Jede zweite Zahlung kommt zu spät
Jede zweite Zahlung kommt zu spät
Viele Eingänge laut Atradius in Verzug – Creditreform sieht verhaltenen Optimismus
sar Frankfurt
Verspätete Zahlungen bleiben für viele Unternehmen in Deutschland ein großes Problem. Das zeigt eine Befragung des Kreditversicherers Atradius, an der sich Ende März und Anfang April mehr als 200 Personen aus Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen beteiligt haben. 60% der Befragten gaben an, das Zahlungsverhalten ihrer Kunden habe sich zuletzt verschlechtert. Der Anteil überfälliger Rechnungen lag im Schnitt bei 57%.
Als Hauptgrund für verspätete Zahlungseingänge nennen die Teilnehmer Liquiditätsprobleme der Kunden, wirtschaftlichen Druck sowie betriebliche Einschränkungen und Störungen in der Lieferkette. Eine Folge: „Zahlungsrisiken können nicht mehr allein intern abgefedert werden“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland von Atradius.
Befragte rechnen mit mehr Insolvenzen
Laut Umfrage erwarten 62% der Teilnehmer in den kommenden zwölf Monaten einen Anstieg der Insolvenzen von B2B-Kunden. Damit einher geht auch die Sorge darüber, dass die Zeit bis zum Zahlungseingang (Days Sales Outstanding) weiter zunehmen wird.
Fast ein Drittel der befragten Unternehmen rechnet in den kommenden Monaten mit einem langsameren Zahlungseingang. Ein ebenso großer Anteil erwartet laut der Befragung, dass die Lieferanten ihrerseits die Zahlungsfristen verkürzen und schnellere Zahlungen erwarten.
Die Branchen Bau, Maschinenbau und Automobil leiden Atradius zufolge besonders unter einem hohen Liquiditätsdruck. Sie zählen auch zu den Branchen, die von den Mitgliedern der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland zurzeit als besonders krisenanfällig eingestuft werden.
Unternehmen wollen Kunden nicht verschrecken
Ein Anteil von 8% der Forderungen gilt laut Atradius als uneinbringlich und damit verloren. Dennoch tun sich offenbar viele Marktteilnehmer schwer damit, bei ihren Zahlungsbedingungen die Zügel anzuziehen: „Trotz dieser negativen Entwicklung haben 54% der Unternehmen ihre Zahlungsbedingungen gegenüber Kunden fast unverändert beibehalten, um die Kundenbeziehungen zu erhalten“, sagt Country Director Liebold.
Zwar ist laut Atradius mehr als die Hälfte der Zahlungen verspätet. Daten der Auskunftei Creditreform malen jedoch ein weniger düsteres Bild: Sie legen nahe, dass die Unternehmen zumindest weniger lang auf die überfälligen Zahlungen warten müssen. Der Zahlungsverzug, ermittelt aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Zahlungsziel und dem tatsächlichen Zahlungseingang, lag laut Creditreform zuletzt bei 7,7 Tagen – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Vorjahreszeitraum, als der Verzug bei 8,9 Tagen lag.
Creditreform sieht Fokus auf Liquidität
Während die Atradius-Befragung einen verhaltenen Ausblick zeigt, ist Creditreform auch hier positiver gestimmt: „Die Stimmung bei den Mittelständlern ist insgesamt noch im Keller, auch wenn viele verhalten optimistisch in die Zukunft blicken“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.
Viele Unternehmen hätten ihr Forderungsmanagement inzwischen „den harten Zeiten angepasst“ und legten mehr Fokus auf Liquiditätserhalt. Allerdings bleiben sie im Sparmodus: „Wir sehen weiterhin, dass die Betriebe immer noch zu wenig investieren und auch selten Kredite für Investitionen nachfragen“, sagt Hantzsch. Dies sei aber „zwingend notwendig, um den Standort wettbewerbsfähig zu halten.“