Japans erstes Flugzeug wird einfach nicht fertig

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 11.2.2020 Es war kurz nach der Jahrtausendwende, als Japan davon zu träumen begann, zum ersten Mal seit den siebziger Jahren wieder ein kommerzielles Passagierflugzeug komplett selbst zu bauen. Bis dahin...

Japans erstes Flugzeug wird einfach nicht fertig

Von Martin Fritz, Tokio Es war kurz nach der Jahrtausendwende, als Japan davon zu träumen begann, zum ersten Mal seit den siebziger Jahren wieder ein kommerzielles Passagierflugzeug komplett selbst zu bauen. Bis dahin kauften die japanischen Gesellschaften JAL und ANA Maschinen von Boeing ein, im Gegenzug lieferten japanische Hersteller einige Teile wie die Flügel zu.Auf der Pariser Luftfahrtschau 2007 stellte Mitsubishi Heavy Industries (MHI) das Modell für ein eigenes Passagierflugzeug vor. Der “Mitsubishi Regional Jet” (MRJ) mit bis zu 92 Sitzen sollte eine Nische im US-Luftfahrtmarkt besetzen. Dort verwenden die Airlines kleine Jets für Zubringerflüge zu den großen Luftkreuzen. Der MRJ sollte die Basis für eine zivile Luftfahrtindustrie in Japan bilden. Symbolträchtig zog die Neugründung “Mitsubishi Aircraft” in das markante Firmengebäude mit dem Uhrturm in Nagoya ein. Dort hatte der MHI-Vorläufer im Zweiten Weltkrieg das gefürchtete Jagdflugzeug “Zero” konstruiert. Doch die Vision von der Wiederauferstehung zu alter Größe ist für MHI zum Alptraum geworden. Das erste Flugzeug wird erst im Geschäftsjahr ab April 2021 oder später ausgeliefert. Es ist der sechste Aufschub, eigentlich sollte der MRJ schon 2013 kommerziell fliegen.Nach der neuerlichen Verzögerung kündigte Erstkunde ANA an, eine Entschädigung zu verlangen. Aber das ist das geringste Problem von MHI. Ursprünglich sollte die Entwicklung des Fliegers 150 Mrd. Yen (1,3 Mrd. Euro) kosten, 50 Mrd. Yen davon steuerte Japans Regierung bei. Aber die Kosten sind inzwischen auf 600 Mrd. Yen explodiert. Laut der Finanzzeitung “Nikkei” dürften sie auf über 1 Bill. Yen (8,3 Mrd. Euro) anwachsen. Die Jet-Version für die USA muss nämlich auf 70 Sitze verkleinert werden, nachdem sich die japanische Hoffnung auf eine Änderung dieses Limits nicht erfüllt hat.Kein Beobachter ist überrascht. Von Anfang an liefen die Japaner ihren eigenen Zeitplänen hinterher. Der Sprung vom Zulieferer zum Hersteller war einfach viel zu weit. Schon der erste Testflug wurde drei Mal verschoben. Sowohl das Unternehmen als auch die Aufsicht in Japan mussten von der Pike auf lernen, wie man ein Flugzeug zertifiziert. Doch erst in diesem Geschäftsjahr zieht MHI die Konsequenzen und schreibt 496,4 Mrd. Yen (4,1 Mrd. Euro) ab.Jedes westliche Unternehmen hätte das Projekt längst beerdigt. Aber in Japan geht man auch noch mit einem zerbrochenen Krug zum Brunnen. Im Vorjahr benannte MHI den MRJ in “Spacejet” um und kaufte für 750 Mill. Dollar die Wartung, Support, Neuausstattung, Marketing und Vertrieb für Regionaljets von Bombardier, obwohl die Kanadier mit ihrem CRJ 900 rote Zahlen schrieben.Aber auch das half nichts. Im Oktober sprang der zweitgrößte Kunde ab. Trans States Holdings stornierte die Bestellung von 100 Maschinen, nun stehen nur noch 300 Jets im Auftragsbuch. Selbst der japanische Zulieferer Toray Industries stieg aus, MHI muss die Teile aus Karbon nun selbst fertigen. Dennoch tröstet Mitsubishi seine Anleger mit dem Hinweis, dass die Verlustvorträge die Steuern unterm Strich mindern werden. Komisch, dass sich der Aktienkurs seit vier Jahren kaum von der Stelle bewegt hat.——Der Sprung vom Zulieferer zum Hersteller war für Mitsubishi Heavy einfach viel zu weit.——