IM INTERVIEW: ALDO KAMPER

"Investoren werden nun realisieren, welcher Wert darin steckt"

Der Leoni-Vorstandschef über die Trennung von der Kabelsparte - Börsengang in der Schweiz ist eine Option - 200 Mill. Euro gesucht

"Investoren werden nun realisieren, welcher Wert darin steckt"

Herr Kamper, ist die Trennung von der Kabelsparte ein Notverkauf aus finanziellen Gründen?Nein. Wir wollen einen sauberen Prozess durchlaufen, auch um wertschaffend unsere Anteile zu veräußern. Daraus ergibt sich rein aus der Zeitleiste, dass die Trennung nicht die Antwort auf unsere Liquiditäts- oder Refinanzierungsfragen sein kann. Noch wichtiger aber ist: Wenn ein Unternehmen einen Finanzierungsbedarf hat, muss es diesen mit Finanzierungsinstrumenten lösen. Wenn es dagegen strategische Herausforderungen gibt, hat das Management strategische und organisatorische Schritte zu wählen. Beides zu vermischen würde zu einem Kuddelmuddel führen. Insofern gilt: Dies ist kein Notverkauf. Vielmehr folgen die Pläne für einen Börsengang beziehungsweise Verkauf einer industriellen Logik. Welche Logik sehen Sie?Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir das Geschäft mit Bordnetzen auf der einen Seite und die Kabelsparte auf der anderen Seite in ihrer strategischen Entwicklung behindern, wenn wir nur mit eigenen Mitteln und Ressourcen an den Themen arbeiten können. Beide Unternehmensbereiche sollen nun so aufgestellt werden, dass sie ihre Chancen optimal wahrnehmen und nicht vergebens weiter nach Synergien gesucht wird. Das Ziel sind zwei fokussierte Konzerne. Diese Zweiteilung war keine leichte Entscheidung, schließlich betrifft die Trennung jenen Bereich, in dem Leoni seine Wurzeln hat. Die Bewertungen für Kabelunternehmen gelten aktuell als tief. Wählen Sie den richtigen Zeitpunkt?Dies ist eine Frage der Sichtweise. Natürlich wissen wir alle gemeinsam nicht, wie sich der Kapitalmarkt in den nächsten Monaten entwickeln wird. Es ist auf jeden Fall insofern der richtige Zeitpunkt, als die Außenwelt sich auch diese Seite unseres Geschäfts ganz anders anschauen wird. Momentan steht das Kabelgeschäft sehr im Schatten des Bordnetzgeschäfts. Wenn ich auf Roadshow gehe, spreche ich zu 95 % über das Bordnetzgeschäft, weil dies deutlicher mit Leoni verbunden wird. Was bedeutet dies für die Bewertung?Wenn Sie unsere Vergleichsunternehmen anschauen, haben die Kabelfirmen tendenziell bessere Multiples als der Durchschnitt der Bordnetz-Hersteller. Investoren werden nun realisieren, welcher Wert in dem Geschäft steckt. Dies wird aus meiner Sicht zu einer attraktiven Bewertung führen. Börsengänge sind zuletzt schleppend verlaufen. Ist ein IPO in diesem Umfeld wirklich eine Option?Tatsächlich beschreiten wir momentan beide Wege, es ist ein komplett offener Prozess. Aber vielleicht wäre das Umfeld für einen solchen Börsengang auch eher in der Schweiz zu sehen. Dort findet man IPOs dieser Größe und diesen Zuschnitts häufiger, außerdem haben wir eine wesentliche Schweizer Präsenz in der Sparte. Auch einige Wettbewerber sind in der Schweiz gelistet. Man kann sich also einen Börsengang durchaus als Alternative zu einem Verkauf an Strategen oder Finanzinvestoren vorstellen. Die Kabelsparte lieferte zwar häufig niedrigere Margen als das Bordnetzgeschäft, diese aber sehr zuverlässig. Dies stabilisierte die Ergebnisse. Wird das Leoni-Geschäft durch die Trennung zu volatil?Die aktuelle Volatilität der Profitabilität ist sehr stark durch die spezifischen Probleme in unserem mexikanischen Bordnetz-Werk beeinflusst. Diese Effekte haben eine solche Durchschlagskraft, dass der ausgleichende Charakter des Kabelgeschäfts nicht mehr ausreicht. Letztendlich sehe ich es eher andersherum: Die Trennung von der Kabelsparte erlaubt uns eine weitere Fokussierung auf das Bordnetzgeschäft. Dies erhöht die Chance, dass wir es profitabel und mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit betreiben. Die Zyklizität beider Aktivitäten ist außerdem nicht so unterschiedlich, dass sich ein eigener Hedge ergeben würde. Wie hoch ist der Refinanzierungsbedarf des Gesamtkonzerns?Ende des ersten Quartals 2020 werden Schuldscheine in Höhe von knapp 200 Mill. Euro fällig. Diesen Finanzbedarf wollen wir vernünftig und rechtzeitig abdecken. Dies ist der wesentliche Schritt, den wir vorbereiten. Welche Option präferieren Sie?Wir wollen mit den Banken gemeinsam besprechen, wie wir das am besten gestalten. Bisher ist alles offen. Auf dem Aktienkurs lastet die Furcht, dass es eine massive Kapitalerhöhung gibt. Gehört eine derartige Emission auch zum Optionsraum?Anhand der Fälligkeiten lässt sich ja abschätzen, welchen Betrag wir brauchen. Wenn wir Eigenkapital einsetzen, wird dies nicht das einzige Mittel sein. Die Trennung von der Kabelsparte dient zwar wie geschildert nicht dem Thema Refinanzierung und Kapitalbedarf. Sie wird aber die Lösung erleichtern, weil sich die Kapitalstruktur verändert. Dies ist der positive Nebeneffekt des strategischen Schrittes. Das Interview führte Michael Flämig.