IM INTERVIEW: SAMI ATIYA

"In China sind wir die klare Nummer 1"

Der Robotik-Chef von ABB über Wachstum in Fernost und den Trend zu kleineren Anlagen

"In China sind wir die klare Nummer 1"

– Herr Atiya, warum sollte man sich in der Bar sein Bier lieber von einem Roboter einschenken lassen als von einem Menschen?Roboter sind heute zu vielen fantastischen Dingen in der Lage. Sie können problemlos auch ein Bier einschenken, aber den größten Wert haben unsere Roboter bei Industrieanwendungen. Denn dafür haben wir sie entwickelt. Heute können Menschen und Roboter dank künstlicher Intelligenz und neuester Automatisierungstechnik auch auf engstem Raum sicher zusammenarbeiten.- ABB hat zuletzt überraschend starkes Wachstum in der Robotiksparte gezeigt, während von den Konkurrenten Kuka und Fanuc gedämpfte Töne kamen. Nehmen Sie der Konkurrenz Marktanteile ab?Wir sind in der Robotik und Fertigungsautomation eine stark wachsende Nummer 2 am Weltmarkt. Zudem sind wir ein globaler Innovationsführer, der in dem Bereich kräftig investiert. Und unser klares Ziel ist es, Weltmarktführer zu werden. Wir glauben, dass wir zusammen mit unserem führenden Portfolio digitaler Lösungen, ABB Ability, einzigartig positioniert sind, um von der positiven Dynamik im Robotik-Markt zu profitieren.- Was machen Sie besser als die Konkurrenten? Ist Kuka seit der Übernahme durch Midea etwa zu stark mit sich selbst beschäftigt? Hat die Konkurrenz nicht die richtigen Produkte im Portfolio?Wir äußern uns grundsätzlich nicht zur Konkurrenz und fokussieren uns auf uns. Wir bieten unseren Kunden einen One-Stop-Shop bestehend aus dem erfolgreichen Maschinen- und Fabrikautomationsgeschäft von B&R sowie unseren leistungsstarken Robotiklösungen. Damit haben wir ein einzigartiges, umfassendes Angebot. Das hilft unseren Kunden rund um den Globus, die flexible Fabrik der Zukunft zu gestalten. ABB ist zudem das einzige multinationale Robotik-Unternehmen mit einer kompletten Wertschöpfungskette in China (R&D, Fertigung, Sales, Konstruktion, Systemintegration), der einzige globale Player mit US-Fertigungsstandorten und wir sind der größte Roboter-Hersteller Europas. Unsere globale Aufstellung bringt uns näher an die Kunden und schützt uns vor möglichen Handelsbarrieren.- Wächst ABB in China denn stärker mit Robotik als die weltweite Konkurrenz?In China sind wir die klare Nummer 1. Wir werden unser Wachstum in China auch in Zukunft fortsetzen und weiterhin investieren. Wir haben erst im Oktober 2018 noch einmal eine 150-Mill.-Dollar-Investition in den Bau der weltweit fortschrittlichsten und flexibelsten Roboterfabrik in Schanghai angekündigt. Und im November 2018 haben wir das hochmoderne Innovations- und Fertigungszentrum in Xiamen – eine 300-Mill.-Dollar-Investition – eingeweiht.- Im ABB-Konzern hat die Robotik im vierten Quartal die operative Marge (Ebita) um 1,2 Punkte auf 15 % gesteigert und damit eine deutlich höhere Rendite gezeigt als die anderen ABB-Sparten. Woran liegt das? Wird sich eine Ebita-Marge von 15 % auf Dauer halten lassen?Wir profitieren von unserer agilen Ausrichtung auf spezifische Kundensegmente, unserem breiten Portfolio und Lösungsangebot sowie unseren Kostenmaßnahmen. Der von mir verantwortete Geschäftsbereich Robotik und Fertigungsautomation hat sich eine mittelfristige Marge von 13 bis 17 % zum Ziel gesetzt. Im letzten Quartal sind wir übrigens trotz einer Abkühlung der Branchenkonjunktur auch in der Autoindustrie gewachsen. Dies liegt auch an der zunehmenden Bedeutung der E-Mobilität.