NOTIERT IN MAILAND

Heiß umkämpfter Kaffeemarkt

Der meist im Stehen am Bartresen eingenommene Espresso oder Cappuccino auf dem Weg zur Arbeit ist Teil der italienischen Frühstückskultur. Die US-Kaffeekette Starbucks hat lange gebraucht, bis sie sich entschieden hat, sich in diese Höhle des Löwen...

Heiß umkämpfter Kaffeemarkt

Der meist im Stehen am Bartresen eingenommene Espresso oder Cappuccino auf dem Weg zur Arbeit ist Teil der italienischen Frühstückskultur. Die US-Kaffeekette Starbucks hat lange gebraucht, bis sie sich entschieden hat, sich in diese Höhle des Löwen zu wagen. Im letzten Jahr eröffnete sie im ehemaligen Hauptpostamt nahe dem Mailänder Dom ihren ersten Brückenkopf im Land des Cafés. Drei weitere Filialen sind seither dazugekommen. Weitere sollen folgen. Starbucks betreibt viel Aufwand, um die Mailänder anzuziehen. In der ehemaligen Post musste es schon eine mit Kupferrohren, Marmor und edlen Hölzern ausgestattete Riesenrösterei sein, in der sich eine Vielzahl von Kaffees in verschiedensten Zubereitungsarten verkosten lässt. Dass der Espresso mit 1,80 Euro fast doppelt so teuer ist wie in normalen Cafés, stört niemanden. Der Andrang ist so groß, dass Türsteher den Zugang regeln und Besucher auch Wartezeiten von bis zu 45 Minuten akzeptieren.Italiens Hersteller wie Pascucci, Illy, Segafreddo oder Lavazza bleiben nicht untätig. Sie setzen auf Premium. Angesichts von Café-Riesen wie Nestlé oder Starbucks, die auf 22 Mrd. Dollar Umsatz kommt, sind sie eher Zwerge. Aber sie haben eine gute Position im Markt und expandieren international. Die Massimo Zanetti Beverage Group (Segafreddo) übernahm im Oktober für 24 Mill. Euro die australische Kaffeekette The Bean Alliance und schaffte sich so ein starkes Standbein auf dem Fünften Kontinent. Zanetti ist seit 2015 an der Mailänder Börse notiert, setzt fast 1 Mrd. Euro um, ist in weltweit 110 Ländern tätig und verkauft auch Kaffeemaschinen, Tees, Kakao und Schokolade. Im Ausland bekannt ist die Marke durch ihre Segafreddo-Kaffeehäuser.Die 1933 in Triest gegründete Illy will ein “Stachel im Fleisch der Großen” sein. Vor wenigen Monaten hat Illy einen Deal mit der Reimann-Holding JAB geschlossen. Deren niederländische Kaffeerösterei Douwe Egberts übernimmt für die italienische Marke künftig die Herstellung und den Vertrieb von Nespresso-kompatiblen Alukapseln, die mit einem Preis von 4,29 Euro (je zehn Stück) die teuersten im Markt sind. Das Familienunternehmen Illy kommt auf Erlöse von knapp unter 500 Mill. Euro. CEO Massimiliano Pogliani will das Know-how der Marke durch “Kaffee-Akademien'”, in denen die Baristas geschult werden, ausbauen und sucht Partner aus anderen gastronomischen Sektoren zur Verbreitung der echten italienischen Barkultur. Der Börsengang der Nicht-Kaffee-Aktivitäten (Dammann Frères-Tees, Domari-Schokolade, Agrimontana-Marmelade, Weine) wurde einstweilen verschoben.Ein Großer unter den italienischen Kaffeeanbietern ist Lavazza. Das 1895 gegründete Familienunternehmen in vierter Generation kommt auf stolze Jahreserlöse von mehr als 2 Mrd. Euro. Der Kaffeeröster aus Turin hat gerade für 300 Mill. Euro die Kaffeesparte des US-Riesen Mars übernommen. Damit erhält Lavazza Zugang speziell zum US-Büromarkt, wo viele der Mars-Kaffeemaschinen stehen. Zuvor hatte Lavazza bereits die Kaffeemarken Carte Noire und ESP in Frankreich, Merrild in Dänemark und Kicking Horse Coffee in Kanada erworben. In Australien kauften die Italiener die Blue Pod Coffee Company, einen exklusiven Vertreiber von Kaffeemaschinen und -kapseln.Die Kapseln haben neben dem Vordringen der Kaffeevollautomaten den Niedergang der Kultmarke Bialetti mit ihrem achteckigen Espressokocher “Moka Express” beschleunigt. Die in verschiedenen Größen verkauften Kannen finden sich in jedem italienischen Haushalt – und sogar im New Yorker Museum of Modern Art (Moma). Zwar hat Bialetti seit einigen Jahren auch elektrische Kaffeemaschinen und -kapseln sowie Tassen, Pfannen und andere Dinge im Angebot. Aber das 90 Jahre alte Familienunternehmen ist hoch verschuldet und hat Gläubigerschutz beantragt. Nun soll es der US-Hedgefonds Och-Ziff Capital mit einem Darlehen retten.So mancher italienische Kaffeetrinker besinnt sich da auf das genussvolle Kaffeetrinken, für das man sich auch viel Zeit lassen kann. Ultraschicke Mini-Kaffeeröstereien schießen derzeit gerade in norditalienischen Städten wie Turin oder Mailand aus dem Boden.