Hellofresh & Co

Kochboxenkonzerne feilen an der Effizienz

Nach dem Abebben der Corona-Pandemie fällt es den Kochboxenversendern schwer, weiter zu wachsen. Nun rückt die operative Effizienz stärker in den Fokus der Manager.

Kochboxenkonzerne feilen an der Effizienz

Kochboxenkonzerne feilen an der Effizienz

Durchschnittliche Bestellwerte steigen – Wie Hellofresh, Marley Spoon und Blue Apron sich im zweiten Quartal geschlagen haben

hek Frankfurt
Von Helmut Kipp, Frankfurt

Nach dem Absatzboom infolge der Restaurantschließungen und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kämpfen die Anbieter von Kochboxen mit rückläufigen Kundenzahlen. Hohe Inflationsraten zehren an der Kaufkraft der vorwiegend unter städtischen Millennials angesiedelten Käuferschaft, und die allgemein schlechte Konsumstimmung schmälert die Ausgabenbereitschaft weiter. Die Gewinnmargen stehen unter Druck, auch weil sich der Einkauf der Nahrungsmittelzutaten stark verteuert hat.

Hellofresh dominiert

Die Halbjahresberichte aus der Branche belegen, dass die Zeiten des starken Wachstums vorbei sind. Die Kochboxenversender müssen darum kämpfen, Kunden zu halten und neue zu gewinnen. Fortschritte gibt es in der operativen Effizienz der Unternehmen, etwa in dem Bestreben, die Abnehmer zu größeren und häufigeren Bestellungen zu animieren. Das zeigt sich in höheren Deckungsbeiträgen, also der Marge vor Marketing- und Verwaltungskosten.

Hellofresh aus Berlin, die den Markt dominiert, zählte Ende Juni 7,3 Millionen aktive Kunden, 8,7% weniger als ein Jahr zuvor. Der Rückgang schlägt auf die Zahl der Bestellungen durch, die im zweiten Quartal um 7% auf 30 Millionen sank, und auf den Umsatz, der währungsbereinigt um 0,8% auf 1,92 Mrd. Euro nachgab. Stabilisierend haben sich die leicht erhöhte Bestellfrequenz von 4,11 Orders pro Kunde nach 4,03 im Vorjahresquartal und vor allem der auf 63,60 Euro erhöhte durchschnittliche Auftragswert ausgewirkt, bei konstanten Wechselkursen ein Anstieg um 8,4% binnen Jahresfrist.

USA wichtigster Markt

Der Deckungsbeitrag hat sich nach Firmenangaben über vier Quartale in Folge erhöht. Er liegt nun mit 28,4% um 2,8 Prozentpunkte über dem Niveau des zweiten Jahresviertels 2022. Das zeugt von zunehmender Effizienz in Einkauf und Produktion. Für das zweite Halbjahr stellt das im November 2011 gegründete Unternehmen, das in 18 Ländern tätig ist und dessen mit großem Abstand wichtigster Markt die USA sind, eine Beschleunigung des Wachstums in Aussicht. Denn dann geht das neue Werk für verzehrfertige Mahlzeiten (ready to eat) in Arizona in den USA an den Start. Damit sollen die Kapazitätsengpässe der Fertiggerichte-Tochter Factor der Vergangenheit angehören.

Daher rechnet Deutsche-Bank-Analystin Silvia Cuneo mit einer Wachstumsbeschleunigung auf 4% im dritten und 12% im vierten Quartal 2023. Zum Vergleich: Nach sechs Monaten waren es währungsbereinigt 2,1%. Die Hellofresh-Aktie bewegt sich nach Aufwärtsrally und darauffolgendem Absturz seit Monaten seitwärts, doch Cuneo erwartet eine Neubewertung. Diese könne schneller kommen als gedacht, meint sie. Auch Sebastian Patulea von der Investmentbank Jefferies setzt auf ein Re-Rating der Aktie. Die Gewinnziele des Managements, das zwischen 470 Mill. und 540 Mill. (2022: 477,4 Mill.) Euro adjustiertes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im laufenden Jahr erwartet, seien konservativ.

