vom derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Köhler, der aufgrund der jüngsten Entwicklung per Ende August seinen Hut nehmen wird (siehe Bericht auf Seite 16). Sein Vertrag war erst vor vier Monaten bis 2022 verlängert worden.Vor dem Hintergrund der Korrekturen der Pläne für 2019 seien auch die Prognosen für die Jahre 2020 bis 2022 nicht mehr zu halten, schreibt SGL weiter. “Es ist geplant, die neuen Prognosen nach Abschluss der neuen Konzernplanung spätestens im Januar 2020 zu veröffentlichen.” Ausarbeiten muss diese ein neuer Konzernchef. Der Aufsichtsrat um die Vorsitzende Susanne Klatten, die über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion knapp 27,5 % an SGL Carbon hält, habe Köhlers Rücktrittsentscheidung “mit Respekt und Verständnis” entgegengenommen.Klatten sei den ganzen Mittwoch bei SGL gewesen wie auch am Donnerstag und arbeite mit dem Aufsichtsrat eng an einer Lösung der Probleme, sagte Finanzchef Michael Majerus in einer Telefonkonferenz. Neben der Aufsichtsratsvorsitzenden sind die Autobauer BMW mit 18,4 % und Volkswagen mit 7,4 % wesentlich an SGL beteiligt. Der Streubesitz liegt bei 46 %.Wenig Verständnis für die Gewinnwarnung aus heiterem Himmel zeigten die Anleger. Die Aktie verlor im Tagesverlauf mehr als ein Drittel an Wert auf 3,57 Euro und ging mit 3,81 Euro um 29,5 % unter dem Vortagesschlusskurs aus dem Handel. Zum Amtsantritt Köhlers Anfang 2014 hatten die Titel noch über 23 Euro notiert. Die Nachricht dürfte das Vertrauen der Anleger in SGL zerstören, urteilte Analyst Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe. Andere Unternehmensbeobachter schätzen die Lage ähnlich ein.