Investoren entdecken Life-Science- und Tech-Immobilien
Investoren entdecken Life-Science- und Tech-Immobilien
Colliers und ESPG analysieren die Besonderheiten des Markts – Spezialflächen mit spezieller Ausstattung – Hohe Mieterbindung – Parallelen zur Logistik
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Am Real-Estate-Markt in Europa entwickelt sich mit Life-Science- und Technologie-Immobilien eine neue Asset-Kategorie. Gemäß einer Analyse von Colliers und European Science Park Group (ESPG) ist das nach wie vor kleine Segment in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Die Expansion werde zunehmend institutionelle Investoren anziehen, erwartet der Immobiliendienstleister Colliers.
Corona-Pandemie, demografischer Wandel und steigende Ausgaben in der medizinischen Versorgung hätten das Wachstum der Life-Science- und Technologiebranche in den vergangenen Jahren beschleunigt. Gesundheitstechnologien seien verstärkt in den Vordergrund gerückt. Das habe direkte Auswirkung auf den Immobilienmarkt. In den USA sind Life-Science- und Tech-Immobilien laut der Studie bereits ein etablierter Teilsektor des gewerblichen Immobilienmarkts. Nun böten sich auch in Europa, insbesondere in Deutschland, Investitions- und Nutzungschancen.
Andreas Trumpp, Leiter Marktforschung von Colliers Deutschland, nennt vier Merkmale, die Life-Science- und Tech-Immobilien kennzeichnen: die Nähe zu Universitäten und Forschungseinrichtungen, Cluster mit einer vorherrschenden Branche oder Technologie, Spezialflächen mit spezieller Ausstattung sowie eine hohe Mieterbindung. Zu dem Sektor gehören Immobilien für Biotechnologie und Medizintechnik sowie für Clean Tech und Digitalisierung, nicht aber Immobilien, die der Gesundheitsversorgung dienen, beispielsweise Krankenhäuser.
Gewachsene Beziehungen zu lokalen Behörden und das Bestreben, etablierte Lieferketten zu erhalten, würden die Mieterbindung zusätzlich erhöhen, sagt Trumpp. Für die Durchführung von Versuchen seien auf kommunaler Ebene besondere Genehmigungen erforderlich. Da seien gute Kontakte zu den Ämtern hilfreich. Bei einem Standortwechsel müssten Lieferketten zumindest zum Teil neu aufgebaut werden, etwa die Untersuchung von Proben. Lieferketten umzuleiten sei meist schwierig.
Höhere Mieten als für Büros
„Life-Science- und Tech-Unternehmen benötigen spezielle Flächen, etwa für Labore, Produktion, Showrooms oder Kühlanlagen. Solche Flächen sind rar“, sagt Trumpp. Auch deshalb sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Mieter den Mietvertrag immer wieder verlängert. Die Flächen befänden sich überwiegend in Neubauten, Bestandsimmobilien seien meist nicht perfekt geeignet.
„Der Büromarkt ist riesig, der Life-Science-Markt klein“, sagt der Colliers-Berater. Nach seinen Angaben entfällt trotz des Wachstums erst 1% des Handels mit gewerblichen Immobilien auf den Life-Science- und Tech-Sektor. Das Transaktionsgeschäft sei kleinteilig – in zwei Dritteln der Fälle liege das Objektvolumen unter 50 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr sei der Transaktionsmarkt mit 530 Mill. Euro nahezu stabil geblieben, versichert ESPG-Vorstand Ralf Nöcker. Andere Segmente des Immobilienmarkts wie Wohnen und Büro seien dagegen eingebrochen.

„Der Vermietungsmarkt ist in den vergangenen Jahren dynamisch gewachsen“, sagt Trumpp. Zwischen 2018 und 2022 sei der Flächenumsatz um durchschnittlich 16% auf gut 300.000 Quadratmeter gestiegen. Trumpp rechnet damit, dass die wachsende Nachfrage in den kommenden Jahren mit steigendem Investoreninteresse einhergehen wird. Der Real-Estate-Experte erwartet eine ähnliche Dynamik in der Entwicklung wie im Logistikmarkt, der heute fest etabliert sei in den Portfolios institutioneller Investoren.
„Kaufpreise und Mieten sind deutlich höher als für reine Büros“, sagt ESPG-Vorstand Nöcker. Denn neben den Büroflächen würden dem Mieter spezielle Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Die Aufschläge lägen zwischen 20 und bis zu 100% inklusive besonderer Aufbauten.
Laut Nöcker ist die Kadans-Gruppe, die zum Axa-Konzern gehört, der größte Player in Europa mit einem Volumen von 4,5 Mrd. Euro. Global sei Alexandria Reit mit rund 25 Mrd. Dollar führend. Das Immobilienunternehmen Garbe, die Beos-Gruppe, die unter dem Dach von Swiss Life agiert, Credit Suisse und ESPG aus Köln, die frühere Diok Real Estate, investieren ebenfalls in dem Segment.
Das ESPG-Portfolio umfasst 16 Wissenschaftsparks mit 250 Mill. Euro Bilanzwert und wird laut Firmenangaben von Mietern aus Biowissenschaften, grünen Technologien oder digitaler Transformation geprägt. Im Juni 2022 stieg ein Investorenkonsortium unter Führung von Alvarium Investments aus London mit 49,9% bei ESPG ein.
Anleihe Ende September fällig
Ein zentrales Thema ist aktuell der Minibond im Volumen von 46,6 Mill. Euro, der Ende September, also in wenigen Monaten, fällig ist. Der Markt für Anleihe-Neuemissionen sei infolge des starken Zinsanstiegs und der volatilen Kapitalmärkte derzeit sehr schwierig oder sogar geschlossen, räumt Nöcker ein und versichert: „Wir arbeiten an einer Lösung.“
Unlängst hat ESPG die Quirin Privatbank als Berater an Bord geholt, um mit Anleihegläubigern die Optionen auszuloten. Das könnten ein Umtauschangebot, ein begrenzter Anleiherückkauf oder eine Anpassung der Anleihebedingungen nach Maßgabe des Schuldverschreibungsgesetzes sein, teilt das Unternehmen mit. Infolgedessen ging die Anleihenotierung erst einmal in die Knie. Das Rating (bisher „B“ von S&P) veröffentlicht ESPG nicht mehr. „Die Methodologie von Standard & Poor’s passt nicht zu uns“, meint Nöcker.