Handelsverband fordert weitere Finanzhilfen

Bundesregierung weist Kritik zurück - Bei zwei von drei Händlern bleiben ab morgen die Ladentüren zu - HDE: 250 000 Jobs gefährdet

Handelsverband fordert weitere Finanzhilfen

md Frankfurt – Nach dem Beschluss von Bund und Ländern für eine Schließung des Nicht-Lebensmittelhandels von Mittwoch an bis zum 10. Januar macht der Handelsverband Deutschland (HDE) deutlich, dass die bisher geplanten Hilfsprogramme für die Einzelhändler nicht ausreichen. “Der Einzelhandel hat in den letzten Monaten mit seinen Hygienekonzepten einen großen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie geleistet. Wenn jetzt Geschäftsschließungen als notwendig angesehen werden, darf die Bundesregierung die Branche nicht im Regen stehen lassen”, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die bisher vorgesehenen Gelder reichten bei weitem nicht aus, um eine Pleitewelle in den Innenstädten zu verhindern.Geschäfte mit Produkten für den täglichen Bedarf sind vom Lockdown ausgenommen. Jedoch wird der betroffene Nonfood-Handel im Dezember nach Einschätzung des HDE durch die Ladenschließungen einen Umsatzverlust von etwa 60 % verkraften müssen; im Vorjahresvergleich würden so 12 Mrd. Euro für die Händler verloren gehen. Der Lockdown treffe knapp 200 000 Handelsunternehmen; 99 % dieser Unternehmen seien kleine und mittelständische Unternehmen.Unmittelbar vor dem Beschluss der Bundesregierung und der Länder, das öffentliche und private Leben in Deutschland von Mittwoch an drastisch herunterzufahren, um so die sich weiter stark ausbreitende Corona-Pandemie einzudämmen, hatte der HDE eine Umfrage bei 500 Unternehmen aus der Branche abgeschlossen. Demnach sehen 55 % der Innenstadthändler aktuell ihre Existenz bedroht; im Bekleidungshandel seien es 65 %. “Erst die schlechten Geschäfte in der Adventszeit und jetzt ein kompletter Lockdown für alle Nicht-Lebensmittelhändler. Das können viele Handelsunternehmen nicht ohne Hilfe überleben”, so Genth weiter. Der Innenstadt-Einzelhandel stehe für bis zu 600 000 Beschäftigte, von denen durch den Lockdown bis zu 250 000 Jobs verloren gehen könnten. Suche nach UnterstützungDa es nach HDE-Angaben in Deutschland insgesamt rund 300 000 Einzelhandelsunternehmen mit drei Millionen Beschäftigten gibt, hieße das, dass wegen des Lockdowns zwei von drei Einzelhändlern vorerst zumachen müssen. Jeder sechste Beschäftigte wäre im besonders hart getroffenen Innenstadthandel tätig, von denen 42 % der Arbeitsplatzverlust drohe. “Dass viele Händler jetzt mitten im Weihnachtsgeschäft, der umsatzstärksten Zeit des Jahres, zusperren müssen, trifft die Branche und die Innenstädte hart. Das werden viele Unternehmen ohne entsprechende Staatshilfen nicht überstehen”, so Genth. Der HDE fordert deshalb für den Dezember eine Gleichbehandlung mit der Gastronomie und die Aufnahme der Branche in die Dezemberhilfen, wonach Umsatzausfälle erstattet werden. Ab Januar müsse dann eine neue Form der Finanzhilfe gefunden werden. Die aktuell vorgesehenen Überbrückungshilfen III alleine reichten nicht aus, um die betroffenen Unternehmen zu retten.Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte gemäß dpa-afx, die November- und Dezemberhilfen seien eine außerordentliche Wirtschaftshilfe, und – mit Blick auf den Handel – die Überbrückungshilfe III eigne sich für Bereiche mit geringen Margen und hohen Fixkosten. Ab wann genau die bei der Überbrückungshilfe III geplanten Abschlagszahlungen beantragt werden könnten, sei derzeit noch unklar. Generell sind auch bei der Überbrückungshilfe III Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern erforderlich. Es gehe beim Einzelhandel um die Innenstädte als Ganzes, betont Genth. “Wenn wir mit dem Handel die Kernbranche unserer Stadtzentren weitgehend in die Insolvenz zwingen, ist das nach der Krise nicht einfach wieder zu beheben.” Deshalb müsse die Politik jetzt mit einem starken Hilfsprogramm dafür sorgen, dass es nicht zu einer nicht mehr wieder gut zu machenden Pleitewelle kommt. Die Bundesregierung wies die Kritik des Verbandes an den staatlichen Corona-Finanzhilfen beim harten Lockdown zurück. Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in Berlin, die Hilfen für Unternehmen seien seit Beginn der Krise großzügig und umfassend. Firmen bekämen mit der Verlängerung der Überbrückungshilfe III bis Ende Juni eine klare Unterstützungsperspektive, um Arbeitsplätze zu erhalten und ihren Betrieb fortzuführen.Angesichts des harten Lockdowns ab Mittwoch hatte die Bundesregierung eine Ausweitung der Finanzhilfen angekündigt. Bei der Überbrückungshilfe III, die ab Januar gilt, soll der Höchstbetrag von 200 000 Euro auf 500 000 Euro erhöht werden. Der maximale Zuschuss ist demnach geplant für direkt und indirekt von Schließungen betroffene Unternehmen. Erstattet werden bis zu 90 % betrieblicher Fixkosten wie Mieten und Pachten. Derweil erwartet auch der Deutsche Städtetag erhebliche Belastungen für die Innenstädte. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der Nachrichtenagentur dpa-afx, die Probleme beim Einzelhandel in den Innenstädten seien älter als das Virus, sie hätten sich aber in diesem Jahr verschärft.Allerdings sind nicht alle Segmente im Weihnachtsgeschäft gleichermaßen hart von der Krise betroffen: So lief es nach HDE-Angaben insbesondere bei Spielwaren, Büchern, Unterhaltungselektronik und Haushaltswaren in den letzten Tagen “ganz gut”. Der Lebensmittelhandel habe deutliche Zuwächse verzeichnet. Und der Online-Handel boomt unverdrossen weiter. Click and CollectUm die Belastungen durch den zweiten harten Lockdown des Jahres – der erste war im Frühjahr – wenigstens etwas abzufedern, dringt der Handelsverband darauf, den Einzelhändlern weiter die Übergabe von im Internet bestellter Ware in den Läden zu erlauben (Click and Collect). Das Thema sei bei den Beratungen von Bund und Ländern nicht geregelt worden und müsse jetzt von den Ländern in ihren Verordnungen geklärt werden. Auch der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) hatte erklärt, ein solcher Schritt könnte das Überleben des stationären Handels sichern und die allgemeine Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. – Wertberichtigt Seite 6