DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: FLORIAN FUNCK

Haniel will Renditelücke schließen

Familienkonzern ruft Kulturwandel aus - Beteiligungen werden künftig enger geführt - Finanzchef macht bei Ceconomy viel Potenzial aus

Haniel will Renditelücke schließen

Herr Funck, der neue Haniel-Chef, Thomas Schmidt, hat den neuen Portfolio-Ansatz mit den Schlagworten “anders, moderner, fokussierter” umrissen. Was heißt das konkret?Das bedeutet, dass wir in den drei Bereichen Kultur, Portfolio und Führung ein neues Kapitel aufschlagen wollen. Ist der Umkehrschluss legitim?Nein. Moderner heißt nicht, dass wir heute unmodern sind. Wir sprechen ja im Komparativ. Wenn man ein neues Kapitel aufschlägt, muss man das mit Schlagworten und Bildern unterfüttern. Die finanzielle Restrukturierung nach einer sehr schwierigen Phase ist uns gut gelungen. Aber mit der Wertentwicklung der letzten Jahre können wir nicht zufrieden sein. Jetzt gehen wir in neuer Struktur und mit neuer personeller Besetzung einen neuen Weg. Die personelle Neuordnung zieht sich durch alle wesentlichen Gremien des Unternehmens – den Aufsichtsrat, den Beirat und eben auch den Vorstand. Doch was ändert sich konkret? Kulturwandel ist heutzutage doch ein Allgemeinplatz. Nennen Sie mir ein Unternehmen, das sich den Kulturwandel nicht auf die Fahne schreibt. Manche unterziehen sich eine Dekade lang dem Kulturwandel, ohne dass sich etwas ändert.Wenn Sie sagen, jeder macht das, heißt das ja nicht, dass es falsch ist. Jeder putzt sich auch die Zähne und auch das ist wichtig. Wir müssen uns weiterentwickeln, für Haniel gilt dies seit über 260 Jahren. Dies ist für uns keine Modeerscheinung und es hat auch nichts damit zu tun, dass es früher schlecht war. Wir leben in einer kontinuierlich an Dynamik gewinnenden Welt, an die müssen wir uns ebenso kontinuierlich anpassen. Heute rufen Sie Gesundheit, Klimawandel, Kreislaufwirtschaft sowie Robotik und Automatisierung als Schwerpunktthemen für das Portfolio auf. Wie passen die Akquisitionen der jüngeren Zeit, namentlich BekaertDeslee, ein Hersteller von Matratzenbezügen, Optimar, ein Hersteller von Fischverarbeitungsmaschinen, und Rovema, ein Verpackungsmaschinenhersteller, dazu?Unser heutiges Portfolio ist handelslastig, mit starkem Europafokus und enthält eher reifere Geschäftsmodelle. Wenn wir diese neuen Felder ausrufen, heißt das, dass wir unser Portfolio in diese Richtung schwerpunktmäßig ergänzen wollen. Es bedeutet aber nicht, dass wir alle Handelsmodelle oder Europaaktivitäten aus dem Portfolio entfernen wollen. Heißt das, Haniel investiert künftig nur noch im außereuropäischen Ausland?Nein, wir müssen über Unternehmensbeteiligungen Wege suchen, wie wir unseren internationalen Fußabdruck erweitern können. Ein gutes Beispiel dafür ist BekaertDeslee, die ihre Geschäfte zum überwiegenden Anteil außerhalb Europas tätigt. Insofern muss nicht alles, was wir derzeit im Portfolio haben, eins zu eins zu den Bereichen gehören und passen, die wir künftig als Ergänzung suchen. Mit den Akquisitionen von Rovema und Optimar haben wir angefangen, in die Themen Robotik und Automatisierung zu investieren. Das hat zur Diversifikation des Portfolios beigetragen. Sie rufen vier Schwerpunktgebiete aus und sprechen im gleichen Atemzug von Diversifikation. Wie passt das zusammen?Wir haben gesagt, dass wir unser Portfolio in den drei großen Bereichen People, Planet, Progress (PPP) weiterentwickeln wollen. Unter diese drei Säulen fallen verschiedenste Investitionsgebiete. Aufgrund unserer begrenzten Kapazitäten haben wir als Startpunkt die genannten Themenfelder gewählt. In diesen werden wir aktiv akquisitorisch tätig. Das schließt nicht aus, dass wir danach noch andere Themen adressieren. Neuerdings soll “aktiv” nach Akquisitionen gesucht werden. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Sie in den vergangenen fünf Jahren darauf gewartet haben, angesprochen zu werden.Für diese Frage bin ich dankbar. Wir haben jetzt einen etwas veränderten Investitionsansatz. Wir unterscheiden die M&A-Spielarten Scouting und Grabbing. Grabbing bedeutet, dass wir uns den M&A-Dealflow im Markt sehr genau anschauen und dann die sich über Auktionsprozesse ergebenden Möglichkeiten selektiv nutzen. Mit Hilfe von Investmentbanken?Wir haben keine einzelnen Banken mandatiert. Vielmehr haben wir ein breites Netzwerk an Banken und Intermediären, die uns einen guten Blick auf den Dealflow ermöglichen. So ist beispielsweise Rovema zu uns gekommen. Stichwort: Scouting.Beim Scouting schauen wir uns sehr intensiv für einzelne Industrien und Branchen Wertschöpfungszusammenhänge an. Wir wollen die Strukturen der Industrien verstehen, wissen, wer die führenden Player sind und welche Trends dahinter liegen. Daraus generieren wir eine Long- und eine Shortlist an Unternehmen, die wir aktiv ansprechen. In den vergangenen vier Jahren bestand unser Suchprozess zu 70 % aus Grabbing und zu 30 % aus Scouting. Das soll künftig umgekehrt werden. Das betrifft die Holding-Ebene. Doch auch auf Ebene der Portfoliogesellschaften wollen wir Bold-on-Akquisitionen einen größeren Stellenwert beimessen. Geht das mit einer intensiveren Betreuung der Geschäftsbereiche durch die Holding einher, also einer Abkehr von der lange gepflegten dezentralen Führung?Die Portfoliounternehmen behalten auch zukünftig ihre Eigenständigkeit, aber die Art des Dialogs mit den Portfoliounternehmen ändert sich, Stichwort: Führung. In der Vergangenheit haben wir die Beteiligungen ähnlich geführt wie ein Aufsichtsrat, also vornehmlich über quartalsweise Gespräche. Nun gibt es monatliche Managementdialoge, die sich an einer klaren Agenda orientieren. In den Gesprächen schauen wir uns den Gesundheitszustand des Unternehmens an. Das bedeutet auch eine Weiterentwicklung unseres Beteiligungscontrollings. Neben die klassischen Finanzzahlen treten zunehmend Leistungskennzahlen zu zentralen Themen wie Wachstum, Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterengagement oder Arbeitssicherheit. Zudem wollen wir uns in den Monatsgesprächen über die vereinbarten strategischen Initiativen austauschen. Ist Strategie und monatliche Besprechung der Gefechtslage nicht ein Widerspruch in sich?Es geht nicht um eine monatliche Erörterung der Strategie, sondern um die Durchführung beziehungsweise Umsetzung strategischer Maßnahmen. Beispiel: Wenn wir darüber sprechen, Geschäftsbereiche über Bold-on-Akquisitionen stärken zu wollen, dann ist es sinnvoll, monatlich zu schauen, wie sich die einzelnen Projekte fortentwickeln und welche neuen Projekte hinzukommen. Das Gleiche betrifft Projekte wie beispielsweise die Einführung einer neuen Logistikstruktur. Auch hier gibt es sehr konkrete Dinge, die es zu besprechen gilt. Strategische Projekte erstrecken sich ja nicht notwendigerweise über mehrere Jahre. Wer ist dafür zuständig auf Holdingebene. Teilen Sie sich mit Herrn Schmidt die Geschäftsbereiche halbe-halbe auf?Das ist eine weitere wichtige Facette unseres neuen Führungskonzepts. Wir verändern die Aufstellung in der Holding. Da wir nur zu zweit im Vorstand sind und zugleich die Zahl unserer Geschäftsbereiche gestiegen ist, verteilen wir Führungsaufgaben auf mehrere Schultern. Dazu bauen wir die Aufstellung der Holding um – weg von einer rein funktionalen Aufstellung hin zu Investmentteams. Diese Investmentteams sind klein, aber Ansprechpartner für sämtliche Themen, die in einem Portfoliounternehmen anfallen. Wird es künftig für jedes Portfoliounternehmen ein Investmentteam geben?Nein. Im Moment sind wir noch nicht vollständig besetzt und handhaben das pragmatisch. Aber