Infineon wagt erneut Zukauf in den USA
Nach dem gescheiterten Erwerb von Wolfspeed prescht Infineon abermals in den USA mit einem Übernahmeversuch vor. Deutschlands größter Halbleiterhersteller will den deutlich kleineren Wettbewerber Cypress für 9 Mrd. Euro schlucken. Es wäre die größte Akquisition des Dax-Mitglieds in der Unternehmensgeschichte. sck München – Infineon wagt die größte Übernahme in ihrer Unternehmensgeschichte. Deutschlands führender Halbleiterhersteller kündigte an, für 9 Mrd. Euro den kleineren US-Wettbewerber Cypress Semiconductor übernehmen zu wollen. Der Dax-Konzern zahlt damit das 4,5-Fache des Jahresumsatzes (vgl. Tabelle). Infineon bietet den Aktionären des Unternehmens mit Sitz in San Jose (Kalifornien) 23,85 Dollar je Aktie in bar. Der Angebotspreis entspricht nach Unternehmensangaben einer Prämie von 46 % auf den unbeeinflussten 30-tägigen volumengewichteten Durchschnittskurs im Zeitraum vom 15. April bis 28. Mai 2019, dem letzten Handelstag vor Medienberichten über einen potenziellen Verkauf von Cypress. Das Management von Cypress unterstützt die Übernahme durch Infineon.In einer Telefonkonferenz mit Journalisten räumte Vorstandschef Reinhard Ploss ein, dass das ein “stolzer Preis” sei. “Aus unserer Sicht war dieser aber akzeptabel”, ergänzte der CEO. Er deutete an, dass die aktuelle Branchenschwäche und die Belastungen infolge des Handelskonflikts zwischen den USA und China zu Preisabschlägen geführt hätten. “Ansonsten wäre der Preis noch höher ausgefallen.” Infineon sei vor fünf Wochen in den Bieterprozess eingestiegen.Nun blase Infineon der “kühle Wind von der Equity-Finanzierung” entgegen, kommentierte Ploss die Reaktion des Marktes auf die Übernahme. Die Anleger reagierten skeptisch. Die Aktie büßte zeitweise 10,2 % ein und beendete den Xetra-Handel bei 14,79 Euro (-8,1%). Das Papier war damit schwächster Wert im deutschen Leitindex. Investoren fürchten Verwässerungseffekte.So will Infineon rund 30 % des Kaufpreises mit neuem Eigenkapital finanzieren. Laut Finanzvorstand Sven Schneider handelt es sich dabei um 2,7 Mrd. Euro. Seinen Worten zufolge hat Infineon dazu mehrere Optionen. Er nannte neben der Kapitalerhöhung mit oder ohne Bezugsrecht unter anderem die Emission von Pflichtwandelanleihen. Der CEO führte auf, dass das Unternehmen über einen Vorratsbeschluss für eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte verfüge. Neben der Finanzierung über Eigenkapital kündigte Schneider an, zudem bis zu 0,5 Mrd. Euro aus Barmitteln zu stemmen. Den Löwenanteil des Kaufpreises will das Management aber über neues Fremdkapital finanzieren. Das wären rund 5,8 Mrd. Euro. Dazu erhielt Infineon von einem Bankenkonsortium aus Credit Suisse, J.P. Morgan und Bank of America Merrill Lynch eine verbindliche Finanzierungszusage im Rahmen eines syndizierten Kredits. Kirkland & Ellis LLP und Freshfields Bruckhaus Deringer LLP agierten als Rechtsberater von Infineon.Der CFO ist davon überzeugt, mit dieser gemischten Finanzierung “weiterhin ein stabiles Investment-Grade-Rating zu erhalten”. Denn die “strategische Liquiditätsreserve” bleibe unangetastet. Bei Infineon setzt sich diese Summe aus 1 Mrd. Euro plus 10 % vom Jahresumsatz zusammen. Das sind nach derzeitigem Stand 1,8 Mrd. Euro. Schlechterer Ausblick bei S&P Kurz nach der Bekanntgabe der Übernahmepläne teilte Standard & Poor’s (S&P) mit, die Bonitätseinstufung des Unternehmens mit einem negativen Ausblick (“Credit Watch negative”) zu versehen. Die Ratingagentur kündigte an, dies wieder zurückzunehmen, sollte Infineon die angekündigten Ziele für den Zukauf erreichen. Die Ratingagentur vergab Infineon im Februar 2016 erstmals ein langfristiges Kreditrating mit der Bonität “BBB” bei einem “stabilen” Ausblick. Infineon zufolge verbessert die Übernahme die eigene Finanzkraft. Der Vorstand bezifferte die erwarteten Kostensynergien bis 2022 auf jährlich 180 Mill. Euro. Das komplementäre Portfolio beider Unternehmen schlage sich langfristig in Umsatzsynergien von über 1,5 Mrd. Euro nieder. Nach der Integration von Cypress peilt Infineon ein durchschnittliches jährliches Erlöswachstum von 9 % und mehr an (bisher bis zu 9 %). Für die operative Umsatzrendite stellte der Vorstand künftig 19 % (bisher 17 %) als Zielgröße in Aussicht.Ploss zeigte sich davon überzeugt, dass die Übernahme von Cypress der richtige Weg sei, Infineon strategisch noch robuster aufzustellen. Der Erwerb stärke die Position von Infineon insbesondere im Bereich der Mikrocontroller, sagte er. Das Unternehmen werde nun zu einem Komplettlieferanten. Cypress ergänze die Produktstrategie von Infineon. Der Konzern rücke mit der Akquisition weltweit auf Platz 8 unter den Chipherstellern vor. Derzeit befindet sich Infineon auf Platz 11 (vgl. Grafik). Im Wachstumssegment Automotive arbeitet sich Infineon mit dem Zukauf bei einem Marktanteil von 13 % auf Rang 1 vor. Die frühere Siemens-Tochter würde damit den niederländischen Konkurrenten NXP überholen. Derzeit befindet sich Infineon hier auf Platz 2 mit einem Marktanteil von 11 %. Abschluss bis Anfang 2020 Der CEO will den Erwerb Ende 2019/Anfang 2020 abschließen. Auf Nachfrage schätzte Ploss das Risiko als gering ein, dass die US-Administration die Übernahme ablehnt. Cypress stellte keine sicherheitsrelevanten Halbleiter her. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren scheiterte der Dax-Konzern mit der Übernahme von Wolfspeed am Veto Washingtons (vgl. BZ vom 10.2.2017). Die US-Regierung begründete das seinerzeit mit Sicherheitsbedenken. Die Einheit des US-Anbieters Cree lieferte unter anderem Produkte fürs Militär. “Wir fühlen uns wohl bei dem Schritt in Bezug auf die Freigabe durch die zuständigen Behörden”, sagte der CEO nun über die Erfolgsaussichten einer Übernahme von Cypress. “Wir glauben, eine sehr solide Position zu haben. Wir haben ein gutes bis sehr gutes Gefühl.” Ploss verwies dabei auf die verbesserten Kontakte zum Kontrollausschuss der US-Regierung über ausländische Direktinvestitionen. “Wir sind enger verknüpft mit den amerikanischen Behörden.”Zugleich räumte er aber ein, dass Cypress im Handelsstreit zwischen den USA und China einer Embargoregelung unterworfen sei. Zuletzt verschärfte sich dieser Konflikt mit einem US-Boykott gegenüber dem chinesischen Netzausrüster Huawei. “Mit diesem Thema muss man zurechtkommen”, sagte dazu der Infineon-Chef.