- In der Robotik wird mit einem Marktwachstum von 6 % pro Jahr gerechnet, das ist doppelt so viel wie in den übrigen drei Sparten Elektrifizierungsprodukte, Industrieautomation und Motoren, mit denen sich ABB künftig aufstellt. Wollen Sie auch durch Zukäufe wachsen?In den vergangenen Jahren haben wir uns entweder durch Akquisitionen im Bereich Logistik und Vision-Systeme oder durch Partnerschaften mit Hochschulen und führenden Software-Herstellern gestärkt. Wir werden diese Strategie weiterverfolgen. Zum Beispiel bieten wir unseren Kunden mit unserer neuen globalen Software-Partnerschaft mit Dassault Systèmes in Kombination mit ABB Ability ein einzigartiges Portfolio an durchgängig digitalen Lösungen.- Welche Unternehmen sind die größten Abnehmer von ABB-Robotern?Erstausrüster der Automobilbranche und ihre Zulieferer sind wichtige Kunden. Zu unserem Kundenmix gehören aber auch globale und lokale Marktführer der Lebensmittel- und Getränkeindustrie und einige der weltweit größten Elektronikhersteller. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen kann ABB ein erfreuliches Wachstum verzeichnen. Die Anzahl der Roboter pro Anlage ist hier zwar geringer, aber der Markt hat ein großes Potenzial.- Wie hoch ist der Anteil kollaborativer Roboter, also von Geräten, die mit dem Menschen zusammenarbeiten, derzeit am Robotik-Umsatz von ABB?Der Anteil kollaborativer Roboter ist noch klein, aber wachsend. ABB bietet ein breit aufgestelltes Portfolio an kollaborativen Automatisierungslösungen für ganz unterschiedliche Markterfordernisse. Das Angebot reicht von unserem hochpräzisen kollaborativen Roboter Yumi mit modernster Bewegungssteuerung für die Kleinteilmontage bis zu Safemove 2, der fortschrittlichen, sicherheitszertifizierten Software von ABB zur Überwachung und Steuerung von Roboterbewegungen. Safemove 2 kann jeden angeschlossenen Industrieroboter in einen kollaborativen Roboter verwandeln, selbst Schwerlastroboter wie unseren IRB 8700, der 800 Kilogramm schwere Fahrzeugkarosserien handhaben kann.- Wie hoch wird der Anteil kollaborativer Roboter in fünf Jahren sein?Die kollaborative Automatisierung bietet viel Spielraum für Wachstum, und wir haben unser Produktangebot erweitert, um diesen Trend zu unterstützen. Nach Angaben des Forschungsinstituts ABI Research wird der Markt für kollaborative Roboter sprunghaft wachsen – von 3 000 Einheiten im Jahr 2015 auf über 40 000 Einheiten im Jahr 2020: eine ganz beträchtliche durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 67 %. Wir können uns vorstellen, dass in fünf Jahren einer von drei Robotern kollaborativ sein wird.- Geht der Trend weg von großen hin zu kleinen Robotern, und wenn ja, warum?Wir sehen vor allem einen Trend hin zu immer flexibleren Robotern. Daneben ist der Auftragsmix von großen und kleinen Robotern heute ausgewogener als früher. Die Automobilbranche ist weiterhin die größte Kundengruppe und sie fragt insbesondere große Roboter nach. Doch andere Sektoren, wie die Elektronik- und Lebensmittelindustrie, holen schnell auf. Hier sind verstärkt kleinere Roboter gefragt. Daneben kaufen immer mehr mittelständische Firmen ihre ersten Roboter – im Allgemeinen kleinere Modelle, die einfach zu integrieren sind.- Arbeiten Sie auch an Robotern, die in der Medizin oder in der Pflege alter Menschen eingesetzt werden können?Unser Fokus liegt ganz klar auf Industrierobotern. Hier sind wir Technologieführer.—-Das Interview führte Daniel Schauber.