Serie "Künstliche Intelligenz"Der Arbeitsmarkt

Kampf um Talente im Silicon Valley heizt sich auf

Der Wettbewerb der Tech-Konzerne bei künstlicher Intelligenz heizt sich zunehmend auf. Dies macht sich auch am Jobmarkt bemerkbar, wo die Branchenvertreter hart um Talente kämpfen.

Kampf um Talente im Silicon Valley heizt sich auf

Serie Künstliche Intelligenz: Der Arbeitsmarkt (7)

Kampf um Tech-Talente heizt sich auf

Analysten warnen vor folgenschwerem Fachkräftemangel – Konzerne locken Entwickler – Google erweitert KI-Integration

Der aufgeheizte Wettbewerb in künstlicher Intelligenz (KI) macht sich auf dem Jobmarkt bemerkbar. Denn während es in anderen Sparten zu einem starken Stellenabbau kommt, fehlt den Tech-Konzernen in der Software-Entwicklung fachkundiges Personal. Entsprechend hart ringen die Unternehmen um Talente.

Von Alex Wehnert, New York

Während die Aufmerksamkeit des breiten Börsenpublikums vor allem der Entlassungswelle im Tech-Sektor gilt, ringen die Unternehmen im Silicon Valley auf Schlüsselfeldern mit einer starken Unterversorgung an Fachkompetenz. Insbesondere bei künstlicher Intelligenz (KI) hat sich der Wettbewerb zwischen führenden Branchenvertretern wie Google und Microsoft sowie spezialisierten Software-Schmieden aufgeheizt – dies macht sich auch auf dem Jobmarkt bemerkbar.

„Der Kampf um die besten Talente wird für Tech-Firmen zum entscheidenden Faktor im Wettbewerb“, sagt Carsten Middendorf, Chief Investment Officer bei Allianz X, der Venture-Einheit des Versicherungskonzerns. Der Trend habe sich jüngst zwar verstärkt – aber nicht erst damit begonnen, dass KI in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. „Vor allem Softwareentwickler und Experten für die Analyse und das Management von Daten sind schon seit Jahren sehr gefragt“, betont Middendorf.

Dies belegt auch eine Umfrage der Beratungsgesellschaft McKinsey: Bereits im Jahr 2020 stellten 43% der 1.216 teilnehmenden Führungskräfte Qualifikationsdefizite innerhalb ihrer Unternehmen fest. Zusammengenommen rechnen weitere 49% damit, dass sich solche Mängel angesichts des technologischen Fortschritts bis spätestens 2030 auftun werden. Den dringlichsten Verbesserungsbedarf sahen die Befragten in der Datenanalyse, auf Platz 2 folgen die generelle IT, mobile Anwendungen sowie Webdesign.

Fehlende Milliardenerlöse

Die Beratungsfirma Korn Ferry geht davon aus, dass bis 2030 global 85 Millionen Tech-Mitarbeiter fehlen werden, wodurch den Volkswirtschaften jährlich 8,5 Bill. Dollar an Einnahmen entgingen. Nach Ansicht von Allianz X beschränkt sich der Kampf um die besten Talente aber nicht auf technologieorientierte Bereiche. „Auch im Vertrieb werden Top-Leute immer gesucht“, sagt Middendorf. Der Fokus liege allerorten auf Spezialisten, wohingegen Generalisten weniger gefragt seien. 

Gerade bei den Tech-Konzernen steht mit generativer KI ein Bereich im Mittelpunkt der Wachstumshoffnungen, der sehr spezifische Kompetenzen von Entwicklern erfordert. Wie komplex die Arbeit an lernfähigen Algorithmen ist, zeigt sich auch am langen Zögern von Alphabet bei der Erweiterung von Google um neue KI-Funktionen. Erst nachdem Microsoft die Suchmaschine Bing mit Anwendungen der für ihren Textgenerator ChatGPT bekannten Software-Schmiede OpenAI ausrüstete und bei Alphabet laut Insidern die Furcht vor einem Verlust der eigenen Vormachtstellung wuchs, wurde der Konzern aus Mountain View offensiver.

Gerade in der Datenanalyse sehen Unternehmen einen massiven Mangel an Fachkompetenz.

Bei der jährlichen Entwicklerkonferenz I/O kündigte Alphabet-CEO Sundar Pichai nun eine KI-Integration für die Google-Suche sowie verschiedene weitere Produkte wie das E-Mail-Programm Gmail und die Kartenanwendung Maps an. Der hauseigene Textgenerator Bard werde durch ein Update verbessert und für alle Nutzer freigeschaltet. Ende März hatte Alphabet den Chatroboter bereits für eine begrenzte Anzahl an Usern in den USA und Großbritannien zugänglich gemacht.

Zuvor hatten Analysten schon prognostiziert, dass die aufgerüstete Bing-Suchmaschine dem Google-Pendant den Rang ablaufen würde. Jedoch musste Microsoft schnell Begrenzungen für ihren Chatbot einführen. Denn Nutzer beschwerten sich vermehrt darüber, die neue Bing-Version liefere Falschinformationen und verstörende Antworten. Auch Google befürchtete Imageschäden durch die Einführung eines unreifen, fehleranfälligen Produkts.

Weiche Faktoren wichtig

Für die kommenden Jahre erwarten Analysten nun weitere milliardenschwere Investitionen im KI-Wettrennen der Tech-Konzerne. Um diese umzusetzen, sei technologisches Know-how mehr denn je gefragt. „Bei den besten Talenten im Tech-Bereich stehen die Unternehmen regelrecht Schlange und müssen die potenziellen Mitarbeiter mit einer Vielzahl harter und weicher Faktoren überzeugen“, sagt Allianz-X-CIO Middendorf. Ein attraktives Gehalt und andere monetäre Anreize wie Aktienoptionen würden als Selbstverständlichkeit verstanden.

Viele Mitarbeiter wollten auch für eine Firma arbeiten, zu deren Vision sie einen spürbaren Beitrag leisten könnten. „Kaum einer will mehr nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe sein“, betont Middendorf. Vor allem Software-Entwickler schätzten zudem ein flexibles und wenig hierarchisches Umfeld. Fänden sie dies nicht vor, könnten sie kurzfristig „aus zehn weiteren Jobangeboten auswählen“. Während viele Bürokräfte fürchten, von KI ersetzt zu werden, müssen sich Software-Entwickler also auf ein aggressiveres Buhlen um ihre Dienste einstellen.

Zuletzt erschienen: „Kompetenz der Forscher-Teams hebeln“ (9.5.)
xaw New York

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