Handelsriese Li & Fung kriecht vom Börsenparkett

Hongkonger Traditionsfirma will mit Going Private die Zukunft absichern - Online-Handel gefährdet Geschäft von Lieferkettenmanager

Handelsriese Li & Fung kriecht vom Börsenparkett

nh Schanghai – Beim alteingesessenen Hongkonger Handelshaus Li & Fung steht nach jahrelanger Durststrecke ein Neustart unter veränderten Eigentümerstrukturen an. Der weltgrößte Lieferkettenmanager für die globale Retailbranche soll von seiner Gründerfamilie mehrheitlich wieder zurückübernommen und einer grundlegenden Restrukturierung unterzogen werden. Ein entsprechendes Buy-out-Angebot an die Aktionäre des an der Hong Kong Exchanges gelisteten Beschaffungsdienstleisters hat gute Aussichten, angenommen werden. Flotter AufschlagDie in Verbindung mit der Singapurer Investment- und Logistikgesellschaft GLP finanzierte Offerte der Fung-Familie bewertet die Gesellschaft auf 7,2 Mrd. HK-Dollar (rd. 860 Mill. Euro). Den Anlegern wird ein Auskaufpreis von 1,25 HK-Dollar je Aktie geboten, damit winkt ein Aufschlag von 150 % auf den von den Nachrichten noch unbeeinflussten Aktienkurs. Seit Wochenbeginn ist die Notierung denn auch um rund 110 % wieder angesprungen (siehe Chart).Ein Datum für eine außerordentliche Hauptversammlung zur Annahme der Offerte steht noch aus. Analysten gehen aber davon aus, dass das Angebot der Fung-Familie und des GLP-Konsortiums offene Arme finden wird. Dahinter steht die Sichtweise, dass Li & Fung keineswegs von einer rasch zu überwindenden zyklischen Marktschwächephase betroffen ist und temporär unterbewertete Assets zurückgekauft werden sollen. Vielmehr scheint das grundlegende Geschäftsmodell des Traditionshauses durch eine Reihe von Faktoren ins Wanken gekommen zu sein und bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung. Li & Fungs privilegierte Intermediärsrolle als Konsumgüterbeschaffer von chinesischen und asiatischen Waren für westliche Retailer – darunter nicht zuletzt den Sektorgiganten Walmart Inc. – ist in den vergangenen fünf Jahren immer stärker von der Konkurrenz der E-Commerce-Player wie Alibaba, Amazon oder JD.com angegriffen worden.So hat Li & Fung mit dem Rückgriff auf ihr etabliertes Handelsnetzwerk mit mehr als 10 000 Zulieferern den Trend zum Online-Handel völlig verschlafen und bedarf nun einer sehr aufwendigen und kostspieligen Digitalisierungsoffensive mit ungewissem Erfolg.Besonders schmerzlich ist die Tatsache, dass Li & Fung eine goldene Chance verpasst hat, um zeitig auf den E-Commerce-Zug mit aufzuspringen: So wurde den Hongkongern im Vorfeld des Börsengangs von Alibaba mehrfach eine Rolle als strategischer Kerninvestor angeboten, diese wurde aber dankend gelehnt. Damit ist der Gesellschaft nicht nur die Vervielfachung des Börsenwerts von Alibaba durch die Lappen gegangen, sondern auch die Chance, eine engere Kooperation mit dem Technologieriesen einzugehen.2019 hat Li & Fung insbesondere unter dem zähen Handelskonflikt zwischen China und den USA und der Belegung von gängigen Konsumgütern mit US-Strafzöllen heftig gelitten. Auch die monatelangen sozialen Unruhen in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong haben Sand ins Getriebe gebracht. Mit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise sieht sich das Geschäft nun erst recht einer besonders harten Belastungsprobe ausgesetzt. ErtragsrutschIm unmittelbaren Vorfeld der Offerte hat die Gesellschaft für das Geschäftsjahr einen Rückgang der Konzernerlöse um gut 10 % auf umgerechnet 10,5 Mrd. Euro ausgewiesen. Der operative Gewinn rutschte um 23 % auf 210 Mill. Euro ab. Chief Executive Officer (CEO) Spencer Fung, ein Großenkel des Firmengründers Fung Pak-Liu, hatte zuletzt konzediert, dass man Li & Fung mit einer Passagiermaschine vergleichen könnte, die sich im steten Sinkflug befindet. Nun allerdings sieht er eine Chance, das Ruder herumzureißen und Li & Fung abseits des mit einer Börsenbewertung verbundenen Investorendrucks wieder auf Höhe zu bringen.