IM GESPRÄCH: ARND ZINNHARDT

Komplexe Banken-IT soll Software AG Leben erleichtern

Finanzvorstand setzt auf Nachfrage für Integrationssoftware zur Homogenisierung der Informationstechnik - Großauftragsstrategie soll trotz Volatilität bleiben

Komplexe Banken-IT soll Software AG Leben erleichtern

Nach einem enttäuschenden dritten Quartal zeigt sich die Software AG angriffslustig. Finanzchef Arnd Zinnhardt erklärt die Erlösenttäuschung mit verschobenen Aufträgen und hofft auf einen Wachstumsschub durch die Digitalisierung – auch dank Banken, die mit Integrationssoftware der Komplexität der eigenen IT zu Leibe rücken wollen.Von Sebastian Schmid, FrankfurtObwohl die Darmstädter Software AG im dritten Quartal die Erwartungen verfehlt hat und nach einem Umsatzrückgang auch im Gesamtjahr erlösseitig zurückliegt, bleibt Finanzvorstand Arnd Zinnhardt optimistisch. Er nimmt für die Software AG in Anspruch, das Thema Digitalisierung als Megatrend frühzeitig erkannt zu haben. “Unsere erste Akquisition in diesem Bereich, in den auch unser jüngster Zukauf des Artifical-Intelligence-Spezialisten Zementis gehört, haben wir bereits im Jahr 2011 vorgenommen.” Zuletzt habe man einen rasanten Anstieg des Interesses wahrgenommen. Leuchtturmprojekte wie die Partnerschaft mit Bosch zeigten, “wie wir das Thema vorantreiben”.Die teils sehr volatile Geschäftsentwicklung führt er auf die Konzernstrategie zurück, sich auf Großaufträge zu konzentrieren. “Eine Verschiebung eines Abschlusses im oft einstelligen Millionenumfang kann eine dramatische Auswirkung auf das Quartal haben”, so Zinnhardt. Richtig sei die Strategie dennoch. Bei Verträgen, die mehr als 1 Mill. Euro schwer sind, sei die Erfolgsquote für Anschlussaufträge “30 % höher als bei kleineren Kunden”. Wenn sich in den typischerweise saisonal schwächeren ersten oder dritten Quartalen nur ein einzelner Großauftrag verspäte, könne dieser einen Umsatzanteil von mehr als 10 % im Digital-Geschäft haben. Für die Software AG sei es natürlich “sehr relevant”, wann der Auftrag kommt. “Für die Kunden ist es allerdings unerheblich, ob ein langfristiger Vertrag am 31. März oder 3. April abgeschlossen wird.” In der Kapitalmarktkommunikation werde deshalb der rollierende Umsatz der vergangenen vier Quartale mitgeteilt. “Im abgelaufenen dritten Quartal haben wir sogar gesondert ausgewiesen, welche Transaktionen wir fünf Tage nach Quartalsende abgeschlossen haben.”Mit Blick nach vorn will die Software AG das bereits recht üppige Geschäft mit Banken und anderen Finanzdienstleistern ausbauen. Für Zinnhardt ist die strapazierte Kundengruppe, die 2015 für nahezu ein Fünftel der Erlöse stand, “hochinteressant”. Banken hätten aktuell drei Themen auf der Agenda. Erstens Niedrigzinspolitik: “Wie kann das Geschäftsmodell in diesem Umfeld bestehen?” Zweitens regulatorische Vorgaben: “Ein Bankenvorstand hat mir jüngst erzählt, dass mindestens zwei Drittel des IT-Haushalts mittlerweile von EZB-Vorgaben bestimmt werden.” Und drittens Fintechs: “Die Frage lautet hier, ob sich ein neuer Marktteilnehmer zwischen Bank und Kunde setzt.” Bei derart komplexen Fragestellungen könnten Standardprodukte nicht die Lösung sein. “Heterogene IT-Landschaften müssen in diesem Zusammenhang homogenisiert werden.” Helfen soll das Integrationsprodukt Webmethods, das 2007 eingekauft worden war. Gegenwind für die Geschäfte mit der Finanzbranche – etwa durch die Auswirkungen des EU-Austritts von Großbritannien auf die Banken in der City – fürchtet Zinnhardt nicht. Das gelte auch, wenn einige Banken