Keine Trendwende in Sicht – Auftragsmangel bremst Chemiebranche aus
Die Lage in der deutschen Chemieindustrie bleibt angespannt, aber der Branchenverband VCI verbreitet vorsichtigen Optimismus. Grund dafür ist nach den Worten des VCI-Präsidenten und Covestro-CEO Markus Steilemann die Politik der neuen Bundesregierung. In Berlin, aber auch in Brüssel, gebe es ein Umdenken. „Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Bürokratieabbau stehen wieder oben auf der politischen Agenda.“ Die neue Bundesregierung habe erste wichtige Schritte ergriffen. „Endlich scheinen Deutschland und Europa aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwachen.“
Es mangelt an Aufträgen
Die Hoffnungen auf eine Erholung im laufenden Jahr hat die Branche allerdings aufgegeben, erst 2026 könnte es laut Steilmann besser laufen. Im ersten Halbjahr 2025 ging die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1% zurück, der Umsatz sank um 0,5% auf 107 Mrd. Euro. Die Branche produzierte rund 15% weniger als im Vorkrisenjahr 2018. Im weiteren Jahresverlauf rechnet der VCI mit einer stagnierenden Produktion und einem Umsatzrückgang von 1%. Als Hauptgrund für die trüben Aussichten nannte der Verband einen gravierenden Auftragsmangel. „Gut 40% der Mitgliedsunternehmen berichten, dass sie weniger Aufträge reinbekommen“, erläutert Steilemann. Die Auslastung der Produktionsanlagen liege mit 80% bereits das dritte Jahr in Folge unter der Rentabilitätsschwelle. Nur während der Finanzkrise im Jahr 2008 sei diese Zahl niedriger gewesen. Damals sei aber schnell „der Turbo“ eingeschaltet worden, so Steilemann, „der ist jetzt nicht in Sicht.“
Die für die Unternehmen negative Preis- und Kostenentwicklung sorge für „deutlichen Margendruck“. Die Gewinnwarnungen, die diverse Unternehmen der Branche zuletzt verschickt hatten, seien hier ein deutliches Zeichen - BASF, Covestro und Brenntag hatten zuletzt ihre Jahresziele nach unten korrigiert.
Einzig die Pharmabranche bietet Lichtblicke. Anders als die übrigen Sparten wurden hier im ersten Halbjahr Zuwächse vermeldet, die Produktion wurde um 2% ausgeweitet. Im Gesamtjahr dürfte ein Plus von 3% zusammenkommen, während für die Chemie ein Rückgang von 2% vorausgesagt wird.
Standort nicht wettbewerbsfähig
Die Deindustrialisierung sei bereits im Gange. Deutschland sei das einzige Land der OECD, dessen Industrie seit 2018 nicht mehr gewachsen sei. Steigende Insolvenzen und die Verlagerung von Investitionen ins Ausland seien „keine abstrakte Gefahr, sondern mittlerweile Realität geworden“. Dies drohe einen Teufelskreis aus Auftragsmangel, hohen Kosten und steigenden Importen in Gang zu setzen. Der VCI forderte die Politik erneut zum Handeln auf. „Der Standort Deutschland ist im internationalen Vergleich zu teuer“, sagte Steilemann. „Investitionen liegen auf Eis.“ Nötig seien ein konsequenter Bürokratieabbau, wettbewerbsfähige Energiepreise und bessere Investitionsbedingungen. „Die Unternehmen würden mehr investieren, aber erst einmal muss die Politik liefern.“ Ein von der Regierungskoalition vorgelegtes Sofortprogramm sei ein erster wichtiger Schritt.