Kohleausstiegspläne bedrohen RWE

Investoren verkaufen Aktie nach starkem Lauf - Tochtergesellschaft Innogy trägt den Konzern

Kohleausstiegspläne bedrohen RWE

Die Jamaika-Koalition verhandelt über einen Zeitplan für den Kohleausstieg. Unter den deutschen Energiekonzernen wäre RWE mit einem Kohleanteil von 60 % am stärksten betroffen. Viele Anleger machen jetzt Kasse.cru Düsseldorf – RWE warnt vor einer aus Sicht des Konzerns “einseitigen Klimaschutzpolitik”. “Bei einem kurzfristigen Ausstieg aus der Kohle wäre die Versorgungssicherheit nicht mehr zu gewährleisten”, sagte Finanzvorstand Markus Krebber am Dienstag in einer Telefonkonferenz anlässlich der Neunmonatsbilanz. Angesichts der Koalitionsverhandlungen in Berlin mahnte der Manager die Partner des angestrebten Jamaika-Bündnisses, die Ziele Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit bei ihrer Energiepolitik gleichrangig zu verfolgen.Ein schneller Ersatz der Kohle, etwa durch Gas, sei schon aufgrund der notwendigen Planungszeiten unrealistisch. Mit neuen Gaskraftwerken allein sei es auch “nicht getan”. Die heutige Gasinfrastruktur sei für derart große zusätzliche Spitzenlastmengen gar nicht ausgelegt, erklärte Krebber. Hinzu komme die massive Abhängigkeit bei Gasimporten von einzelnen Ländern und Lieferanten wie etwa Russland. Der Ersatz von Kohle durch Gas sei auch mittelfristig “völlig ineffizient und volkswirtschaftlich schädlich”.”Wir würden in eine Übergangstechnologie investieren, die im Zielbild in dem Umfang nicht mehr gebraucht würde. Das ist teuer und führt zu massiven Strompreissteigerungen”, warnte Krebber.RWE steht seit Jahren wegen seiner Braunkohlekraftwerke in der Kritik von Umweltschützern. Anders als der Konkurrent Uniper, der viele Gaskraftwerke betreibt, setzt RWE in Deutschland zu 60 % auf Kohle, will allerdings die CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung bis 2030 durch Stilllegungen um die Hälfte reduzieren. Zum Vergleich: Deutschland produziert noch 40 % seines Stroms aus Kohlekraft. Risikofaktor JamaikaDie gerade laufenden Verhandlungen der Jamaika-Koalition über den Zeitpunkt eines beschleunigten Kohleausstiegs stellen die künftige Profitabilität von RWE in Frage.Ob der Vorschlag von Union und FDP, die Kohlekraftwerkskapazitäten bis 2020 um bis zu 5 Gigawatt zu reduzieren, schon die Versorgungssicherheit gefährden würde, – oder erst die Forderung der Grünen, doppelt so viel Kohle herauszunehmen, – wollte Finanzchef Krebber nicht kommentieren. “Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten industriellen Wertschöpfung weltweit.” Basis dafür sei eine sichere und bezahlbare Energieversorgung.In der Braunkohle seien etwa 75 000 Menschen direkt oder indirekt beschäftigt. Krebber betonte jedoch: “Ich plädiere hier nicht für eine dauerhafte Beibehaltung der Kohleverstromung.” Sie werde deutlich und kontinuierlich zurückgehen.RWE hält trotz der schwierigen Lage nach den ersten neun Monaten Kurs auf einen Milliardengewinn für 2017. In den ersten neun Monaten verdiente der Konzern vor allem dank der Rückzahlung ungerechtfertigter Atomsteuern unter dem Strich 2,2 Mrd. Euro (nach 11 Mill. Euro im Vorjahr). Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kletterte um 9 % auf 4,2 Mrd. Euro.RWE profitierte von der 77-%-Beteiligung an der seit Oktober 2016 börsennotierten Tochter Innogy, die gut an ihren Stromverteilnetzen verdient. Ohne Innogy liegt das Ebitda nur bei 1,7 Mrd. Euro. Zudem profitierte RWE in der Sparte für Energiehandel von höheren Energiepreisen und im gesamten Konzern von Einsparungen samt Personalabbau in Höhe von 600 Stellen. Schlechter lief es dagegen in den beiden Sparten für Braunkohle und Kernenergie einerseits sowie der Sparte für Kohle- und Gaskraftwerke andererseits. Grund war in beiden Segmenten ein weiterer Rückgang der Strompreise im Großhandel wegen der staatlich geförderten Ökostromschwemme. Milliardenlast: alte MeilerVon Investoren werden die konventionellen Kraftwerke des Konzerns schon länger als Milliardenlast angesehen, da die Atomkraftwerke bis 2022 abgerissen werden und in der Braunkohlesparte die Kosten für die Wiederherstellung zerstörter Landschaften anfallen: Der RWE-Konzern als Ganzes wird an der Börse mit rund 5 Mrd. Euro weniger bewertet, als der 77-%-Anteil an der Tochter Innogy allein wert ist.Am Dienstag schwankte der Kurs der RWE-Aktie zunächst zwischen moderaten Gewinnen und Verlusten. Etliche Investoren machten Kasse, nachdem die Aktie im laufenden Jahr 86 % zugelegt hatte und am Donnerstag auf ein Zweieinhalbjahreshoch gestiegen war.Am frühen Nachmittag lag das Minus bei 4,2 % auf 21,35 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich aber auch so noch, ausgelöst durch den Freikauf von der Atommüll-Verantwortung im Dezember 2016, binnen Jahresfrist verdoppelt auf 12,3 Mrd. Euro.