umziehen müssten. “In allen zentralen europäischen Finanzschauplätzen – Frankfurt, Paris, Dublin – sind wir aufgrund unserer globalen Ausrichtung bereits vertreten. Wir erwarten daher keine negativen Auswirkungen auf unser Gesamtgeschäft”, befindet Zinnhardt, der seit vierzehneinhalb Jahren dem Finanzressort der Darmstädter vorsteht. Zu wolkige Bewertungen?Die Cloud-Dienste, ein anderes Wachstumsthema, das in der Softwarebranche derzeit in aller Munde ist, sieht Zinnhardt kritischer. Wenn die Darmstädter mit Kunden über strategische Digitalisierungsschritte sprächen, spiele die Public Cloud keine große Rolle. Aber Cloud könne schließlich auch Private Cloud bedeuten. “Wir haben dieses Jahr einen großen Vertrag mit Google abgeschlossen und das Liefermodell ist das einer Private Cloud.” Bei der Public Cloud frage er sich unwillkürlich beim Blick auf die wolkigen Bewertungen: “Ist das gerechtfertigt? Ich werte das jetzt rein finanz- und nicht IT-seitig. Aber es gibt eben kaum einen Cloud-Anbieter, der in diesem Geschäft Geld verdient.” Das gelte selbst für unbestrittene Marktführer trotz Milliardenumsatz sowie Vorteilen in Marketing und Vertrieb.Beim Thema Big Data kann die Software AG derweil selbst auf eine global führende Position vertrauen. “Im transaktionalen Geschäft sind wir mit Terracotta hervorragend aufgestellt. Google vertraut darauf. Beim Affordable Care Act, der Gesundheitsreform der Regierung von Barack Obama, gab es Performance-Probleme nach der Einführung an den Gesundheitsbörsen. Seit wir mit Terracotta dazugeholt wurden, sind die Probleme behoben.”Einen Anstieg des Zinsniveaus, wie ihn seit dem Wahlsieg von Donald Trump viele Volkswirte prognostizieren, würde der Software-AG-Finanzchef begrüßen. “Wir haben in jedem Quartal einen positiven Cash-flow. Daher sind für uns die Anlagezinsen deutlich interessanter als die Kreditzinsen”, erklärte der 54-Jährige. Dass ein Zukauf bei höherem Zinsniveau nicht mehr möglich wäre, schließt er aus. “Selbst in einem recht extremen Szenario, in dem etwa das Zinsniveau um 100 Basispunkte steigt, hätte der Zinssatz weiterhin keinen Einfluss auf unsere Akquisitionsentscheidungen. Denn wenn eine Akquisition sich aufgrund eines um einen Prozentpunkt höheren Zinssatzes nicht mehr lohnt, dann ist diese entweder strategisch unbedeutend oder mit der heißen Nadel gestrickt.”Sorgen bereitet Zinnhardt eher die Sicherung des Liquiditätspolsters, das in den ersten neun Monaten von rund 300 Mill. auf knapp 350 Mill. Dollar angewachsen ist. “Wir bewerten regelmäßig auch die Bonität all unserer Banken und haben in der Vergangenheit immer wieder Liquidität abgezogen, wenn sich die Bonitätsaussichten in die falsche Richtung entwickelt haben – auch bei Großbanken.” Zudem seien in der Vergangenheit Mittel in die USA verschoben worden, wo höhere Zinsen zu erwarten waren.Das habe sich gleich in mehrfacher Hinsicht rentiert, da auch der Dollar kräftig aufgewertet habe. Zinnhardt glaubt nicht, dass die USA unter Präsident Donald Trump finanziell in eine prekäre Lage manövriert werden. In der jüngeren Vergangenheit hatte die Konjunkturkrise in Brasilien für die Software AG herbe Umsatzeinbußen bedeutet. Mit einer wirtschaftlichen Situation wie in Brasilien könne man die Lage in den USA aber sicher nicht vergleichen. “Das eine Land hat echte Liquiditätsprobleme, das andere in der jüngeren Vergangenheit eine limitierte Zeit regulatorische Hürden gerissen.” Zudem habe das Geschäft mit staatlichen Unternehmen in den USA eine viel geringere Bedeutung für die Software AG.