Pharmaindustrie

Italiens Vorzeigebranche zittert vor Trumps Zöllen

Italiens Pharmaindustrie ist eine der Vorzeigebranchen der italienischen Wirtschaft. Die geplanten US-Strafzölle träfen die Branche, die Waren für 10,5 Mrd. Euro in die USA exportiert, hart.

Italiens Vorzeigebranche zittert vor Trumps Zöllen

Italienische Pharmaindustrie

Vorzeigebranche zittert vor Trumps Zöllen

Pharma zählt in Italien zu den Schlüssel-Industrien – Starke Abhängigkeit von Ausfuhren in die USA

Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand

In Italiens Pharmaindustrie herrscht Alarmstimmung. Die von US-Präsident Donald Trump schon für den 1. August angedrohten Strafzölle würden die Unternehmen ins Mark treffen. Italiens Pharmabranche zählt mit einem Gesamtumsatz von 56 Mrd. Euro (2024) und einem Exportvolumen von 54 Mrd. Euro zu den führenden in Europa. Die Schlüsselbranche des Landes trägt 2% zum Bruttoinlandsprodukt und 9% zu den Exporten der Industrie bei.

Dass das außerhalb Italiens so wenig bekannt ist, liegt auch daran, dass keine der großen Pharmagruppen aus Italien kommt. Der Großteil der 71.000 direkt Beschäftigten der Branche arbeitet bei italienischen Filialen großer Konzerne wie Sanofi, Merck oder Pfizer.

Bedeutende Exporte

Trotz guter Zahlen hat die Branche Sorgen. Denn ein Großteil der Exporte geht in die USA, weltweit der größte und margenstärkste Pharmamarkt. Italiens Pharmaunternehmen exportieren dorthin jährlich Waren im Volumen von rund 10,5 Mrd. Euro. Die nun von Trump geplanten Zölle von 30% würden wohl viele Unternehmen aus dem Markt katapultieren. Bei Marcello Cattani, Präsident des Branchenverbandes Farmindustria, schrillen die Alarmglocken. Schon Zölle von nur 10% würden nach seinen Worten Schäden von 2,5 Mrd. Euro verursachen. Dazu komme die deutliche Schwäche des Dollar, die quasi wie ein weiterer Strafzoll wirke. Er hofft noch, dass sich am Ende der „gesunde Menschenverstand“ durchsetzt.

Der größte italienische Pharmakonzern ist Menarini aus Florenz mit einem Umsatz von 4,7 Mrd. Dollar vor Chiesi aus Parma. Beides sind international tätige Familienunternehmen. Doch die Pharmaindustrie des Landes ist durchaus auch an der Börse vertreten: Mit Recordati aus Mailand, einem Spezialisten für Produkte zur Behandlung von Infektionen, Herzerkrankungen und seltenen Krankheiten, und dem Diagnostik-Spezialisten Diasorin.

Ehrgeizige Ziele bei Recordati

Recordati hat für das erste Quartal 2025 einen Umsatz von 680 Mill. Euro (auf vergleichbarer Basis 7,2% mehr als im Vorjahr) und einen Anstieg des Nettogewinns um 1,2% auf 125 Mill. Euro vermeldet. Das Unternehmen hat für die nächsten Jahre ehrgeizige Wachstumsziele: Es will diversifizieren und für Übernahmen auch einen Anstieg der Verschuldung auf das Dreifache des Bruttobetriebsergebnisses (Ebitda) akzeptieren. Für dieses Jahr werden Erlöse von 3 bis 3,2 Mrd. Euro angepeilt. Die Prognose wird trotz der Strafzölle aus den USA bestätigt.

Das zu 47% von der Private-Equity-Gesellschaft CVC kontrollierte Unternehmen ist an der Börse mit gut 11 Mrd. Euro bewertet. Die Aktienperformance war zuletzt nicht berauschend: Binnen eines Jahres legte der Wert um 2,6% zu. Ein Grund dafür war ein starker Kursrückgang im Februar, nachdem CVC seinen Anteil um fünf Prozentpunkte reduziert hatte.

Allerdings gab es jüngst ein Aktienrückkaufprogramm und die Dividende wurde für 2024 gegenüber dem Vorjahr um 5,8% auf 1,27 Euro je Aktie angehoben.

Analysten heben die hohe Gewinnkonstanz und die relativ moderate Bewertung hervor. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) wird für 2025 mit 22,41 angegeben. Von 15 Analysten, die den Wert auf dem Schirm haben, empfehlen sieben den Kauf, sieben Halten und nur einer Verkaufen. Das durchschnittliches Kursziel liegt mit 58,69 Euro deutlich über dem derzeitigen Wert von um die 54 Euro.

Diagnostik mit Nespresso-Modell

Ein Analystenliebling ist Diasorin aus Saluggia in Piemont. Der Diagnostik-Spezialist weist hohe Margen aus und hat laut Frank Fischer von Shareholder Value ein „cleveres Verkaufsmodell, was sich mit dem von Nespresso vergleichen lässt“. Durch die Übernahme des US-Molekulardiagnostikers Luminex vor vier Jahren ist Diasorin in eine neue Größenordnung gewachsen. Größter Einzelmarkt ist seither die USA.

Diasorin wird zu 45 (Stimmrechte: 60)% von der IP Investimenti e Partecipazioni von Chairman Gustavo Dinegri kontrolliert und hat außer Fertigungsstätten in Italien, Großbritannien, den USA und Kanada auch ein Werk im hessischen Dietzenbach. Im ersten Quartal steigerte Diasorin den Umsatz um 8% auf 313 Mill. und den Nettogewinn um 9% auf 64 Mill. Euro. Obwohl der Aktienkurs im Jahresvergleich um fast 10% nachgegeben hat, sehen Analysten die Perspektiven positiv. Von 18 empfiehlt nur einer einen Verkauf.

Zuverlässige Gewinnentwicklung

Diasorin gilt als Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial und solider Marktposition. Das Gewinnplus lag in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich bei 9,3%.

Die drohenden US-Sonderzölle für die Pharmabranche lassen nicht nur in Deutschland die Alarmglocken schrillen. Auch Italien wäre davon in erheblichem Maße betroffen. Es ist wenig bekannt, dass die italienische Pharmabranche etwa so groß wie die deutsche ist und in großem Umfang in die USA exportiert.

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