jede Portfoliogesellschaft hat gedanklich ein Team von mindestens drei Ansprechpartnern in der Holding. Diese Teams – je ein Investmentpartner sowie Investmentmanager und Investmentanalysten – sind der Dreh- und Angelpunkt für die Steuerung und den Dialog mit den einzelnen Portfoliogesellschaften. Berichten die Investmentteams an den Vorstand?Wir sind auf der Suche nach Investmentpartnern, um die Skalierung besser hinzubekommen. Aber im Moment teilen sich Herr Schmidt und ich das Portfolio als Investmentpartner auf. Neben der Suche nach neuen Beteiligungen wollen Sie auch bis zu 500 Mill. Euro in Wachstumsfonds investieren. Geht Haniel jetzt unter die Seed-Finanzierer?Wir wollen uns nicht in größerem Stil in Seed-Finanzierungen oder in Hardcore-Venture-Capital engagieren. Unsere Denke beginnt bei Late-Stage-Venture-Capital, im Vordergrund steht aber Wachstumsfinanzierung. Darüber bekommen wir Lebenszyklus-Diversifikation und Wachstumsimpulse für das Gesamtportfolio. Außerdem können wir zielgenau in gewünschten Zielregionen investieren. Demnach werden wir Europa untergewichten und den Fokus auf Nordamerika und Asien legen. Unser Ziel ist, über die spezifischen Fonds Zugang zu den PPP-Themen und den entsprechenden Netzwerken zu erschließen und Assets kennenzulernen, die das Potenzial haben, später Teil unseres Portfolios zu werden. Die Ausgewogenheit des Portfolios hat für Haniel einen hohen Stellenwert. Schaut man genau hin, haben Sie letztlich aber das Klumpenrisiko Metro gegen das Klumpenrisiko CWS ausgetauscht. Ausgewogener gestalten?Als wir das Joint Venture mit Rentokil Initial eingegangen sind, war uns durchaus bewusst, dass wir potenziell ein neues Portfolioschwergewicht kreieren. Zu der erfreulichen Wertentwicklung hat letztlich auch die erfolgreiche Integration beigetragen. Es ist allerdings ein Unterschied, ob man einen Klumpen besitzt, den man vollständig kontrolliert, oder ob man nur eine Minderheit daran hält. Zudem verfügt die CWS mit Hygiene und Berufsbekleidung über zwei Divisionen, die getrennt voneinander entwickelt werden. Entscheidend ist für uns, dass wir den Klumpen auch in seinen Teilen managen und entwickeln können. Kleiner Einwand: Auch Metro hatte unterschiedlichste Aktivitäten. Mit Blick auf die Wertentwicklung hat das nichts gebracht.Daher war die Spaltung auch ein wichtiger und richtiger strategischer Schritt. Dadurch erhielten die Shareholder zwei verschiedene Assets für ihr Portfolio. Heißt das perspektivisch, dass aus CWS absehbar zwei Unternehmen entstehen?Das ist eine Option, die vollständig in unserer Hand liegt. Momentan gibt es für uns aber keinen Anlass, etwas zu verändern. Der Fokus liegt aktuell eher darauf, einzelne Geschäfte innerhalb der CWS weiter zu stärken, wie beispielsweise in diesem Jahr über mehrere Bold-on-Akquisitionen bei Reinraum und Brandschutz, dem neusten CWS-Betätigungsfeld. Der Rückzug bei Metro ist so gut wie abgeschlossen. Hat das Investmentvehikel von Daniel Kretinsky, EP Global Commerce (EPGC), auf die verbliebenen 2,7 % weiterhin eine Call-Option?Ja, die gibt es für EPGC. Was hat Haniel der langgestreckte Rückzug finanziell gebracht?Dafür wurden entsprechende Optionsprämien vereinbart. Nähere Angaben kann ich dazu nicht machen, weil wir Vertraulichkeit vereinbart haben. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage geradezu auf, wie Sie mit der Beteiligung an Ceconomy, die noch bei knapp 23 % liegt, verfahren. Die Wertvernichtung seit der Aufspaltung ist ja noch größer als bei Metro.Wir glauben an das Geschäftsmodell der Ceconomy und sehen viel Potenzial. Der Kapitalmarkt sieht momentan eher abwartend auf Ceconomy. Es ist klar, dass vor dem Unternehmen eine mehrjährige Transformation liegt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Transformation erhebliche Werte für die Aktionäre generieren wird. Was macht Sie so zuversichtlich?Ceconomy hat eine starke Marktposition. Im Kernmarkt kann ich mir den Vertrieb und Service im Bereich Consumer Electronics faktisch ohne Media Markt und Saturn nicht vorstellen. