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Harte Zeiten für Alleinunterhalter ProSiebenSat.1 und RTL

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 2.4.2019 Die Konkurrenz wird noch größer: Apple steigt mit einer Unterhaltungsplattform in den Markt für Videodienste ein. Den privaten Fernsehsendern in Deutschland fällt es ohnehin immer schwerer,...

Harte Zeiten für Alleinunterhalter ProSiebenSat.1 und RTL

Von Joachim Herr, MünchenDie Konkurrenz wird noch größer: Apple steigt mit einer Unterhaltungsplattform in den Markt für Videodienste ein. Den privaten Fernsehsendern in Deutschland fällt es ohnehin immer schwerer, Zuschauer und damit auch Werbekunden zu halten – gegen Netflix, Amazon und Youtube und künftig wohl auch gegen Apple. Allerdings ist noch unklar, wann der iPhone-Konzern in Deutschland sein neues Angebot mit Filmen und Serien aus eigener Produktion startet.Ein Spiegelbild der Folgen des Wandels in der Fernsehbranche sind die Aktienkurse von ProSiebenSat.1 und RTL: Der Börsenwert des Unternehmens in Unterföhring bei München ist mit einer Marktkapitalisierung von nur noch knapp 3 Mrd. Euro so niedrig wie seit Anfang dieses Jahrzehnts nicht mehr, und der von RTL dümpelt auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der Börsennotierung in Frankfurt im April 2013. Die Ankündigung des Videodiensts von Apple drückte die Kurse vor einer Woche gleich noch weiter nach unten.Eine Dauerbelastung für ProSiebenSat.1 und RTL sind die bestenfalls noch stagnierenden Umsätze mit klassischer Fernsehwerbung. Auch die Aussichten sind mau. Dagegen wird den Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime Video viel Wachstum zugetraut (siehe Grafik). Max Conze, seit zehn Monaten Vorstandsvorsitzender von ProSiebenSat.1, analysiert die Lage realistisch: “Unsere größte Herausforderung ist der gewaltige Umbruch in der Medienbranche, also die rasante digitale Transformation, die uns nicht nur mit neuen Geschäftsmodellen, sondern auch mit neuen Konkurrenten konfrontiert.” Pfeifen im WaldEr wäre freilich ein schlechter Motivator für Mitarbeiter und Aktionäre, wenn er im vor kurzem veröffentlichten Geschäftsbericht nicht hinzufügte: “Ich sehe das jedoch nicht als Bedrohung, sondern als fantastische Chance, ProSiebenSat.1 zu einem absolut digitalen und diversifizierten Konzern zu machen, der weiter nachhaltig wächst.” Managersprache klingt bisweilen wie das Pfeifen im Wald.Im Geschäftsbericht ist die Situation ganz nüchtern beschrieben: “Die Risiken aus einer Veränderung der Bewegtbildnutzung” werden als erhöht erachtet und deren Eintritt als möglich eingeschätzt. “Unwahrscheinlich”, hieß es noch im Bericht ein Jahr zuvor. Die Folgen fürs Geschäft wären nach Einschätzung des Unternehmens wesentlich. Hinter der sperrigen Formulierung “Veränderung der Bewegtbildnutzung” verbirgt sich etwa, dass Zuschauer in der Altersgruppe 14 bis 29 Jahre schon fast ein Viertel ihrer Fernsehzeit nicht vor dem TV-Apparat verbringen, sondern mit anderen Geräten wie Smartphone, Laptop oder PC.Darauf haben sich die Privatsender inzwischen eingestellt. Werbekunden wollen sie künftig nicht mehr mit hohen TV-Quoten für sich gewinnen, sondern mit der Gesamtreichweite auf allen möglichen Kanälen. Und gegen den Erfolg der Streaminganbieter wollen ProSiebenSat.1 und RTL aus eigener Kraft und mit mehr Investitionen dagegenhalten: vor allem mit einem größeren Anteil deutscher Filme, Serien und Shows. “Wir verstehen Deutschland und die Deutschen besser”, behauptet ProSiebenSat.1-Chef Conze. Kooperationen sind schwierigDoch das wird nicht genügen. Neben mehr lokalem Inhalt ist deshalb Kooperation das Zauberwort. Im Prinzip sind sich die privaten und auch die öffentlich-rechtlichen Sender hierzulande einig, dass nur mit gebündelter Kraft Netflix & Co. Einhalt geboten werden kann. In der Praxis ist das allerdings ein mühsames Unterfangen.ProSiebenSat.1 arbeitet mit dem US-amerikanischen Medienkonzern Discovery Communications an einer Streamingplattform für Deutschland: lineares Fernsehen, Inhalte aus Mediatheken, Serien und Filme aus Hollywood sowie Sportübertragungen sollen dort angeboten werden – zum Teil ohne, zum Teil mit Bezahlung. Der Start von 7TV ist für diesen Sommer geplant. Das ZDF kündigte an, sich mit seinem Programm zu beteiligen. Auch die Sender von Axel Springer (Welt, N24 Doku) sowie Sport1 von Constantin Medien sind dabei. ARD und RTL geben sich jedoch nach wie vor reserviert.RTL baut den eigenen Streamingdienst TV Now Premium mit viel Geld, vor allem für Inhalte, aus. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Abonnenten um 43,5 % gestiegen, berichtet das Unternehmen. Zusammen mit dem Angebot in den Niederlanden (Videoland) seien es Ende 2018 mehr als 1 Million gewesen. “Wir planen, ähnliche Dienstleistungen in anderen Ländern zu starten”, kündigt RTL im Geschäftsbericht an. In den nächsten drei Jahren soll die Zahl der zahlenden Kunden auf mindestens 3 Millionen steigen. Von einer Kooperation mit ProSiebenSat.1 ist keine Rede. Jeder will das Sagen habenDabei sind von Thomas Rabe, dem Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns Bertelsmann und nun auch von RTL, ganz andere Töne zum Thema Video-on-Demand zu hören: “Wenn wir weiterhin nur versuchen, unsere Geschäfte allein zu betreiben, und uns von der traditionellen Konkurrenz abgrenzen, schaufeln wir unser eigenes Grab”, warnte er neulich in der Zeitschrift “Spiegel”. RTL sei für Kooperationen offen. Doch solange jeder, RTL und ProSiebenSat.1, das Sagen haben will, bleiben sie wohl Alleinunterhalter. Und dann ist da noch das Bundeskartellamt: An seinen Bedenken waren 2011 die zwei privaten Fernsehunternehmen mit ihrer gemeinsamen Plattform namens Amazonas gescheitert. Seitdem hat sich der Markt jedoch stark verändert. Das wissen auch die Wettbewerbsaufseher.