Hamburg übernimmt Stromnetz von Vattenfall

Einigung nach Volksentscheid erfordert milliardenschwere Finanzierung - Energieversorger erreicht Buchgewinn von 300 Mill. Euro

Hamburg übernimmt Stromnetz von Vattenfall

Der Energieversorger Vattenfall hat sich mit Hamburg auf den Verkauf seines Stromnetzanteils an die Hansestadt geeinigt. Zudem ist vereinbart, dass die Stadt 2019 den Anteil am Fernwärmegeschäft des schwedischen Konzerns kaufen kann. Das ganze Paket kommt grob gerechnet auf 1,2 Mrd. Euro.wb Frankfurt – Rund vier Monate nach dem Volksentscheid über einen Rückkauf der Hamburger Energienetze haben sich Vertreter der Holding der Stadt, der HGV, und des Energieversorgers Vattenfall über den Erwerb des Stromnetzes und eine Kaufoption für das Fernwärmegeschäft durch die Hansestadt verständigt. Der ausgehandelte Fahrplan sowie die wesentlichen Eckpunkte müssen weiteren Angaben zufolge noch vom Hamburger Senat sowie von Vattenfalls Aufsichtsgremien bestätigt werden. Dies soll bis 14. Februar geschehen.Im Einzelnen haben sich beide Seiten darauf verständigt, dass die HGV zügig 100 % an der Stromnetz Hamburg GmbH sowie der Vattenfall Europe Verkehrsanlagen GmbH übernimmt. Anfang 2016 werden außerdem die für das Hamburger Stromnetz tätigen Teile der Gesellschaften Vattenfall Europe Netzservice und Vattenfall Europe Metering übernommen. Für die Vattenfall Wärme Hamburg erhält die Hansestadt die Option zum Kauf der verbleibenden 74,9 % im Jahr 2019. Der exakte Kaufpreis werde von unabhängigen Gutachtern festgelegt, die HGV und Vattenfall beauftragen. Die nötigen Kredite werden über die HGV besorgt, die am Kapitalmarkt günstig Mittel aufnehmen kann. Der Haushalt der Stadt wird insofern betroffen, wenn das HGV-Ergebnis infolge der Transaktion steigt oder fällt. Vattenfall streicht einen Buchgewinn von 300 Mill. Euro ein. Der Konzern hatte Wertberichtigungen von 4,6 Mrd. Dollar auf die Aktivitäten in Deutschland und den Niederlanden vorgenommen. In zwei StufenHamburg und Vattenfall sind gemeinsam an Stromnetz Hamburg, der das 27 500 Kilometer lange Stromnetz gehört, und Vattenfall Wärme beteiligt. 74,9 % liegen jeweils in der Hand des Versorgers, 25,1 % hält die Stadt. HGV und Vattenfall haben sich nun auf eine vorläufige Bewertung von 550 Mill. Euro für die Stromnetz Hamburg (bezogen auf 100 %) verständigt, mindestens jedoch 495 Mill. Euro. Davon sind 138 Mill. Euro gezahlt, doch ist ein Gesellschafterdarlehen von Vattenfall abzulösen, so dass es um 655 Mill. bis 710 Mill. Euro geht. Die Servicegesellschaften des Netzgeschäfts sollen nach gleichem Verfahren unabhängig bewertet werden. Für das Fernwärmegeschäft wurden zwei alternative Mindestpreise vereinbart (ebenfalls bezogen auf 100 %). Für den Fall, dass ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk gebaut wird, betrage dieser 1,15 Mrd. Euro. Sollte bis 2015 keine Entscheidung für den Bau getroffen sein, betrage der Mindestwert 950 Mill. Euro. Hier wurden 325 Mill. Euro für die 25 % bezahlt. Es geht also aus heutiger Sicht um 625 Mill. bis 825 Mill. Euro. Festgelegt werde der Preis ebenfalls von unabhängigen Gutachtern. Die Neubewertung gegenüber dem Erwerb 2011 sei erforderlich, weil sich Umfang und Zuschnitt der Gesellschaften verändert hätten.Die Rückgabe der Energienetze aus privater in öffentliche Hand war sehr umstritten. Das Thema sorgt bundesweit für hohe Aufmerksamkeit. Denn auch andere Kommunen planen die Rückübernahme ihrer Netze oder haben es erreicht. In Berlin scheiterte der Volksentscheid.Laut Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz setzt der Senat den Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Netze um. Der “konstruktive, aber auch harte Verlauf” der Verhandlungen zeige, dass die von ihm zuvor gegebenen Hinweise auf mögliche Risiken richtig gewesen seien. Ein Komplettrückkauf erfordere über 2 Mrd. Euro, hatte Scholz vor dem Volksentscheid zur Kommunalisierung gewarnt. Bewerbung um KonzessionNun muss er dessen Ergebnis umsetzen und sich zudem um das Nutzungsrecht für das Stromnetz bemühen. “Wir bewerben uns um die Stromkonzession mit dieser Gesellschaft”, sagte Scholz jetzt. Weil die jetzt erworbene Gesellschaft seit Langem Betreiber sei, stiegen die Chancen, dass sie die Konzession erhalte. Eon Hanse und eine Bietergemeinschaft aus dem holländischen Netzbetreiber Alliander und der Genossenschaft EnergieNetz gelten als Konkurrenten. Vergeben wird die Konzession von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Laut Deutschlandchef Tuomo Hatakka hat Vattenfall einen harten Konflikt vermieden. “Statt einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung sind wir so weiterhin Partner der Stadt.”Über den Rückkauf des Gasnetzes laufen Gespräche mit Eon. Die Konzession für das Gasnetz läuft bis 2018. Sie liegt bei einer Gesellschaft von Stadt und Eon, an der Hamburg 25,1 % hält. Die Kommune dürfte versuchen, die Anteile von Eon zu kaufen, was einen dreistelligen Millionenbetrag erfordern dürfte.