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu beispielsweise Textilhandelsketten. Auch der Blick auf die Wettbewerbslandschaft zeigt Potenzial. Mitbewerber in anderen Kernmärkten wie USA, Großbritannien oder Frankreich operieren mit höheren Margen, als Ceconomy das momentan tut. Der Aktie notiert aktuell bei 4,30 Euro. Mit welchem Wert steht Ceconomy in der Haniel-Bilanz?Dieser Wert ist nach der Wertkorrektur Ende des vorigen Jahres noch südlich vom heutigen Kursniveau. Anders als bei Metro, wo Sie spätestens zum 7. Dezember Ihr Aufsichtsratsmandat niederlegen, sitzen Sie selbst weiterhin im Aufsichtsrat von Ceconomy. Wie setzen Sie dort als Vertreter des größten Einzelaktionärs die Interessen von Haniel durch?Im Kreis des Aufsichtsrats führen wir intensive und vertrauensvolle Gespräche. Es geht darum, dass in dieser Diskussion das beste Argument gewinnt und wir bei Entscheidungen – seien sie strategischer oder auch personeller Natur – zu einer abgestimmten Meinung kommen. Das ist uns gerade auch in herausfordernden Zeiten gut gelungen. War die Entscheidung zur Trennung von Jörn Werner einstimmig?Dazu kann ich nichts sagen, denn zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gehört auch Vertraulichkeit. Geht mit dem neuen Portfolioansatz bei Haniel auch eine Änderung in der Finanzierung einher?An der Finanzierung ändert sich nichts Grundlegendes. Das Eigenkapital der Holding stellt die Familie Haniel. Mit Blick auf das Fremdkapital bleiben wir dabei, dass es Verschuldung sowohl auf Ebene der Holding als auch auf Ebene der Portfoliogesellschaften gibt. Entscheidend ist, dass es weder zwischen der Holding und den Geschäftsbereichen noch zwischen den Geschäftsbereichen Haftungsverbünde gibt. Haniel steht damit allein mit dem Eigenkapital im unternehmerischen Risiko. So vermeiden wir Ansteckungseffekte. Bisweilen reicht die Holding aber auch Darlehen an die Geschäftsbereiche aus.Wenn wir in den Portfoliogesellschaften Cash-Überhänge parken, geschieht das unter dem Aspekt der kurzfristigen Renditeoptimierung. Stichwort Cash-Überhang. Ihre Kriegskasse liegt selbst nach Abzug des Kaufpreises für die restlichen Anteile der CWS bei deutlich über 1 Mrd. Euro. Was tun Sie, damit der Überhang in Zeiten negativer Einlagezinsen nicht zu teuer wird?Einen Teil des Cashs geben wir wie erwähnt in die Beteiligungsgesellschaften. Dann steht im Mai nächsten Jahres die Rückzahlung der Umtauschanleihe an, das sind nominal 400 Mill. Euro. Zudem planen wir ein sogenanntes Bridge-Investment. Das müssen Sie erklären.Wir sehen, dass wir momentan extrem hohe Bewertungsniveaus im M&A-Markt haben. Da wir nicht alle unsere Mittel jederzeit verfügbar haben müssen, wollen wir einen gewissen Teil, aktuell 400 Mill. Euro, intelligent parken. Dafür werden wir ein Portfolio an Finanzanlagen mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren aufbauen, was uns eine gewisse Cash-Rendite bringt. Wie hoch soll diese Rendite denn ausfallen?Wir zielen auf eine Cash-Rendite von 3 % und eine Gesamtrendite über die Laufzeit von 4 % bis 5 %. Mit Blick auf die Rendite hat Haniel angekündigt, mittelfristig eine Gesamtkapitalrendite von 9 % plus anzustreben. Zur Einordnung: Welche Gesamtrendite hat Haniel im Schnitt über die letzten zehn Jahre jährlich verdient?Im Schnitt der letzten Dekade haben wir eine Rendite von 2 % realisiert, während der Dax eine Rendite von knapp 8 % erwirtschaftet hat. Diese Lücke treibt uns an, unseren Portfolio- und Führungsansatz konsequent weiterzuentwickeln.Das Interview führte Annette Becker.