Innogys England-Krise spitzt sich zu
Geteiltes Leid ist manchmal doppeltes Leid: Mit dem milliardenschweren Innogy-Deal wird Eon neben dem lukrativen Stromnetz auch ein notleidendes England-Geschäft und einen riesigen Schuldenberg übernehmen. Sollten die Zinsen wieder steigen, würde das zum Problem für den fusionierten Stromnetzkonzern.cru Frankfurt – Kurz vor der geplanten 22 Mrd. Euro schweren Megafusion von Innogy mit dem Konkurrenten Eon ist der addierte Schuldenberg der beiden Essener Energiekonzerne auf knapp 40 Mrd. Euro angewachsen. Dafür gibt es laut LBBW-Analyse drei Gründe: Die erstmalige Anwendung der Bilanzierungsregel IFRS 16 für Leasingverträge sowie die Rückgänge bei den Zinssätzen für Rückstellungen und ein schwächerer operativer Cash-flow haben den Schuldenstand von Innogy auf 20 Mrd. Euro vergrößert.Für Eon als künftige Innogy-Muttergesellschaft könnte das laut RBC-Analyst John Musk angesichts der eigenen Schulden bei Eon von ebenfalls 20 Mrd. Euro zum Problem werden. Zumal sich die Leiden beider Energiekonzerne im britischen Vertriebsgeschäft wegen des dort staatlich verordneten Preisdeckels für Stromverträge fortsetzen. Innogy hat im ersten Halbjahr – allerdings auch wegen des Verkaufs des tschechischen Gasnetzgeschäfts an Macquarie – mit 488 Mill. Euro gut ein Viertel weniger Nettogewinn eingefahren.Der Kurs der im MDax notierten Innogy-Aktie reagierte mit einem Minus von 1 % auf 43,24 Euro. Damit liegt der Börsenwert des Konzerns bei 24 Mrd. Euro. Haupteigentümer ist derzeit noch RWE mit 77 %. Aber sobald die Kartellwächter in Brüssel im September grünes Licht geben, gehen 89 % der Innogy-Aktien, die bereits Eon angedient wurden, in den Besitz des neuen Eigentümers über. Der Eon-Kurs sank um 1,5 %.Die seit Jahren wegen eines früheren Fehlers in der Abrechnungssoftware schwächelnde britische Innogy-Vertriebstochter Npower fuhr im hart umkämpften Geschäft auf der Insel einen operativen Verlust (bereinigtes Ebit) von 81 Mill. Euro ein, wie Innogy am Freitag mitteilte. Damit war der Fehlbetrag mehr als viermal so hoch wie im Jahr 2018. Noch mehr Verlust in UK”Am Ende des Jahres könnte der Verlust auf 250 Mill. Euro ansteigen”, kündigte Finanzvorstand Bernhard Günther in einer Telefonkonferenz anlässlich der Halbjahresbilanz an. Sobald Eon-Chef Johannes Teyssen bei Innogy am Ruder ist, dürfte er die desaströse britische Tochter Npower entweder hart sanieren, verkaufen oder abwickeln – zumal Eon in Großbritannien ebenfalls kaum noch Geld verdient.Während allerdings in Großbritannien die Zahl der Kunden sinkt, konnte Innogy in Deutschland zulegen. Der Essener Konzern hat hierzulande seit Jahresanfang 180 000 neue Kunden gewonnen und ist mit 8 Millionen Kunden der Marktführer. Trotz der Schwierigkeiten im Vertriebsgeschäft bestätigte Innogy-Vorstandschef Uwe Tigges die Prognose.Für 2019 erwartet der Konzern weiterhin ein bereinigtes Ebit von rund 2,3 Mrd. Euro und ein bereinigtes Nettoergebnis von rund 850 Mill. Euro. Im ersten Halbjahr ist der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 16 % auf 1,3 Mrd. Euro gesunken. “Der eine Grund ist der Ergebnisrückgang unseres Vertriebsgeschäfts aufgrund gestiegener Großhandelspreise sowie regulatorischer Eingriffe in Osteuropa und in UK (mit Preisobergrenzen für Standardtarife). Der andere Grund ist die Veräußerung unseres tschechischen Gasnetzgeschäfts”, begründete Finanzvorstand Bernhard Günther den Rückgang. Seit dem Verkauf im Februar trage das tschechische Gasnetzgeschäft nicht mehr zum Ergebnis bei.Dadurch ist das bereinigte Ebit in der wichtigsten Sparte für Netz & Infrastruktur auf 970 Mill. Euro gesunken. “Der Bereich Netz & Infrastruktur ist und bleibt aber das Rückgrat unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Auch im ersten Halbjahr steht das operative Netzgeschäft in gewohnt zuverlässiger Weise für einen Großteil unserer Erträge”, erklärte Konzernchef Tigges die anhaltende Zuversicht bei der Jahresprognose. Vorfreude bei RWEFreuen kann sich RWE: Die Innogy-Ökostromsparte, die an den ehemaligen Mutterkonzern übertragen wird, hat den operativen Gewinn nach der letztjährigen Flaute in der ersten Hälfte dieses Jahres um 43 % auf 239 Mill. Euro gesteigert. Im Zuge des vereinbarten Deals werden die Ökostromsparten von Eon und Innogy an RWE übergehen.