Huawei macht aus der Not eine Tugend

Eigenes mobiles Betriebssystem soll US-Bann umgehen und greift zugleich die Bastion von Google an

Huawei macht aus der Not eine Tugend

Von Heidi Rohde, FrankfurtUm dem immer breiter werdenden Bannstrahl der USA zu entkommen, treibt der chinesische Technologiekonzern Huawei die Entwicklung des eigenen Betriebssystems für mobile Endgeräte mit erhöhtem Tempo voran. Der neuen Version der Systemsoftware Harmony 2.0, die Huawei auf ihrer globalen Entwicklerkonferenz vorstellte, soll gelingen, woran bisher alle gescheitert sind: der Aufbau eines dritten Ökosystems, das das Duopol von Apple und Google aufbricht und vor allem die gewaltige Übermacht der Google-Software Android beendet.Das Unternehmen hatte Harmony im August 2019 vorgestellt, um der rasant gewachsenen Consumer-Sparte eine Perspektive zu geben. Denn die von den USA erlassenen umfangreichen Handelsbeschränkungen trafen nicht nur die Netzwerksparte, mit der sich Huawei global zum Marktführer aufgeschwungen hatte, sondern drohten auch dem Smartphone-Geschäft die Lebensader abzuschneiden. Die Chinesen, die sich auch in diesem Bereich mit massiven Investitionen einen Spitzenplatz erkämpft haben, sind bisher neben Samsung der global größte Lizenznehmer von Android und somit auch ein wichtiger Pfeiler für die Marktmacht der Google-Systemsoftware. Nachdem Huawei auf ihren neuen Geräten jedoch nur noch Basisversion verwenden darf und außerdem auf wichtige “Killer-Apps” wie Maps, Youtube, Facebook, Whatsapp oder Instagram verzichten muss, ist das Geschäft außerhalb Chinas bedroht. In China selbst, wo diese Apps aufgrund eines staatlichen Verbots ohnehin verboten sind, betreibt der Konzern bereits von Beginn an einen eigenen App Store, dessen Inhalte ebenfalls einen Grundstock für ein Harmony-Ökosystem sein könnten. Noch ein ZwergBisher zählt Huawei 490 Millionen aktive Nutzer in 170 Ländern. Eine Community von 1,8 Millionen Entwicklern ist engagiert, 5 000 Ingenieure. Die Zahl der Apps wird allerdings bisher mit 96 000 angegeben, ein Bruchteil der im Play Store verfügbaren rund 3 Millionen. Ebenfalls riesig ist der Abstand zum App Store mit rund 2,2 Millionen. Damit zeigen sich auf den ersten Blick ähnlich ungleiche Kräfteverhältnisse, die bisher allen Angreifern des Duopols zu schaffen gemacht haben. Zwei Technologieikonen wie Nokia und Microsoft sind an der Etablierung einer dritten Plattform ebenso gescheitert wie die mit viel Tamtam von großen Telekomkonzernen gestützte Firefox-Initiative vor einigen Jahren.Huawei kann auf den Heimvorteil im zweitgrößten Mobilfunkmarkt der Welt bauen, Apple und Google bauen allerdings auf den größten – und noch immer innovativsten. Das Schicksal einer dritten Plattform entscheidet sich allerdings weder dort noch in irgendwelchen Entwicklungsländern, wie die Firefox-Initiative einst gehofft hatte, sondern vermutlich in Europa. Derzeit erscheint eher fraglich, dass die westlich orientierten Kunden des europäischen Wirtschaftsraums auf Google und die genannten Killer-Apps verzichten. Der chinesische Konzern versucht daher, auch andere Smartphone-Hersteller von Android wegzulocken, um Harmony zunächst auf der Anbieterseite zu verbreitern. Auch damit sind andere gescheitert.Die Google-Plattform ist so dominant, dass das Start-up HMD, dem die Marke Nokia gehört, sich entschlossen hat, auf Android zu bauen. Um neu im Smartphone-Markt Fuß zu fassen, gibt es derzeit keine Alternative. Trotz allem ist der Angriff von Huawei nicht aussichtslos. Denn zumindest den Handy-Herstellern wäre eine Alternative zu Android hochwillkommen. Viele Anbieter hat die mangelnde Differenzierungsmöglichkeit im Smartphone-Markt, auf dem praktisch alle Marken außer Apples iPhone dieselbe Software nutzen, schon aus dem Markt gedrängt, auch namhafte.——Mit dem eigenen mobilen Betriebssystem Harmony will Huawei die Bastion von Google angreifen.——