Härtetest für Chinas Antwort auf Airbus und Boeing

Passagierjet Comac C 919 geht auf Jungfernflug - Marktanteile werden stärker umkämpft sein

Härtetest für Chinas Antwort auf Airbus und Boeing

Von Norbert Hellmann, SchanghaiAm Flughafen Schanghai-Pudong soll am heutigen Freitag ein Passagierjet mit nur einigen wenigen Insassen, aber unter Beobachtung denkbar vieler neugieriger Zuschauer starten. Der Flugzeugbauer Commercial Aircraft Corp of China (Comac) lanciert den lange erwarteten Testflug für den ersten Mittelstreckenjet aus chinesischem Eigenbau.Chinas Avancen im Flugzeugbau werden in der Branche mit Argusaugen verfolgt. Schließlich wächst mit dem neuen Passagierjet Comac C 919 ein potenzieller Konkurrent für die Platzhirsche Airbus und Boeing und ihren zugkräftigsten Modellen A 320 und B 737 heran. Nach erfolgreichen Testflügen dürften Anfang 2019 die ersten C 919-Maschinen an ihre Kunden gehen, wobei der staatliche Carrier China Eastern den Anfang machen soll. Duopol wird aufgelockertBei den Experten ist man sich einig, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis Passagierjets aus chinesischem Bau von internationalen Fluggesellschaften als Alternative zu ihren Airbus- und Boeing-Maschinen in Erwägung gezogen werden. Die Comac C 919 wird damit auf absehbare Zeit wohl nur bei heimischen Fluggesellschaften und Leasingfirmen ein Entrée finden. Dennoch wird man sich bei Boeing und Airbus langfristig Gedanken über eine Bedrohung des chinesischen Geschäfts machen. Schließlich wird China angesichts des reichlich vorhandenen Wachstumspotenzials im Geschäftsreise- und Tourismussektor zu einem immer wichtigeren Absatzmarkt für die Flugzeugbranche.Nach Einschätzung von Boeing werden in China bis zum Jahr 2035 über 6 800 Maschinen von heimischen Gesellschaften geordert, die es auf einen Gesamtwert von rund 1 Bill. Dollar bringen. Gleichzeitig dürfte China bereits zehn Jahre zuvor die USA beim Passagieraufkommen als weltgrößter Luftfahrtmarkt eingeholt haben (siehe Grafik).Den Prognosen zufolge entfallen drei Viertel der künftigen chinesischen Nachfrage nach Passagierflugzeugen auf Mittelstreckenflieger mit einem Gang und einer Kapazität von bis zu 200 Passagieren. Die C 919 wird sich mit einer Reichweite von gut 4 000 Kilometern und je nach Konfiguration 158 bis 174 Sitzen ziemlich genau im “Sweet Spot” der chinesischen Passagierjetnachfrage bewegen und dabei eine deutlich kostengünstigere Alternative zu den Nachfolgegenerationen aus dem Hause Airbus und Boeing, nämlich dem A 320 und der B 737 Max, abgeben. Zu den Preiskonditionen für die C 919 gibt es bislang keine konkreten Angaben. In chinesischen Medien ist aber von einem Listenpreis von etwa 50 Mill. Dollar die Rede, was die C 919 nur halb so teuer wie eine B 737 oder eine A 320 machen würde. Comac zufolge liegen Aufträge und Zusagen von 23 Interessenten für insgesamt 570 Maschinen vor; dabei handelt es sich aber fast nur um heimische Gesellschaften.Das nicht sonderlich firme Ordervolumen wirkt zwar beeindruckend, verblasst aber im Vergleich zur Konkurrenz. Boeing etwa hatte für seine letzte Version der B 737 über 3 000 gesicherte Orders vorliegen, bevor diese ihren ersten Flug antrat. Da chinesische Carrier vom Staat angehalten werden, künftig auch heimische Maschinen in ihre Flotte aufzunehmen, müssen die etablierten Flugzeugbauer mittelfristig sicherlich mit Marktanteilseinbußen rechnen. Insgesamt aber werden sie weiter kräftig in China zulegen können.Rosig sieht es in der Zuliefererbranche aus, wo Dutzende von ausländischen Firmen vom neuen Passagierjetbau profitieren. Die C 919 ist zwar ein chinesisches Entwicklungsprojekt, insbesondere was elektronische Komponenten (Avionics) und Triebwerkstechnik angeht, doch gibt es noch keine geeigneten Produzenten im eigenen Land. So wird die C 919 zunächst mit Motoren aus einem Joint Venture der amerikanischen GE Aviation und der französischen Safran-Gruppe bestückt. Schwachstelle MarketingComac strebt freilich danach, sich auch über den chinesischen Markt hinaus als Alternative zu Airbus und Boeing zu etablieren. Hier gibt es für den Neuling aber immensen Aufhol- und Lernbedarf in Sachen Marketing und globale Support-Netzwerke. Mit dem Staat hat Comac zwar einen potenten “Sales Manager” für den Heimatmarkt an Bord, für das internationale Geschäft jedoch gibt es selbst mit Blick auf extreme Preisvorteile noch zahlreiche Hindernisse. Dazu gehört eine langwierige Zertifizierungsrunde für die Sicherheitsabnahme durch die Behörden in den USA, der EU und anderswo. Solange diese nicht erfolgt ist, beschränken sich Comacs künftige internationale Absatzmärkte nur auf asiatische und afrikanische Entwicklungsländer.