Wechsel nach Frankfurt

In sehr viel kleineren Dimensionen agieren die Wettbewerber Marley Spoon und Blue Apron. Marley Spoon etwa erwirtschaftete im ersten Halbjahr weniger Umsatz als Hellofresh Gewinn, bezogen auf das bereinigte Ebitda. Das in Berlin ansässige Unternehmen wurde gerade mit einer vom Wagniskapitalgeber 468 Capital initiierten Firmenhülle (Spac) zusammengelegt. Marley Spoon erhielt dadurch 45 Mill. Euro Eigenkapital.

Die Transaktion geht einher mit der Abkehr von der australischen Börse und einem Listing in Frankfurt. Marley-Spoon-Mitgründer und CEO Fabian Siegel und 468-Capital-Gründer Alexander Kudlich können nur hoffen, dass der neue Handelsplatz auch einen Neustart der Aktie auslöst. Denn die Performance in Sydney kommt einem Desaster gleich.

Das im Sommer 2018 zu 1,42 austr. Dollar emittierte Wertpapier erreichte zwar in Spitzenzeiten mehr als 3 Dollar, wird aktuell aber nur mit 10 austr. Cent gehandelt. Auch der Kurs des Spac, also der neuen Marley Spoon Group, wirkt wenig erbaulich: Seit Anfang Juli ist er im Xetra-Handel von 10 auf 8 Euro gefallen.

Der jüngste Quartalsbericht zeigt Rückschläge im Geschäftsvolumen, aber Fortschritte auf der Ertragsseite. Der Umsatz sackte währungsbereinigt um 17% auf nur noch 86 Mill. Euro ab, und die Zahl der aktiven Kunden schrumpfte um 24% auf 235.000. Andererseits wurden pro Auftrag mehr Gerichte bestellt (9,1 nach 8,7), und der durchschnittliche Warenkorb legte in konstanten Währungen um 12% auf 61,60 Euro zu.

Blue Apron verkauft Infrastruktur

Beides trug in Kombination mit Kostensenkungen dazu bei, die Deckungsbeitragsmarge von 27,2% im zweiten Quartal 2022 auf 31,8% zu bringen. Somit erreichte das operative Ebitda positives Terrain – es belief sich auf 2,4 Mill. Euro nach 3,0 Mill. Euro Verlust im Vorjahreszeitraum. Von der Prognose, das Gesamtjahr beim operativen Ebitda schwarz abzuschließen, ist Marley Spoon allerdings abgerückt. Es droht also ein weiteres Verlustjahr. Als Grund nennt das Management die gekappten Umsatzerwartungen für 2023.

US-Wettbewerber Blue Apron, der im Sommer 2017, wenige Monate vor dem IPO von Hellofresh, an die Börse kam, präsentiert sich seit Jahren als Sanierungsfall mit chronisch hohen Verlusten. Nun soll das adjustierte Ebitda im zweiten Quartal nächsten Jahres die Nulllinie überwinden. Luft verschaffen sich die Amerikaner mit dem Verkauf der operativen Infrastruktur samt Logistikzentren und Personal an den Essensdienstleister Freshrealm. Blue Apron stellt das Manöver, das bis zu 50 Mill. Dollar Cash bringt, als „Asset Light Model" dar.

Umsatzeinbußen

Für das laufende Jahr stimmt der Konzern auf weitere Umsatzeinbußen auf 410 Mill. bis 415 Mill. (2022: 458,5 Mill.) Dollar ein. Daraus sollen zwischen 23 Mill. und 27 Mill. Dollar operativer Verlust erwachsen. Die Kundenzahl dünnte im zweiten Quartal von 349.000 im Vorjahreszeitraum auf 267.000 aus. Verbesserungen zeigen andere Leistungskennzahlen: Der durchschnittliche Orderwert lag im zweiten Jahresviertel, unterstützt von Preiserhöhungen, mit 75,66 Dollar um 8,50 Dollar über dem Vorjahresbetrag, und der Umsatz je Kunde kletterte von 328 auf 397 Dollar.

Nach dem Abebben der Corona-Pandemie fällt es den Kochboxenversendern schwer, weiter zu wachsen. Die maue Stimmung der Konsumenten bremst die Geschäfte. Nun rücken die Manager von Hellofresh, Marley Spoon und Blue Apron operative Abläufe und Deckungsbeiträge stärker in den Fokus.